Gemeinderat, 71. Sitzung vom 29.06.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 93
begegnen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Wir haben es allerdings verabsäumt, Rot-Grün hat es verabsäumt, für diese Krise auch gewappnet zu sein.
Es wurde in guten Zeiten verabsäumt, Geld auf die Seite zu legen, um es jetzt nachhaltig investieren zu können. Nach der Finanzkrise 2008 hat man Geld in die Hand genommen, dann gab es Jahre mit Hochkonjunktur, wo die Einnahmen gesprudelt sind und man hat trotzdem weiter Schulden gemacht. Wir haben jetzt drei Mal so viele Schulden wie noch vor zehn Jahren, und es war ein Versäumnis, dass man es nicht geschafft hat, in Zeiten der Hochkonjunktur genug Geld auf die Seite zu geben, um es jetzt zu investieren.
Herr Taucher, ich mache mir keine Sorgen, dass Sie nicht trotzdem Geld ausgeben werden, auch wenn man es sich davor nicht gespart hat. Da bin ich mir ganz sicher. Das ist schon die Tradition von Rot-Grün, Geld auszugeben, das man nicht hat. Und ich bin mir sicher, dass es auch in vielen Bereichen falsch ausgegeben wird. Wenn ich mir anschaue, was mir Schuldirektoren zur Zeit von Brennpunktschulen erzählen - sie berichten, dass sie ab Herbst weniger Geld an den Schulen zur Verfügung haben und Lehrerdienststellen kürzen müssen -, und gleichzeitig sehe ich auf den Titelseiten von allen Zeitungen ganzseitige Inserate mit einem Schnitzel, dann bin ich mir sicher, dass die Prioritäten falsch gesetzt sind. Ich möchte lieber mehr Personal an den Schulen, um die Krise zu bewältigen, als ganzseitige Inserate auf allen Titelseiten der Tageszeitungen Österreichs.
Nun zum Rechnungsabschluss 2019: Ich finde natürlich gut, dass zum ersten Mal seit 2007 auch ein Überschuss erwirtschaftet wurde. Dieser Überschuss wurde aber nicht wegen der guten Fiskalpolitik der Stadt erwirtschaftet, sondern trotz der schlechten Fiskalpolitik. Warum hat man es geschafft? Es gab ein Wachstum der Konjunktur 2019 von unglaublichen 3,5 Prozent. Die Einnahmen sind gesprudelt, es gab erhöhte Steuereinnahmen von 435 Millionen EUR, Steuern und Gebühren, Steuern und Abgaben. Und in der Stadt gab es auch Zusatzeinnahmen im Bereich der eigenen Gebühren um 19 Millionen EUR.
Das heißt, wir sehen hohes Wachstum, hohe Steuereinnahmen, zusätzliche Gebühren, das heißt, eine zusätzliche Belastung der Wienerinnen und Wiener. Und was hat herausgeschaut: immerhin eine Schuldenreduktion, aber eine läppische Schuldenreduktion von 9,2 Millionen EUR. 9,2 Millionen EUR in Relation zum Beispiel zu den von Ihnen gerade hochgelobten Gastro-Gutscheinen heißt, wir brauchen 4 Mal ein Jahr wie 2019, was so schnell nicht wieder kommen wird, um einmal die Gutscheinaktion der Gastro-Gutscheine zu finanzieren. Wir sehen, selbst in einem guten konjunkturpolitischen Jahr wie 2019 hat man es nicht geschafft, ernsthaft Schulden zurückzuzahlen und deshalb hat sich auch der Schuldenstand in den letzten 10 Jahren fast verdreifacht.
Ein einziges budgetär positives Jahr innerhalb von 17 Jahren ist ein Tropfen auf den heißen Stein, und wir wissen, dass es keine langfristigen Pläne oder auch den Willen gibt, Schulden zurückzuzahlen. Das ist wegen einem falschen Verständnis von Wirtschaftspolitik: Der eine Teil ist, in der Krise zu investieren, ja, das macht die Stadt, aber der zweite, in guten Zeiten Geld auch zurückzuzahlen, wird nicht gemacht. Wir werden ganz genau darauf schauen, dass, wenn die Corona-Krise überstanden ist, es die Stadtregierung schafft, auch endlich wieder Schulden abzubauen, denn die Schulden von heute sind auch die Belastungen von morgen.
Resümee: Wir haben einen Schuldenberg allein im Kernhaushalt von 6,7 Milliarden EUR. Darüber hinaus kommen im ausgegliederten Bereich noch einige weitere Milliarden Euro dazu. Wir werden in dieser Zeit, in der aktuellen Krise, nicht darum herumkommen, massiv zu investieren, um arbeitsmarktpolitische Anreize zu setzen und um auch die Kaufkraft wieder in Schwung zu bringen. Wir wissen, dass viele Wiener Haushalte massiv von der Krise betroffen sind, von Kurzarbeit betroffen sind, von Arbeitslosigkeit betroffen sind und dadurch auch einen Kaufkraftverlust erleiden.
In so einer Zeit ist es auch wichtig, die Wienerinnen und Wiener ernsthaft zu entlasten, Gebühren herunterzugeben, die in Wien ohnehin so hoch sind. Wir haben hier auch einen klaren Vorschlag auf den Tisch gelegt, nämlich Gebühren für zum Beispiel Müll, Abwasser um 15 Prozent zu senken. Das würde für jeden Wiener Haushalt über 150 EUR echte Entlastung bringen. Das wäre eine faire Entlastung. Es wäre fair, den Steuerzahlenden auch wirklich Geld zurückzugeben, durch eine ehrliche Entlastung und nicht durch eine Gutschein-Show-Politik.
Eine ernsthafte Entlastung muss auch immer mit der Überlegung einhergehen, wie kann man so eine Entlastung auch gegenfinanzieren. Und ja, auch in einer wirtschaftspolitischen Krise haben wir die Verantwortung, uns die Frage zu stellen, wo können wir dann auch einsparen, um uns überhaupt aus der Krise hinausfinanzieren zu können. Hier gibt es viele Bereiche. Ich finde es auch eine Frage der Gerechtigkeit, dass wir in der Politik selber ein Zeichen setzen, dass wir bereit sind, dort, wo Geld unnötig ausgegeben wird, einzusparen, um es in sinnvolle Bereiche, zum Beispiel in die Bildung, zu investieren.
Lasst uns doch zumindest heuer die Parteienförderung aus Solidaritätsgründen senken, damit für andere Bereiche mehr Geld da ist! Lasst uns doch für die Zukunft, für immer unnötige Posten wie nicht amtsführende Stadträte oder Bezirksvorsteher-Stellvertreter abschaffen, damit wir das Geld zum Beispiel für Forschung haben! Dort wäre das Geld auf jeden Fall auch sinnvoller investiert.
Neben der Frage, wo wir die Wienerinnen und Wiener entlasten können, müssen wir uns natürlich auch die Frage stellen, wo wir investieren können. Herr Stadtrat, Sie haben schon gesagt, Sie überlegen, wo Investitionen vorzuziehen sind. Das finde ich löblich, das finde ich gut, das finde ich wichtig, dass in jedem Ressort auch überlegt wird, wo man Investitionen, die sowieso geplant sind, vorziehen kann, damit die Kaufkraft, damit die Konjunktur auch wieder in Schwung kommt.
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