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Gemeinderat, 61. Sitzung vom 19.12.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 48 von 116

 

Über Vereine wurde jetzt wirklich ausführlich gesprochen. Ich finde das auch sehr positiv, dass man das hier diskutiert, denn da sind eindeutig Missstände wahrzunehmen, leider Missstände, die sich offenbar kontinuierlich wiederholen. Ich bin aber keine Vereinsmeierin, sondern ich habe mir einen Teilaspekt Ihrer Rechnungshofberichte bezüglich der Integration in Schulen für Jugendliche und Schüler mit Flucht- und Migrationserfahrung herausgenommen, da ich glaube, das ist ein Aspekt, der wirklich die Zukunft betrifft, nicht nur die der betroffenen Kinder und Jugendlichen, sondern auch die Zukunft Wiens, und der den Finger auf, sagen wir, Schwachstellen legt, die unbedingt aufgegriffen und auch beseitigt werden müssen.

 

Die Schwachstelle, die in diesem Bericht besonders deutlich zum Ausdruck kommt, ist das Sprachdefizit. So lange wir nicht in der Lage sind, dieses Sprachdefizit bei Kindern mit Migrationshintergrund ... (Zwischenruf von GR Nikolaus Kunrath.) - Wieso unterbrechen Sie mich? Ich zitiere nur den Bericht. Sie werden ihn kennen, nehme ich an, hoffe ich zumindest. - Man muss dieses Sprachdefizit eben mit entsprechenden Methoden ausgleichen.

 

Ich möchte hier wiederholen: Auch Herr Kollege Margulies hat gesagt, der Bund hätte in den Jahren, nicht unbedingt 15, aber dann 16 und 17 in diesem Bereich vieles boykottiert. Nein, meine Kollegin hat das vorher eigentlich schon überzeugend widerlegt, Frau GRin Hungerbichler. (GR Nikolaus Kunrath: Hungerländer!) Da wurde sicherlich in keiner Weise bewusst etwas boykottiert, sondern was wirklich zu Recht kritisiert wird, ist, dass kein standardisiertes Testverfahren zur Sprachstandsfeststellung, ein bisschen ein Bürokratendeutsch, zur Verfügung steht. Dabei hat nämlich der Rechnungshof bereits in dem Bericht Schüler und Migrationshintergrund, Antworten des Schulsystems im Jahr 2013 empfohlen, ein bestehendes Verfahren weiterzuentwickeln und für die verpflichtende Anwendung zu sorgen. Also ich glaube, da haben Sie völlig recht, dass Sie auf dieses Defizit aufmerksam machen.

 

Weiters ist mir aufgefallen, dass erst mit dem Bildungsreformgesetz 2017 das freiwillige 10. Schuljahr auch auf außerordentliche Schüler ausgedehnt wurde. Das sind Schüler, die den Regelunterricht nicht mehr entsprechend abschließen konnten. Auch das ist absolut ein Defizit, das aufgeholt werden musste und auch aufgeholt wird.

 

Zum Asyl: Ein weiterer Kritikpunkt, den ich absolut teile, ist, dass Jugendliche nur auf Grund des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in Mangelberufen sowie in Berufen, in denen ein Lehrlingsmangel existiert, ausgebildet werden können. Sie hatten aber, und das ist positiv, die Möglichkeit, eine Berufsschule als außerordentliche Schülerinnen und Schüler zu besuchen. Sie schreiben, Wien legte diese Regelung - unter Anführungszeichen - großzügig aus. Was heißt großzügig? Bei einem Ansturm von Kindern mit migrantischem Hintergrund sind 115 Jugendliche mit Fluchterfahrung in Wiener Berufsschulen im Jahr 2015 nicht gerade sehr viel. Im Juni 2016 waren es 127 und im April 2018 aber nur mehr 12. Das kann einen positiven Grund haben, kann aber auch einen negativen Grund haben. Entweder gehen die Kinder und Jugendlichen mit diesem Hintergrund nicht gerne in solche Lehrberufe oder sie haben einen solchen schulischen Fortschritt gemacht, dass sie weiterführende Schulen und die Pflichtschule nachholen können, aber da ist sehr wohl darauf zu sehen.

 

Die Zahl der außerordentlichen Schülerinnen und Schüler, deren Erstsprache nämlich nicht Deutsch war, hat sich in allgemein bildenden Pflichtschulen vom Schuljahr 14/15, das zu Recht als das herausfordernde Jahr bezeichnet worden ist, es war es auch, bis zu 2016/17 um rund 11.000 Personen, das ist um 37 Prozent, erhöht. In diesem Zeitraum stieg die Zahl der Kinder ohne Deutsch als Erstsprache von 20.328 oder rund 13 Prozent auf 175.546 an. Das gilt natürlich für ganz Österreich und nicht nur für Wien, aber in Wien ist der Anteil von Kindern, die nicht Deutsch als Erstsprache haben und zu Hause nicht Deutsch sprechen, besonders hoch, und zwar 62 Prozent, fast doppelt so hoch wie in Österreich insgesamt. Da muss man natürlich ansetzen.

 

Jetzt hat man natürlich auch außerschulische Programme zur Integration und zur Sprachförderung in diesem Rechnungshofbericht unter die Lupe genommen. Und da wurde wieder kritisiert. Ich teile diese Kritik absolut. In Schulen verwendet man nur unterschiedliche Instrumente zur Sprachstandsdiagnose, auch die Instrumente zur Dokumentation des Kompetenzzuwachses waren unterschiedlich, damit fehlt die Möglichkeit der Vergleichbarkeit. Das Instrument der unterrichtsbegleitenden Sprachstandsbeobachtung Deutsch als Zweitsprache setzten mehr als die Hälfte der Schulen in Österreich ein. In Wien lag der Anteil aber nur bei 12 Prozent, da die Wiener Schulen offensichtlich das sogenannte Wiener Screening verwendeten. Also da gleiche Standards zu haben, wäre ja nur von Vorteil.

 

Was mir bei Ihrer Bestandsaufnahme besonders negativ aufgefallen ist: Rund 22 Prozent der Lehrpersonen für Sprachförderung an Pflichtschulen verfügten über keine entsprechende Qualifikation für Deutsch als Zweitsprache und rund 32 Prozent konnten lediglich eine Fort- und Weiterbildung in diesem Bereich ausweisen. Also wenn schon die Lehrer die Kinder betreuen müssen, damit sie ihr Sprachdefizit in Deutsch ausgleichen und damit die Eintrittskarte für beruflichen Fortschritt, für Selbstbestimmung, für Integration schaffen sollen, aber nur so wenige Fachpersonen über diese Qualifikation verfügen, dann läuft dabei in Wien wirklich etwas schief. Darauf hat ja auch schon meine Vorrednerin Hungerländer wirklich zu Recht hingewiesen, dass es betreffend Integrationsmaßnahmen in Wien da im System an Methodik, an klaren Zielsetzungen fehlt.

 

Diese Missstände, meine Damen und Herren, die zeigen sich natürlich ganz deutlich in diversen PISA-Studien, in denen man sieht, wie schlecht Wiener Kinder mit Migrationshintergrund abschneiden. Vergleicht man es mit Zahlen in Deutschland, die also eben veröffentlicht wurden, dann sprechen in Deutschland von mehr als einer Million Migranten und Migrantenkinder - aber im Verhältnis, glaube ich, hatten wir noch mehr zu verkraf

 

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