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Gemeinderat, 55. Sitzung vom 26.09.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 18 von 95

 

zentrales Anliegen, weil eine gute Bildung der Schlüssel zur persönlichen Selbstentfaltung ist. Sie ist nicht nur der Schlüssel zur persönlichen Entfaltung, sondern auch der Schlüssel für eine gerechte Gesellschaft, in der nicht zählen sollte, woher man abstammt, sondern das zählen sollte, was man selbst einbringen kann. Und das ist nur dann möglich, wenn das Bildungssystem auch so ist, dass es die Talente fördert und jeder Einzelne auch Entfaltungsmöglichkeiten hat. (Beifall bei den NEOS.)

 

Wir sehen aber leider vor allem im Pflichtschulbereich, dass diese Grundprämissen an die Bildung, die wir haben, nicht erfüllt werden, weil vieles im Pflichtschulbereich im Argen liegt. Schauen wir einmal auf die Zahlen, schauen wir mal dort hin, wo es wirklich auch weh tut: 45 Prozent der NMS-Schüler können nach der 8. Schulstufe nicht ausreichend lesen. Das ist eine dramatisch hohe Zahl, dass fast jeder zweite Pflichtschüler diese Standards nicht erreicht. Wie StR Hanke vorhin gesagt hat, ist das das Ticket zu einer Arbeitslosenkarriere. Da werden Chancen vertan, die wir nicht vertun dürfen.

 

Eine weitere Zahl, die sehr dramatisch ist, ist die Anzahl der Gewaltdelikte an Schulen. Allein im Jahr 2017/2018 wurden 258 Gewaltdelikte an Wiener Pflichtschulen angezeigt, und das sind nur diejenigen, die auch öffentlich sind.

 

Darüber hinaus gibt es natürlich viele Fälle, die verborgen bleiben, und ganz, ganz, ganz viele Mobbingfälle, von denen berichtet wird, die unter den Tisch gekehrt werden, weil Mobbing an den Schulen noch immer viel zu wenig als Problem anerkannt wird, obwohl es vor allem auch in Zeiten des Internets und der Digitalisierung für die Schülerinnen und Schüler allgegenwärtig ist. (Beifall bei den NEOS.)

 

Im Vergleich zu anderen Bundesländern sehen wir, dass in Wien sehr viele Kinder in Privatschulen gehen, da die Eltern in vielen Bereichen nicht mehr an das öffentliche Pflichtschulsystem glauben und ihre Kinder deshalb auch in Privatschulen geben, was prinzipiell im Sinne der Vielfalt und der Wahlentscheidung natürlich in Ordnung ist, aber es ist zumindest ein Zeichen, dass das öffentliche Schulsystem vermieden wird. Das merkt man ja auch in Gesprächen, das merkt man ja auch hier, bei Eltern, deren Kinder in die Schule gehen, dass vor allem die Pflichtschulen vermieden werden. Das ist ein Faktum, das ist schlecht für eine gerechte Gesellschaft, das ist auch schlecht für die Stadt, und es ist auch eine Schande, dass Kindern Chancen geraubt werden, nämlich den Kindern, die durch schlechte Bildung nicht mehr die gleichen Chancen wie die Kinder haben, die wirklich eine gute Bildung bekommen, und auch einen Anspruch darauf haben. (Beifall bei den NEOS.)

 

Unser Ziel ist, dass kein Kind zurück gelassen wird. Unabhängig vom Hintergrund der Eltern, egal, wo man wohnt, jedes Kind soll wirklich faire Chancen bekommen, denn es ist nicht gerecht, dass Bildung in dieser Stadt so stark vererbt wird. Es ist auch nicht gerecht, dass jeder Zweite nach Abschluss der Pflichtschule nicht ordentlich lesen kann, und es ist auch nicht gerecht, dass so viele Schülerinnen und Schüler in dieser Stadt von Mobbing betroffen sind.

 

Das heißt, wir müssen dringend handeln. Wir müssen die Pflichtschulen retten, die Situation an den öffentlichen Schulen ist dramatisch. Wir müssen da zu einer Verbesserung kommen. In einem Punkt sind wir uns ja einig: Wir müssen dort mehr Mittel hingeben, wo sie notwendig sind. Das heißt, Schulen mit großen Herausforderungen sollen auch mehr Unterstützung bekommen, und vor allem auch die Lehrer und Lehrerinnen an diesen Schulen brauchen diese Unterstützung. Sie brauchen professionelle Begleitung auch in besonders schwierigen Fällen, denn sonst werden diese Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Tätigkeit in der Schule alleine gelassen, das besonders dramatisch ist, weil dann natürlich die Qualität an den Schulen weiter sinkt.

 

Wir dürfen nicht weiter zuschauen, wie wir eine ganze Generation verlieren. Wir müssen die Schulen durch mehr Unterstützung, aber auch durch ein anderes System verbessern. Wir wollen, und das haben wir vorgeschlagen, eine Bildungspflicht. Das heißt, weg von der reinen Schulpflicht hin zu einer Bildungspflicht, dass gewisse Grundkompetenzen, wie ordentlich sinnerfassend lesen zu können, erreicht werden müssen, bevor die Schullaufbahn beendet werden kann, natürlich immer mit der Grenze der Volljährigkeit. Uns ist es aber lieber, dass man 2, 3 Jahre länger zur Schule geht, als dass man dann 20 oder 30 Jahre beim AMS ist.

 

Wir müssen das System in Richtung einer mittleren Reife umstellen, damit die Grundkompetenzen von Schülerinnen und Schülern erreicht sind, wenn die Schule verlassen wird, denn wenn man diese Grundkompetenzen nicht beherrscht, hat man in der Gesellschaft so gut wie keine Chance. Das ist fahrlässig, wie wir mit diesen Jugendlichen umgehen, dass sie in den Arbeitsmarkt gehen oder im Bereich des AMS landen, ohne in manchen Bereichen die Grundkompetenzen zu erreichen.

 

Da müssen wir umdenken und von einer reinen Schulpflicht, bei der es um das Absitzen der Jahre geht, weg und hin zu einer Bildungspflicht mit einer mittleren Reife gehen. (Beifall bei den NEOS.)

 

Wirkliche Verbesserungen, vor allem im Pflichtschulsystem, werden wir aber nur gemeinsam erreichen. Die letzten eineinhalb Jahre, mit einer polarisierenden Situation einer schwarz-blauen Bundesregierung und einer rot-grünen Stadtregierung, die alles gemacht hat, außer zu kooperieren, waren besonders schädlich für das Bildungssystem und die Bildungsdiskussion. Konflikte wurden auf den Schultern der Kinder ausgetragen, ständig ging es um Kompetenzstreitigkeiten und nicht um das Gemeinsame, was heißen müsste: Wir verbessern die Schulen, um wirklich auch jedem Kind Chancen zu geben.

 

Es wäre mein Wunsch und auch meine Erwartung, hier in dieser Stadt in Zukunft stärker darauf zu schauen, gemeinsam mit einer Bundesregierung, so wie es auch London mit einem Schulterschluss über Parteigrenzen hinweg gemacht hat, auch über die Grenzen des österreichischen Föderalismus hinweg, die Wiener Schulen zu verbessern, denn eine gute Bildung ist der Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben und der Schlüssel für eine gerechtere Gesellschaft.

 

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