Gemeinderat, 54. Sitzung vom 26.06.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 99
Stadtplanung für alle und nicht nur für die wenigen Exklusiven, und mir ist wichtig, hier auch dafür einen Punkt zu machen: Wir wollen alles daran setzen, dass wir genauso eine Stadt bleiben, in der jeder überall hinkommen kann - „no gated communities!“ -, eine Stadt für alle! (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS.)
Noch eine dritte Frage, zentral für Städte derzeit: Werden Metropolen zu Smart Cities, die von Technologiekonzernen gesteuert und überwacht werden oder werden sie zu Smart Cities, wie Wien eine ist, wo man den Bürgerinnen und Bürgern das Denken nicht aberzieht und wo es nicht digital oder sozial heißt, sondern beides gemeinsam gedacht wird. Das Digitale wird in den Dienst des Sozialen gestellt, also Smart City made by Wien und nicht by Huawei oder Google.
Ich sprach vorhin aber auch vom öffentlichen Raum als soziale Frage und kehre kurz zu dieser Frage zurück und stelle sie erneut aus einem anderen Blickwinkel: Wem gehört der öffentliche Raum? Was ist seine primäre Funktion in einer Stadt? Welche Bedeutung hat er? - Ich sage eindeutig, er soll dazu da sein, unsere Lebensqualität zu sichern und auch besser werden zu lassen. Platz ist im Inneren von Städten nicht vermehrbar, deshalb müssen wir auch dringender denn je überlegen, wofür wir ihn brauchen. Ich sage, wir brauchen ihn auch für Bäume, wir brauchen ihn für Schanigärten, wir brauchen ihn für breitere Gehsteige, damit immer mehr Menschen, die im Inneren der Stadt unterwegs sind, auch Platz finden. Wir brauchen ihn allem voran für junge Familien und für Kinder, damit sich diese in der Stadt frei bewegen und gut aufwachsen können. Lebensqualität hat viel, nein, ich korrigiere mich, hat fast alles mit Kindern zu tun und mit der Frage, ob eine Stadt gut zu Kindern ist. Ich sage Ihnen, das war mein Motto in den vergangenen Jahren: Eine Stadt, die darauf schaut, dass junge Familien mit ihren Kindern gerne in der Stadt bleiben, hier leben, weil sie es gerne tun und nicht, weil sie es müssen, ist eine Stadt, die genau auf dem Erfolgspfad ist. Darum ging es bei der Mariahilfer Straße, darum wird es auch immer wieder in den nächsten Jahrzehnten, denke ich, gehen.
Lassen Sie mich aber nun an dieser Stelle einen Schritt noch weiter in die Tiefe gehen und zu jenen Erinnerungen aus meinen ersten Monaten in Wien zurückkehren, die mein Bild von Wien so geprägt haben wie kaum etwas anderes. Ich war, glaube ich, drei Monate in Wien, es war ein sehr kalter Winter, es hatte fast minus 20 Grad, und ich hatte eine ganz, ganz kleine Wohnung bekommen, die völlig überteuert ohne Heizung, also mit einem alten Ölofen, und ohne Telefon war, sodass ich zum Telefonieren immer ins Wirtshaus ums Eck gehen musste, wo es noch ein Münztelefon gab. In diesem Wirtshaus landete ich eines Abends, nachdem ich nämlich stundenlang diesen Ölofen nicht anbringen konnte und furchtbar fror. Als ich mit meinen Eltern redete, verlor ich die Beherrschung und begann zu weinen. Und genau in diesem Moment, als ich am Telefon zu weinen begonnen habe, und ohne ein Wort von dem zu verstehen, was ich redete, verwandelte sich dieses Wirtshaus in eine riesige Familie. Man kann sich das nicht vorstellen! Es kamen Menschen und drückten mir eine heiße Suppe in die Hand, im nächsten Moment drückte man mir ein Achterl Rot in die Hand, und im übernächsten Moment kam die sozusagen etwas gewaltige Wirtin, umarmte und drückte mich zu sich und sagte - wie wir es uns vorstellen können -: „Komm, Schatzl, was auch immer es ist, setz dich her, alles wird gut, du kannst uns das erzählen!“
Dieses Wien ist Wien. Dieses Wien ist unser Wien. Das ist Wien. Die Häuser sind nicht Wien, die Paläste am Ring sind nicht Wien, Wien sind wir, wir alle! Dieses Wien der Weltoffenheit, dieses Wien der Solidarität, dieses Wien der Liebe. Es war kein linkes Wien dort in diesem Wirtshaus, es war kein intellektuelles Wien, es waren ganz normale Menschen, die einfach das Herz dort hatten, wo es hingehört, und in dem Moment, in dem sie sahen, dass jemand Hilfe braucht, zur Stelle waren. Es ist auch dasselbe Wien, das vor ein paar Jahren auf den Bahnhöfen gelaufen ist und Unterstützung geleistet hat. Und es ist dasselbe Wien, das vor wenigen Wochen, als die Bilder der Holocaust-Überlebenden verschmiert und zerschnitten wurden, Tag und Nacht darüber gewacht hat und geschaut hat, dass sie beschützt sind. Es ist dieses Wien. Dieses Wien - ich werde nicht müde, das zu wiederholen - kann man nicht erfinden, das kann man nicht verordnen, es ist da, von alleine.
Ohne die geringste Spitze gegen irgendjemanden loszulassen, habe ich mir vorgenommen, heute politisch, aber nicht parteipolitisch zu sein, denn das ist meine einzige Chance, bei dieser letzten Rede vielleicht noch mit jedem und jeder von Ihnen zu sprechen und vielleicht auch den einen oder anderen Gedanken in Ihren Kopf zu pflanzen, der Sie eine Minute länger beschäftigt, als ich hier noch stehe. Ich will Sie einfach alle dazu aufrufen, dass wir über dieses Wien wachen und dass wir dafür sorgen, dass dieses Wien genau so bleibt. (Langanhaltender Beifall bei GRÜNEN, SPÖ, ÖVP und NEOS.)
Lassen Sie uns also dafür sorgen, dass es eine Stadt bleibt, in der sich jeder das gute Leben leisten kann, eine Stadt, in der man sich das Wohnen leisten kann, und zwar das gute Wohnen, nicht irgendwelche Kaschemmen, die anderenorts als sozialer Wohnbau firmieren, sondern Wohnen in bester Qualität und in bester Lage. Weil gestern die Rede davon war, dass ich kein Verständnis dafür hätte, dass Menschen keine Freude damit haben, wenn vis-à-vis von ihren Häusern Anlagen entstehen, sage ich, ich verstehe das. Ich verstehe das, und ob ich das verstehe! Auch ich habe das erlebt, dass es nicht angenehm ist, wenn man vorher auf ein grünes Feld geschaut hat und nachher dort ein Haus hinkommt, aber ich habe Solidarität auch mit jenen jungen Familien, die leistbaren Wohnraum brauchen. Ich habe Solidarität mit ihren Kindern, ich habe Solidarität mit all denjenigen, die sich eben kein Einfamilienhaus leisten können. Und es ist mir ein Mal mehr wichtig, dass das weiterhin möglich bleibt. Lasst uns dafür sorgen, dass wir eine Stadt sind, in der niemand Angst haben muss, wenn es einmal schief läuft, weil sie ein soziales Auffangnetz hat, eine Stadt, die sicher ist, wo Kinder auch sicher aufwachsen können, und, mehr noch, eine Stadt, die über Menschen
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