Gemeinderat, 66. Sitzung vom 26.03.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 33
nur stinkt - und wer braucht schon einen LKW. Im Großen und Ganzen sollten wir das in Zukunft mit anderen Augen sehen. Er ist die Versorgung, er gewährleistet die Versorgung, und ohne LKW geht es nicht.
Leider ist in dieser schwierigen Zeit aber auch sehr viel unrund und falsch gelaufen. Auf Grund regelmäßig abgehaltener Pressekonferenzen kann und muss man feststellen, dass in unserer Bundesregierung sehr viel unüberlegt gehandelt wurde. Lassen Sie mich gleich als Erstes die Aushebelung des Epidemiegesetzes im Nationalrat ansprechen. Darf man Aussagen von Verfassungsrechtlern und Rechtsanwälten vertrauen, dann war das gesetzwidrig, meine Damen und Herren. Durch seine Unterschrift hat kein Geringerer als Herr Bundespräsident Van der Bellen ein neues, offensichtlich verfassungswidriges Gesetz beurkundet und damit auch in Kraft gesetzt. Wo laufen wir denn hin?
Der Umgang und die Reaktion im Hinblick auf das Coronavirus sind definitiv nicht akzeptabel. Deshalb kann und will ich hier zum Ausdruck bringen, dass man sich bei der Bundesregierung nicht bedanken kann, vor allem beim Kanzler und dessen Vize nicht. Immer mehr Experten hinterfragen die Handlungen der Regierung, und die Mainstreammedien schweigen beharrlich oder stimmen in ein Jubelgeschrei über das grandiose Vorgehen ein. Sogar gefragte Finanzexperten wie der Innsbrucker Universitätsprofessor Huber stellen die überhasteten Maßnahmen massiv in Frage und befürchten einen künstlich herbeigeführten Kollaps unserer österreichischen Wirtschaft. Man hätte die gefährdeten Personen, also die Über-65-Jährigen, durchaus anders schützen können, ohne gleich sämtliche Wirtschaftskreisläufe stillzulegen - siehe zum Beispiel Schweden: Schweden macht es komplett konträr, man wird sehen, dort wird es anders verlaufen.
Hier wurde, ohne wirklich alle Alternativen zu diskutieren, Österreichs Wirtschaft fast auf null gefahren. Und die Bevölkerung wird mit utopischen Summen, die angeblich an die Wirtschaftstreibenden verteilt werden, bei Laune gehalten. Die angekündigte Soforthilfe findet aber gar nicht oder kaum statt. Denken wir an die 400.000 Ein-Personen-Unternehmen, an Klein- und Mittelbetriebe: Ist denn den handelnden Akteuren in der Bundesregierung überhaupt bewusst, dass viele von diesen Unternehmen das laufende Jahr nicht überstehen werden? Die Rettung dieses wirtschaftlichen Rückgrats unserer Republik darf keine Frage des aktuellen Budgets sein. Hier darf man keine betriebswirtschaftlichen Ansätze mehr gelten lassen, hier muss man volkswirtschaftlich denken. Daher gilt es, lieber jetzt viel Geld in die Hand zu nehmen und die Wirtschaft am Laufen zu halten, als dann über Jahre und Jahrzehnte die Schäden in Milliardenhöhe abzustottern.
Die Milliarden, die als Hilfe für die Unternehmer in den Raum gestellt werden, werte Kolleginnen und Kollegen, sind reine Nebelbomben. Von 38 Milliarden EUR wird gesprochen, aber nur 15 Milliarden kommen in Umlauf. In der Realität finden die Rettung und die unbürokratische Hilfe für die Klein- und Mittelunternehmen nämlich nicht statt. Freilich wissen sich die großen Konzerne zu helfen, und sie haben geschultes Personal wie Rechtsanwälte und Notare, die ganz genau wissen, wie man diese Hilfspakete in Anspruch nimmt. Doch die Kleinunternehmer wie zum Beispiel der kleine Beislwirt, der Friseursalon und so viele mehr, die wissen das nicht, und es werden ihnen unzählige bürokratische Steine in den Weg gelegt.
Da werden unter anderem Überbrückungskredite angeboten. Das ist ja ganz schön, aber diese müssen ja auch zurückgezahlt werden. Aber wie denn? Wie, wenn sie zwei, drei, vier Monate keinen Umsatz erzielen können? Nichts, gar nichts findet man im Notprogramm bezüglich Regelung bei Mieten oder Krediten, und auch im privaten Bereich nicht. Die Kosten beziehungsweise Raten, die laufen weiter.
Ebenso wurden von den zuständigen Stellen keine geeigneten Maßnahmen wie Kündigungs- und Pfändungsschutz eingetaktet. Nächste Woche schon ist der 1. April, es werden Fixkosten fällig, und viele, viele Menschen haben kein Geld am Konto. Wir werden zur Zeit von unzähligen verzweifelten Menschen kontaktiert, denen das Wasser bis zum Hals steht. Wir reden nicht von Einzelfällen, meine Damen und Herren, wir sprechen hier von Tausenden. Wo ist da die große angekündigte Soforthilfe? Es mag sich für Sebastian Kurz richtig und gut anfühlen, wenn sich Großbetriebe wie AUA, die Strabag, die Porr gleich ein ordentliches Stück von den bereitgestellten Milliarden sichern, aber der kleine Bürger bleibt da auf der Strecke. Die Menschen sind verzweifelt! Deshalb verlange ich von der Wiener Rathausspitze mehr Druck auf diese Bundesregierung. Herr Bgm Ludwig, fragen Sie unseren Bundeskanzler, fragen Sie ihn doch: Wo ist seine Hilfe für die unzähligen verzweifelten Familien? Wo ist denn seine Hilfe für die mehr als 15.000 Obdachlosen, die wir in dieser Stadt haben? Wie sollen viele Familienväter und -mütter, die gekündigt wurden, am 1. April für ihre Familien einkaufen gehen? Wie sollen diese Familien ihre Mieten bezahlen, wie den Strom und wie das Gas? Oder hat die Stadt Wien vielleicht eine Zwischenfinanzierung geplant, wie zum Beispiel ein Notgeld an alle aus dem Wiener Budget?
Die Coronavirus-Krise, aber vor allem die Entscheidung der Bundesregierung lassen weiterhin die Arbeitslosenzahlen in Österreich explodieren. In einer Woche schon stieg die Anzahl an Arbeitslosen auf mittlerweile über 150.000. Rechnen wir mit einer Verdoppelung dieser Zahl im nächsten Monat, im April - und wir sind damit noch lange nicht am Ende der Fahnenstange.
Und noch etwas: Es wird mit zweierlei Maß gemessen. Die Entscheidungen der Regierung dürften eindeutig nicht für alle gelten. Der Großteil der Österreicher hält sich an die Vorgaben und bleibt auch zu Hause. Aber diese Vorgaben dürften nicht für alle gelten, und vor allem nicht für unsere Neubürger. Am Brunnenmarkt in Wien wird Halligalli gefeiert, in Donaustadt auf der Donauinsel tummeln sich Sonnenanbeter - und im Rathauspark fährt die Polizei auf und ab und bittet zum Nachhausegehen. Die Anwesenden lachen sie aber aus. Die Polizei greift nicht durch. Fast gleichzeitig vernimmt man im Fernsehen, dass Parks und Spielplätze gar nicht
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