Gemeinderat, 66. Sitzung vom 26.03.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 26 von 33
Wir erleben zur Zeit mit Sicherheit eine der schwierigsten Situationen, die wir uns nur vorstellen können. Wir haben auf der einen Seite die Frage nach der Gesundheit und die Angst um die Familienangehörigen und natürlich auch die Angst, selber zu erkranken sowie den psychischen Aspekt, der da eine Rolle spielt. Diesen sollte man bitte nicht außer Acht lassen, denn je länger das enge Zusammenleben in den Familien andauern wird, desto mehr steigt auch die Gefahr, dass die Gewalt in den Familien zunehmen wird. Das ist auch ein Aspekt, den man vielleicht nicht außer Acht lassen sollte. Auf der anderen Seite haben wir natürlich die berechtigte Angst um die Existenz, nämlich um den Job und um das Unternehmen. Das sind die zwei Bereiche, die natürlich berechtigte Sorge machen und uns aktuell beschäftigen.
Wir haben letzte Woche gesehen, was passiert, nämlich 16.000 Kündigungen oder Anmeldungen beim AMS an einem Tag. Wir können also nur erahnen, in welche Richtung das jetzt gehen wird. Besonders hart trifft es natürlich die ältere Generation, also 50plus. Wir haben Menschen, die 20 Jahre und mehr in Unternehmen gearbeitet haben, die vielleicht sogar nur ein paar Jahre vor der Pension stehen und jetzt in kleinen Unternehmen, in familiären Bereichen arbeitslos geworden sind, die wahrscheinlich auch nach der Krise keinen Job mehr finden werden. Das heißt, sie werden durch billigere Arbeitnehmer ersetzt werden. Da gilt es, unser Augenmerk wirklich ganz massiv darauf zu richten. Die Kurzarbeit ist zwar schön und gut und federt das Ganze etwas ab, aber es ist nicht die Lösung, und wie wir sehen, funktioniert es in vielen Bereichen auch nicht. Die negative Auswirkung auf den Arbeitsmarkt ist schlimmer als bei der Finanzkrise 2008 und sie wird uns auch noch eine Weile begleiten, weil es eine Krise der Realwirtschaft ist. Auch die Unternehmen sind ganz massiv betroffen und haben, wie gesagt, Sorge und Angst. Da trifft es besonders die Klein- und Mittelbetriebe am stärksten, es sind ganze Branchen weggebrochen, und das ist erst der Anfang, keiner weiß, wo es hingeht, keiner weiß, wie lange es dauern wird, keiner weiß, was es für Auswirkungen haben wird. Viele haben natürlich die berechtigte Angst, dass ihnen die Zeit davonläuft. Es bedarf jetzt natürlich eines massiven Schulterschlusses.
Ich kann aber hier trotzdem nicht mit Kritik an der Bundesregierung sparen und ich muss das der schwarz-grünen Bundesregierung jetzt schon mitgeben: Sie haben in einem Schnellschuss, einfach hop oder trop ein gutes Gesetz, das wir gehabt haben, nämlich das Epidemiegesetz, außer Kraft gesetzt. Es war ein Gesetz, das wirklich - das muss man schon sagen - vor allem für die Klein- und Mittelbetriebe echt gute Punkte gehabt hat, bis zu 25 Arbeitnehmer wären nämlich abgesichert gewesen. Das heißt, die ganzen Klein- und Mittelbetriebe hätten jetzt das Problem nicht, wenn man das Epidemiegesetz einfach nur ausgeführt hätte. Die Leute hätten weiter beschäftigt werden können, die Republik Österreich hätte das Geld nehmen und retourzahlen müssen, aber das ist offensichtlich der Punkt, den sich die Republik Österreich hat ersparen wollen, also zumindest der Finanzminister der ÖVP. Sie haben in einer Husch-Pfusch-Aktion einfach das Ganze außer Kraft gesetzt, etwas anderes gemacht und jetzt kämpfen halt viele Menschen ums Überleben.
Ich muss Ihnen sagen, prinzipiell ist ein Härtefonds sicher keine schlechte Geschichte, aber so, wie Sie es aufgezogen haben, ist es eine Katastrophe. Bund und Land haben sich da aus der Verantwortung gezogen und de facto alles der Wirtschaftskammer überlassen. Diese ist vollkommen überfordert, wir haben es heute schon gehört, viel zu wenig Personal, viel zu späte Maßnahmen, nämlich jetzt im Nachhinein. Die Leute brauchen aber jetzt das Geld und nicht erst irgendwann einmal im April oder vielleicht in zwei Monaten, bis die Anträge alle abgearbeitet sein werden.
Wir haben auch das Problem, dass es sich da um sehr sensible Daten handelt, und wer kontrolliert das Ganze? Wir brauchen also in jedem Fall Kontrolle vor allem im Bereich der sensiblen Daten. Wir benötigen permanente Berichte an den Bund und an das Land, darüber, wie es läuft, wie viele Anträge abgearbeitet sind, et cetera. Und wir brauchen vor allem eine Ansichtsmöglichkeit für den Rechnungshof, eine Kontrolle des Ganzen.
Ein Spruch, der mir oder vielen von uns im Moment sehr geläufig ist, lautet: Wer schnell hilft, hilft doppelt. - In diesem Sinne ist es natürlich ganz wichtig, Arbeitnehmern und Unternehmern jetzt schnell zu helfen und sie nicht zu Bittstellern zu degradieren, wie es diese Bundesregierung gerade macht. Es ist wichtig, den Menschen da draußen zu signalisieren: Wir lassen niemanden im Stich, die Wirtschaft nicht und die Arbeitnehmer nicht, oder besser gesagt, die Unternehmer nicht und die Arbeitnehmer nicht, weil Wirtschaft sind wir ja alle. Und was wir ganz bestimmt nicht vergessen sollten, ist, dass wir auf unsere Systemerhalter schauen müssen. Das sind jene, die aktuell das Leben am Laufen halten. Herzlichen Dank euch da draußen für euren Einsatz! Danke, dass ihr euren Job macht, danke, dass ihr da seid und dass ihr das Risiko auf euch nehmt, selber zu erkranken und dass ihr bis zur Erschöpfung arbeitet.
Es ist jetzt wirklich an der Zeit, nicht nur Danke zu sagen, sondern auch, unsere Wertschätzung zu zeigen. Ich möchte es hier an dieser Stelle betonen, die Gesundheit kann durch keinen finanziellen Aspekt ersetzt werden, trotzdem können wir aber unsere Wertschätzung schon auch zeigen, und deshalb werde ich jetzt zwei Beschlussanträge einbringen.
In dem einen geht es darum, dass wir immer wieder betonen, wie wichtig es ist, den Verkehr in Wien aufrechtzuerhalten. Wir hören aber natürlich ganz massiv sowohl von den Mitarbeitern der Wiener Linien und der Verkehrsbetriebe als auch von Privaten, dass es an den Arbeitsstellen hinten und vorne absolut an Desinfektionsmitteln mangelt. Sie haben nicht einmal in den Standorten, von denen sie wegfahren, sozusagen in den Stationen ausreichend Desinfektionsmittel, geschweige denn, dass U-Bahnen oder andere Verkehrsmittel in irgendeiner Form mit Flächendesinfektionsmitteln regelmäßig desinfiziert werden. Daher stellen wir den Antrag, dass die zuständige Stadträtin aufgefordert wird, als
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