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Gemeinderat, 60. Sitzung vom 26.11.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 46 von 102

 

und 14 Schulpsychologinnen und -psychologen. Das heißt in Wahrheit: dringender Aufholbedarf! (Beifall bei den NEOS.)

 

Wie sieht es aber sonst an den Wiener Pflichtschulen aus? Wenn ich mir die Zahlen der Pflichtschüler und Pflichtschülerinnen anschaue, dann haben wir bei der Lesekompetenz 45 Prozent jener, die in der 8. Schulstufe keine grundlegenden Kenntnisse und Fertigkeiten beim Lesen erlangt haben. Wir entlassen also fast die Hälfte aller Kinder aus den Pflichtschulen, ohne dass sie diese Kompetenzen haben! Mathematikkompetenz: 42 Prozent der PflichtschülerInnen in der 8. Schulstufe haben die grundlegenden Kenntnisse und Fertigkeiten in Mathematik nicht erlernt, verlassen also eine Wiener NMS ohne ausreichend auf ihren weiteren Ausbildungsweg oder auf ihren Berufsweg vorbereitet zu sein.

 

Noch ein Blick in die Wiener Pflichtschulen und vor allem auf die mediale Berichterstattung der letzten Monate: Gewalt an den Schulen ist ein Riesenthema. Wir hören immer wieder von Gewalteskalationen, Schüler untereinander, aber auch gegen Lehrer gerichtete, körperliche Attacken. Auch in diesem Bereich sprechen die Zahlen Bände. Wir haben im Schuljahr 2018/19 176 Gewaltdelikte, die zur Anzeige gebracht wurden, 87 davon in der NMS. Das sind beinahe 50 Prozent. Dazu ist vielleicht noch anzumerken, dass momentan auch die Zahlen in den Volksschulen im Steigen begriffen sind, aber gerade in den NMS sind sie natürlich noch am höchsten.

 

Diese nackten Zahlen zeigen uns schon ein Bild. Ich weiß nicht, wer auch diese Wahrnehmung hat, ich bekomme sie viel durch Gespräche mit, dass die NMS nicht so ein gutes Ansehen genießt, und die Zahlen geben uns auch recht. Wenn wir mit Pädagoginnen und Pädagogen in den Pflichtschulen oder sagen wir, auch teilweise in Brennpunktschulen, die es ja gibt, reden, dann wissen wir, dass diese dringend Unterstützung und Hilfe brauchen. Sie werden aber alleine gelassen, sie bekommen zu wenig Unterstützung! Sie bekommen zu wenig Hilfe, um sich um jene zu kümmern, die es dann wirklich brauchen.

 

Was ist die Folge? Kinder drängen natürlich, getrieben durch ihre Eltern, aufs Gymnasium. Das ist ein sehr verständlicher Auswuchs dessen, tunlichst zu vermeiden, dass man den Weg in die Wiener NMS einschlagen muss. Sie werden das ja auch selbst kennen, wenn man oft sagt, na, damals eben Hauptschule, am Land eh okay, aber in Wien nein, um Gottes willen! Daran hat sich leider nichts geändert, und wir haben einen hohen Privatschulanteil. Die Eltern sehen sich teilweise geradezu gezwungen, natürlich ist das dann auch eine finanzielle Frage, wenn sie es sich leisten können, können wir irgendwo in eine Privatschule gehen. Wir haben einen Anteil von 17,6 Prozent, wenn man das österreichweit vergleicht, dann sind das nur 10 Prozent.

 

In der NMS gibt es, glaube ich, auch viele Projekte und da hilft zum Beispiel auch „Teach for Austria“ aus. Das ist eine ganz besondere und gute Initiative. Auch wenn man mit diesen Menschen spricht, merkt man schon, boah, da muss es eigentlich ziemlich arg zugehen. Sie werden aber dort dringend gebraucht und leisten einen ganz, ganz wichtigen Beitrag. Da sehe ich es nicht ein, dass Wien sich im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht an den Kosten beteiligt. Die haben natürlich Kosten im Bereich der Ausbildung und der Organisation, andere Bundesländer übernehmen da bis zu 50 Prozent, Wien tut das nicht. Es wird aber eben fleißig in den Schulneubau investiert. Das ist gut so, wir haben das auch schon zum Thema gehabt. Ich glaube, es steht jeder hier in diesem Saal dahinter, dass wir natürlich ausreichend Plätze für unsere steigenden Schülerzahlen schaffen. Ganz, ganz wichtig - aber gleichzeitig schauen Sie bei Schulen weg, die dringend Hilfe benötigen.

 

Erweitert werden ja vor allem, sagen wir, schon sehr gute, etablierte, öffentliche Schulen. Das ist etwas, das ich jetzt im 13. und im 19. Bezirk beobachten konnte, wo Schulen erweitert werden, wo teilweise der Schulgarten aufgelassen werden muss, und 100 m weiter befindet sich eine Brennpunktschule, wo man genau wieder wegschaut. Man sagt, nein, dort greifen wir lieber nicht hin. Aktueller Fall, in einer bestehenden Schule, auch eine VBS, also eine bilinguale Schule: Da wird um 9 Klassen erweitert, ein großer Zubau, der in den Schulgarten kommt. 100 m weiter habe ich eine Schule, wo man nicht daran denkt hinzuschauen, wo es sinkende Schülerzahlen gibt, wo die Klassenzahlen nicht mehr erreicht werden können, wie sie vorher waren, weil die Eltern ihre Kinder dort einfach nicht mehr hinschicken wollen. Das weiß ich wirklich, denn ich kenne dort in dieser Umgebung viele Menschen, die einfach sagen, nein, lieber nicht.

 

Dort könnte man ja investieren, indem ich auf eine Ganztagsschule ausbaue, indem ich vielleicht auch Englisch bilingual einführe - das muss aber gar nicht sein -, indem ich andere tolle Projekte dort umsetze. Das wäre die Aufgabe einer vor allem sozialdemokratischen Regierung: Hinzuschauen, dass jedes Kind dort wirklich die gleichen Chancen und Möglichkeiten hat. (Beifall bei den NEOS.) Ich sage, das zieht sich durch. Da, wo es brennt, wird weggeschaut. Viele tolle Projekte, viele tolle Erweiterungen, gerade, was das Architektonische betrifft, was die Möglichkeiten an Sport, Musik, Kombination, die Campusmodelle betrifft: Das sind alles super Sachen, das möchte ich nicht in Abrede stellen, aber schauen wir bitte dort, wo wir es brauchen, nicht weg! (Beifall bei den NEOS.)

 

Auch im Hinblick darauf glaube ich, dass wir das Wiener Bildungssystem von Grund auf neu denken müssen. Augen zu und durch, scheint das Motto zu sein, aber wir können nicht in Kauf nehmen, dass vier von zehn Kindern nicht ausreichend lesen, nicht ausreichend rechnen können. Da wird Hoffnungslosigkeit und Chancenlosigkeit produziert, und auch wenn hier der Kopf geschüttelt wird: Wir haben diese Fälle teilweise und Sie wissen es, glaube ich, auch genau. Meine Bitte ist wirklich nur, dort hinzuschauen.

 

Wir haben schon vor längerer Zeit einen Bildungsgipfel vorgeschlagen, um genau darüber zu sprechen, was jene Schulen brauchen, die es dringend notwendig ha

 

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