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Gemeinderat, 48. Sitzung vom 27.02.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 100

 

hat, du willst einen Zirkus machen - ich zähle jetzt gar nicht alles auf -, du willst im Universitätsbereich etwas machen, du willst etwas Handwerkliches machen. Wo sind Räume, etwas zu tun? Wien ist der Ort der unglaublich tollen Menschen und mit und für diese etwas zu tun, gibt sehr viel Kraft, gibt sehr viel Unterstützung.

 

Ein weiteres Prinzip - ich möchte heute ganz bewusst keine Parteipolitik machen -, bei dem ich sozusagen einmal das Gefühl habe, dass diese Regierung schon etwas versucht, das auch mich vorantreibt, ist, Politik für alle - alle, die in Wien leben - und nicht nach Klassen oder nach ethnischen Kriterien zu unterscheiden. Für alle, die hier in Wien leben, haben wir nicht das Gleiche zu tun - die Stadt ist unterschiedlich -, aber zu versuchen, egal, wo man wohnt, wie alt man ist, ob man arbeitslos ist, ob man Unternehmer ist, ob man WissenschaftlerIn ist, für diese alle etwas zu tun. Ich weiß, das klingt jetzt kitschig, aber ich sage es trotzdem - aus tiefer Empfindung -: Selber geht es einem besser, wenn man etwas für andere tut - als Mensch, aber auch für die Politik.

 

Ich möchte in meiner politischen Abschlussrede hier nur kurz ganz bewusst etwas erzählen, worauf ich auch stolz bin, weil es von politischem Spirit durchsetzt war: Ich war und bin und werde viel in Südafrika sein, wo wir in sehr, sehr armen Gebieten mit sehr vielen anderen, nämlich Studierenden, zwei Schulen gebaut haben, in denen jetzt in diesem Moment, in dem ich hier stehen darf, über 500 Schülerinnen und Schüler lernen. Diese Schulen sind mit dem Spirit „Build together - learn together“ entstanden und über 500 Studenten aus Europa haben sie errichtet. Und obwohl ich viel in Südafrika bin und auch gern dort bin, bin ich immer froh, dass ich dann ein Ticket nach Hause nach Wien habe. Oft wünsche ich mir, dass sich die vielen Leute, die sagen, wie schrecklich die Zustände in Wien sind, einmal auf der Welt umschauen, was es zum Beispiel heißt, ein solch enormes Maß an Ungleichheit zu haben, wie man es in Südafrika hat. Das bedeutet, dass man Straßen hat, wo privat Bewaffnete stehen, weil permanent wirklich etwas Kriminelles passieren kann, wo man im Lokal nicht sicher ist.

 

Für andere etwas zu tun, Sozialpolitik, diese unglaubliche Errungenschaft Sozialstaat aufrechtzuerhalten, hilft auch den Wohlhabenden, nämlich um Sicherheit zu empfinden und Sicherheit zu haben. Wir sollten daran denken, was für eine Errungenschaft und was für ein Aufbau ein Sozialstaat ist, der permanent umgebaut werden muss, aber wenn man das zu schnell abschneidet, glaube ich, ist es fast unvermeidlich, wenn man sich in der Welt umschaut, dass man auf der Ebene der Kriminalität etwas zunimmt. Für andere etwas zu tun, ist also keine Frage der Selbstlosigkeit, sondern es ist auch eine Frage des Selbstschutzes. Es ist auch nicht angenehm, wenn man Elend sieht, für einen selber nicht, und man muss sozusagen etwas tun. Es ist keine Frage der Charity, sondern eine des Sozialstaates. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Einige wenige Dinge aus der Stadtplanung - anknüpfend an das, was ich zuerst gesagt habe -: Auf einmal steigt die Bevölkerung, steigt teilweise um 20.000, 30.000, 40.000, ein Jahr sogar, glaube ich, um fast 50.000 Menschen, und noch einmal die Möglichkeit zu haben, neue Stadträume zu entwickeln und sich da einbringen zu können, ist eine wahnsinnig schöne Herausforderung. Ich habe mir gedacht, ich sollte Ihnen allen in zweieinhalb Minuten erzählen, was die Prinzipien sind - na, das versuche ich jetzt.

 

Das Erste, bei dem wir auch oft angeeckt sind, die urbane Dichte, ist eine Chance und kein Problem. Alle Touristen der Welt fahren in dichte innerstädtische Stadtteile. Ich sage immer, der größte Unterschied zwischen Stadt und Land ist, dass es in der Stadt mehr Leute gibt, die man nicht kennt, als man kennt. Der Normalfall sind also Fremde, nämlich Menschen, die man nicht kennt. In einem schönen öffentlichen Raum oder in der U-Bahn sind Fremde, die man nicht kennt, aber das macht eine Stadt auch aus. Dichte ist also eine Chance.

 

Das Zweite ist die Durchmischung. Ich sage es in einer technischen Art: Nicht für eine Bevölkerungsgruppe an einem Ort mit einem Architekten ein Riesending hinbauen! Die allergrößten Fehler können in der Stadtentwicklung passieren, und die bestgemeinten Dinge können wahnsinnig nach hinten losgehen. Die Pariser Vorstädte waren für mich immer das warnende Beispiel. Ich kann nicht Französisch, aber man konnte nachlesen, mit welch positiver Inbrunst in den 50er und 60er Jahren für nordafrikanische Flüchtlinge helle, große, durchgrünte Häuser geschaffen wurden, wo all jene die Möglichkeit haben, Fließwasser und alles zu bekommen. Wir wissen, was daraus geworden ist. Eine Stadt funktioniert nur dann, wenn sie verwoben ist, wenn Reich und Arm, Alt und Jung, Arbeitslose und Arbeitende miteinander wohnen, sich in der Schule treffen, sich beim Einkaufen treffen. Ich glaube, das ist sehr wichtig, und da, glaube ich, ist in den letzten Jahren in Wien sehr viel geglückt, nämlich, dass wir keine - ich nenne jetzt gar keine Beispiele - Siedlungen hingestellt haben, sondern Stadt gebaut haben.

 

Dann unsere Auseinandersetzung für die Erdgeschoßzonen und nicht die Einkaufsschachteln: Oft sage ich, das wichtigste Wort der Stadtplanung hat vier Buchsstaben: nein. Es gab kein großes Stadtentwicklungsgebiet, in das nicht irgendjemand ein riesiges Shoppingcenter bauen wollte. Aber wenn man das baut, weiß man genau, dass dann keine Geschäftsstraßen entstehen können. Das ist ein weiterer Punkt.

 

Und dann Freiräume: Wie hat das Jane Jacobs so schön gesagt? - Das Außen des Hauses ist das Innen der Stadt. Die Qualität dessen, was zwischen den Häuserfronten ist, wo wir uns begegnen, sozusagen auf der Straße, hat die Stadt zu erbringen. Da ist unter politischen Schmerzen, ich nenne jetzt nur die Mariahilfer Straße neben vielen anderen, aber auch in den Neubaugebieten, glaube ich, vieles entstanden, was wichtig ist. Die Auseinandersetzung ist aber auch die Stadt, das Streiten darüber, die Vorteile, die Nachteile, auch die Leidenschaften, die letztlich damit verbunden sind.

 

Stolz bin ich auf die Bauordnungen. Ich bin morgen Abend wiederum in Deutschland eingeladen, wo sie irgendwie staunen: Sag, wie geht das, mit netto 5 EUR?

 

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