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Gemeinderat, 71. Sitzung vom 29.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 93

 

Unternehmer selbst beantragen, bei 12.000 bis 90.000 EUR ist eine Plausibilitätsprüfung durch einen Steuerberater erforderlich. Über 90.000 EUR ist eine inhaltliche Überprüfung durch einen Steuerberater erforderlich. Auf die weiteren bürokratischen Probleme kann ich jetzt aus Zeitgründen gar nicht eingehen.

 

Vor etwa einem Monat gab es auch noch ein Hilfspaket für die Gastronomie, das sogenannte Wirtshauspaket. Ein Schwerpunkt ist die Senkung der Umsatzsteuer auf nichtalkoholische Getränke in Wirtshäusern von 20 auf 10 Prozent bis Ende dieses Jahres. Da wir in meiner Kanzlei auch eine Vielzahl gastronomischer Betriebe vertreten, habe ich ersucht, mir drei Beispiele bei einem großen, bei einem mittleren und einem kleinen Betrieb zu berechnen, welche Einsparungen hier tatsächlich möglich wären.

 

Durch die Herabsetzung der Umsatzsteuer erspart sich ein großer Betrieb mit einem Umsatz von etwa 1 Million EUR 3.700 EUR pro Jahr, ein mittlerer Betrieb mit einem Umsatz von etwa 200.000 EUR 1.400 pro Jahr, ein kleiner Betrieb, also das Beisl am Eck, mit einem Jahresumsatz von etwa 25.000 bis 30.000 EUR 110 EUR pro Jahr. Diese Entlastung wäre wohl unbürokratisch, wie meine Rechenbeispiele zeigen, bringt diese Maßnahme aber keine wirklich großen finanziellen Vorteile.

 

Ebenso wurden eine Vereinfachung und eine Entlastung durch höhere Pauschalierung angekündigt. Die Pauschalierungsgrenzen wurden von 255.000 auf 400.000 EUR Jahresumsatz erhöht. Auch diese Änderung ist keine Hilfe. Der Vorteil einer Pauschalierung wirkt sich erst bei der Abgabe der Steuererklärung aus, für 2020 also erst 2021 oder 2022, sie ist also im Moment der Krise keine Hilfe. Sollte ein Unternehmen durch den Lockdown überhaupt keinen Gewinn haben, braucht er auch überhaupt keine Pauschalierung, weil er ohnedies einen Verlust hat und die Pauschalierung bestenfalls bei einem Gewinn Vorteile bringen könnte.

 

Auf der Homepage der Wirtschaftskammer fand ich einen interessanten Hinweis, er lautete: Welche zusätzlichen Hilfsmaßnahmen gibt es in meinem Bundesland? Natürlich hat mich diese Seite interessiert, und ich fand Folgendes: Zur Zeit werden in folgenden Bundesländern eigene Maßnahmen angeboten: Burgenland, Niederösterreich, Steiermark und Tirol. Wien wird hier leider nicht einmal erwähnt. Offensichtlich findet die Wirtschaftskammer die Wiener Maßnahmen nicht einmal erwähnenswert, und dies spricht nicht für den Einsatz der Wiener Landesregierung.

 

Die Taxi-Gutscheine und Gastro-Gutscheine finde ich sinnvoll und hilfreich, weil dieses Geld tatsächlich der Wirtschaft und den Unternehmen zufließt. In meiner Kanzlei vertrete ich auch viele Taxiunternehmen. Mir wurde berichtet, am ersten Tag des Lockdowns mussten wir 180 Mitarbeiter von Taxiunternehmen bei der Sozialversicherung abmelden. Diese Branche ist durch den Ausfall des Tourismus wirklich voll getroffen.

 

Ich habe den Eindruck, dass man sich in Wien zu sehr auf die Hilfe der Bundesregierung verlässt, und das ist sicher zu wenig. Aber der alte Spruch, die Bundesregierung ist schuld, wäre ja nicht neu.

 

Meines Erachtens wurde der komplette Bereich Kultur und der damit verbundene Tourismus vernachlässigt, sodass neben der Kultur auch die Wiener Traditionsbetriebe leiden, wie zum Beispiel die Wiener Heurigen, die Kaffeehäuser mit den Wiener Kaffeespezialitäten, die Gastronomie mit dem Wiener Schnitzel und auch die Fiaker, die Bestandteil des Stadtbildes in der Innenstadt sind. Die Fiaker haben für ihre Pferde laufend Kosten, wie Unterbringung, Futter, et cetera, und die Pferde können leider nicht auf Kurzarbeit geschickt werden.

 

Der Sommertourismus ist um 90 Prozent eingebrochen. So eine Vorhersage, die ich eben im Internet gelesen habe, ist doch katastrophal, meine sehr geehrten Damen und Herren.

 

Sehr geehrter Herr Stadtrat, Sie sehen, dass die Bundeshilfe der Bundesregierung alles andere als unbürokratisch und einfach ist. Die Wiener Hilfsmaßnahmen findet die Wirtschaftskammer nicht einmal erwähnenswert. Bitte unterstützen Sie die Wiener Wirtschaft mit gezielten Maßnahmen, zum Beispiel mit weiteren gezielten unbürokratischen Aktionen und mit einer angemessenen Erhöhung der Wirtschaftsförderung zum Wohl der Wiener Betriebe und zum Wohl der Wiener Bevölkerung.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Oxonitsch. Selbstgewählte Redezeit ist fünf Minuten. Bitte, Herr Gemeinderat.

 

14.09.30

GR Christian Oxonitsch (SPÖ)|: Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

 

Es ist jetzt unheimlich viel über Entlastung gesprochen worden. Ich werde versuchen, ein bisschen unseren Finanzstadtrat zu entlasten, denn ich weiß natürlich, wie mühsam es ist, in einer Viertelstunde auf 25 Oppositionsredner einzugehen. Es werden ja da in den Redebeiträgen immer sehr nonchalant, kann man sagen, Behauptungen aufgestellt, die dann eigentlich einer näheren Überprüfung überhaupt nicht Stand halten. Daher möchte ich mich ein bisschen der Mühe unterziehen, ein paar ausgewählte Punkte zu nehmen, um einmal schlicht und ergreifend zu sehen - man nennt es im Neusprech, einen Faktencheck zu machen -, wie denn die Realität tatsächlich aussieht.

 

Wir haben heute Folgendes gehört: Das ist für mich schon so ein tolles Beispiel gewesen, es spricht für viele so lockere Nebensätze, die wir heute in der Debatte gehört haben. Kollege Baron hat sich hingestellt und gesagt: Millionen haben wir für Südafrika ausgegeben, aber nichts für die Wiener Schulen. Das sagt man so locker daher. Wenn man es sich anschaut: In 10 Jahren sind nicht einmal 500.000 EUR - meiner Ansicht nach zu Recht und richtigerweise - in ein südafrikanisches Schulprojekt geflossen. In den letzten 10 Jahren haben wir 1,5 Milliarden EUR allein im Bereich Schulneubau investiert. Nur, damit man das einmal gegenüberstellt: 500.000 - gesagt wird da locker: Millionen - haben wir nach Südafrika geschoben, und die armen Wiener Schulen haben nichts bekommen: 1,5 Milliarden zu 500.000.

 

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