Gemeinderat, 1. Sitzung vom 24.11.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 45
Haufen, so bunt wie unsere Stadt. Es ist wirklich eine große Ehre, heute hier an dieser Stelle als Erster für die GRÜNEN sprechen zu dürfen.
Wir alle haben etwas gemeinsam. Es ist eine sehr außergewöhnliche Zeit, es ist ein außergewöhnlicher Rahmen - ein sehr festlicher Rahmen, aber ein außergewöhnlicher, denn die globale Pandemie hat uns nicht nur im Wahlkampf und auch am Wahltag begleitet, sondern auch in den letzten Wochen, und sie wird uns noch länger begleiten. Aber ich glaube, dass wir heute hier zusammentreten können, ein neuer Gemeinderat angelobt wird, eine neue Stadtregierung zusammentritt, ist ein starkes demokratisches Zeichen, und ich bin froh, dass die Demokratie in unserer Stadt so eine deutliche Sprache spricht.
Diese deutliche Sprache bedeutet auch, dass ein neues Regierungsprogramm vorgestellt wird. Und auch wenn jetzt - wir haben es schon gehört - sehr viel Fortschritt draufsteht, ist eigentlich sehr viel Fortschreibung drinnen, aus meiner Sicht viel Bekanntes, keine großen Würfe und sehr viel Unkonkretes.
Lassen Sie mich in drei Punkten auf diese neue Regierungskonstellation eingehen, und ich möchte dort beginnen, wo Fortschreiben auch etwas Gutes ist. Und ja, das sehen wir GRÜNE auch in diesem Programm, und ich will das auch ganz klar benennen. Auch wenn wir mit diesem Tag heute eine andere Rolle hier im Wiener Rathaus einnehmen, nämlich jene der grünen Opposition, gilt trotzdem eines: Immer wenn es um Weltoffenheit geht, immer wenn es um entschlossenes Auftreten gegen Extremismus und Faschismus geht, immer wenn es um die Wahrung der Menschenrechte in dieser Stadt geht, dann werden Sie in uns GRÜNEN verlässliche Partnerinnen und Partner finden.
Gleichzeitig, und damit komme ich zum zweiten Punkt, befindet sich im Fortschreiben auch schon viel Bekanntes. Ich möchte fast sagen, sehr vieles in diesem Programm nimmt auch Bezug auf die Arbeit der letzten zehn Jahre. Vieles in den Reden vom Herrn Bürgermeister und vom Herrn Vizebürgermeister ist auch die Arbeit der letzten Jahre, und Wien würde heute in Sachen Klimaschutz, in Sachen Öffis, in Sachen Jahresticket, in Sachen öffentlicher Raum - Stichwort Mariahilfer Straße - nicht so gut dastehen ohne diese auch grüne Leistung von vielen Köpfen in den letzten Jahren. Im Ergebnis hat diese Arbeit auch dazu geführt, dass Wien seit zehn Jahren weltweit die Stadt mit der höchsten Lebensqualität ist. Das ist eine hohe Messlatte, an der sich auch die neue, rot-pinke Koalition wird beweisen müssen, denn eines ist klar: Niemand darf sich auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen.
Damit komme ich zum dritten Punkt: Bei den zentralen Herausforderungen unserer Zeit ist Fortschreiben einfach zu wenig. Gerade angesichts der Corona-Pandemie, von Arbeitslosigkeit und von Klimakrise gilt auch eines: Einfach fortschreiben, schafft noch mehr Krise. „Business as usual“ heißt, Probleme verschärfen sich. In einer Welt, die scheinbar aus den Fugen geraten ist, schafft nur Veränderung neuen Halt. Meine Kollegin Judith Pühringer und ich, wir werden in unseren Redebeiträgen jetzt auf Bereiche eingehen, in denen Fortschreiben alleine eben nicht reicht, und ich werde mit dem Bereich Klimaschutz beginnen.
Ja, in den Überschriften findet man einige wichtige Vorhaben. Für uns sind es keine neuen Vorhaben: Klimaneutralität 2040 haben die GRÜNEN beispielsweise schon auf Bundesebene verhandelt, den Klimarat gibt es schon etwas länger, das Klimabudget läuft auch schon etwas länger. Es sind also allesamt richtige Überschriften, aber keine neuen Vorhaben.
Es gibt auch große Lücken, und zwar immer dort, wo es ums konkrete Umsetzen geht. Gerade in den zwei wichtigsten Bereichen, beim Verkehr und dem Heizen und Kühlen von Gebäuden, fehlt es an konkreten Vorhaben, die eigentlich auf der Hand liegen. Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel geben: Zwei Jahre will man sich laut Regierungsprogramm Zeit nehmen, um an einem Konzept zu arbeiten, wie man den Gasausstieg beginnt. Herr VBgm Wiederkehr hat vorhin von mutigen Ideen, die geprüft werden, gesprochen. Gleichzeitig haben wir heute schon die Situation, dass bei 34.000 Wohnungen die Fernwärme schon vor der Tür liegt, aber noch immer mit Gas geheizt wird. Das muss viel schneller gehen, sehr geehrte Damen und Herren, denn die Klimakrise wartet nicht auf Arbeitsgruppen.
An dieser Stelle müssen wir auch darüber sprechen, was nicht in diesem Regierungsprogramm steht, was vielleicht sogar bewusst nicht in diesem Regierungsprogramm steht, und das sind die großen Klimakiller: Infrastrukturprojekte wie Autobahnen oder andere Großprojekte. Und egal, ob es dann die Lobau-Autobahn, die 3. Piste oder irgendein anderes großes fossiles Projekt ist, das jetzt vielleicht mit den NEOS leichter durchgeht als mit den GRÜNEN: Das sind alles Klimafehler, die uns in die fossile Vergangenheit befördern und nicht in die erneuerbare Zukunft.
An dieser Stelle muss ich mit aller Deutlichkeit auch sagen: Bei all diesen Klimafehlern wird man in den nächsten Jahren immer mit dem Widerstand der GRÜNEN zu rechnen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dieses Versprechen gebe ich heute ab.
Ein Letztes noch zum Klimaprogramm der neuen Stadtregierung: Jedes Mal, wenn ich das Kapitel in den letzten Tagen gelesen habe, hat es sich ein bisschen nach Zeitreise angefühlt, als wäre es auf einmal vor ein oder vor zwei oder vor drei Jahren. Die gleichen Papiere liegen am Tisch, dann wird mit breiter Brust gesagt: „Ja, das nehmen wir uns vor!“, und dann wird gebremst. Eine Fortschrittskoalition mit eingebauter Bremse - das ist kein guter Start, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Aber das braucht es, und wir werden Sie daran messen, und wir werden Sie in diesem Bereich herausfordern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich meine Rede aber trotzdem optimistisch beenden: Es wird eine Zeit geben, in der wir uns alle wieder umarmen, in der wir uns alle wieder abbusseln, in der wir gemeinsam mit FreundInnen und Familie ins Theater gehen, in der wir abends in Clubs gehen bis in die Morgenstunden. Diese Zeit wird es wieder geben.
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