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Gemeinderat, 71. Sitzung vom 29.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 45 von 93

 

ausgelaufen ist und noch bevor das Thema Coronavirus auf unserem Horizont aufgetaucht ist.

 

Die Gefahr, die besteht, wenn in einem Lager wie Moria das Virus Einzug hält, können wir uns wahrscheinlich alle vorstellen. Physical Distancing in einem Lager, in dem man sich sechs Stunden für Essen anstellen muss, in dem zehntausende Menschen in einem Lager zusammengepfercht sind, das für ursprünglich 3.000 Menschen geplant war? Häufiges Händewaschen in einem Lager, in einem Ort, wo es kein fließendes Wasser gibt? Wie stellen wir uns das vor? Quarantäne in einem Lager, wo es überfüllte Zelte gibt, wo Menschen zusammengepfercht sind, wo es keine medizinische Versorgung gibt, ist unmöglich.

 

Hier steht eine menschliche Katastrophe bevor, und was hier bevorsteht, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist seit März offensichtlich. Und spätestens im März hätte ich mir erwartet, dass es seitens der türkis-grünen Bundesregierung irgendwelche Maßnahmen gibt, aber das Gegenteil ist der Fall. Corona wurde auch hier - und nicht nur in Österreich - als Vorwand missbraucht, beide Augen vor der Problematik zu verschließen.

 

Die Forderung von uns NEOS, 500 Frauen und Kinder von diesen griechischen Inseln aufzunehmen, hielt Bundeskanzler Kurz für teilweise, hat er gesagt, etwas unredlich. Man habe im Jänner und im Februar bereits genügend Asylanträge entgegengenommen, so das Zitat. Untermauert wird diese Argumentation damit, dass man betont, man muss die europäischen Außengrenzen sichern.

 

Das haben wir von der ÖVP schon oft gehört. Ja eh, es spricht ja auch gar nichts dagegen, die europäischen Außengrenzen zu sichern. Sie rennen damit auch in Brüssel offene Türen ein, es ist sogar im Vorschlag der EU-Kommission gestanden: eine Erhöhung der Mittel für den europäischen Außenschutz auf 1,114 Prozent. Das Absurde daran ist - und das ist Ihr Zynismus, den Sie hier in der Europapolitik zeigen -, Sie haben gegen diese Erhöhung der Mittel für den Außengrenzschutz gestimmt, weil Ihnen das angeblich ein zu hoher finanzieller Aufwand ist und weil Sie das nicht wollten.

 

Dieses Schauspiel, das Sie hier leisten, ist Zynismus. Aber das ist nicht nur Zynismus, das Schauspiel, das Sie hier auch im Wegschauen leisten, halte ich für unbeschreiblich. Das halte ich deshalb für unbeschreiblich, denn einerseits bremsen Sie bei diesen europäischen Lösungen, weil Sie immer sagen, es muss ja ein europäisches Gesamtkonzept oder eine humanitäre gesamteuropäische Verpflichtung geben, und wenn es die gibt, schauen Sie weg und machen die Augen zu. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine menschenfeindliche Strategie dieser österreichischen Bundesregierung, die für mich an Zynismus nicht zu überbieten ist.

 

Wenn Sie hier nicht auf Bundesebene handeln, dann meine ich, dass wir hier in Wien in die Pflicht genommen werden. Es gilt, diese menschenunwürdigen Zustände zu beenden, die drohende Katastrophe abzuwenden. Daher möchte ich abschließend den Antrag stellen, dass der Gemeinderat die Stadtregierung auffordert, die Bundesregierung aufzufordern, sich am EU-Programm zu beteiligen und die ausreichenden Kapazitäten für die Aufnahme von schutzbedürftigen Kindern der Stadt Wien aufzuzeigen. Ich bitte Sie sehr herzlich um Zustimmung zu diesem Antrag. Danke schön.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Hungerländer. Die fraktionelle Restredezeit ist neun Minuten, und ich werde diese auch einstellen.

 

14.21.37

GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP)|: Frau Vorsitzende! Ich darf zuallererst die Anträge von meinen Vorrednern einbringen. Sie haben sie ja inhaltlich bereits ausgeführt.

 

Als Nächstes darf ich auf meinen unmittelbaren Vorredner, Herrn Kollegen Weber, eingehen, der offensichtlich dem grünen Vorbild folgt und menschenfeindlich als Attribut für alles verwendet, wo die Politik zu komplex ist, um auf die Argumente tatsächlich einzugehen. Natürlich sind die Budgetverhandlungen auf europäischer Ebene deutlich komplexer als einfach nur das Budget für den Außengrenzschutz. Das wissen Sie sicher, Ihr Argument ist deswegen eine unzulässige Verkürzung. Ich hoffe, wir haben vielleicht im nächsten Ausschuss für Internationales Raum und Zeit, darüber eingehend zu diskutieren, aber einfach menschenfeindlich zu sagen und zu glauben, damit hat man einen Punkt gelandet, ist ein bisschen zu kurz gegriffen.

 

Um zu meiner Rede, überhaupt zum Bereich Internationales zu kommen: Wir haben es ja schon öfters angesprochen, und es tut mir persönlich ausgesprochen leid, dass der Bereich Internationales nur so als kleines Beiwagerl beim Bereich Finanzen ist. Das wird weder der Bedeutung des Bereichs Internationales gerecht noch der Arbeit, die die Mitarbeiter in diesem Bereich leisten. Wir haben sehr viele Präsentationen gehört, wir hatten einen kleinen Einblick, was der Magistrat in diesem Bereich an Arbeit leistet.

 

Es waren auch immer sehr sachliche Diskussionen, nur von ganz, ganz vielen Dingen, die passieren, haben wir nie irgendetwas gehört, seien das die Wirtschaftsförderungsbüros in diversen europäischen Städten, sei das das Wien-Haus in Brüssel, seien das die Wien-Bälle, die unterstützt werden und sei das die Entwicklungszusammenarbeit. Hier ist es mir generell eigentlich unverständlich, warum die Akten für die Entwicklungszusammenarbeit im Finanzausschuss präsentiert werden, aber nicht inhaltlich bei uns diskutiert werden.

 

Das soll jetzt kein Vorwurf von Intransparenz sein, überhaupt nicht, denn die Akten gehen ja durch ein demokratisches Gremium, aber es wäre schön, wenn wir als meines Erachtens inhaltlich zuständiger Ausschuss die Möglichkeit hätten, tatsächlich auch darüber inhaltlich zu diskutieren.

 

Aus diesem Grund bringen wir einen entsprechenden Antrag ein. Das ist nicht retrospektiv für die vergangene Legislaturperiode zu sehen, sondern als Wunsch für die kommende Legislaturperiode, den Ausschuss für Internationales aufzuwerten und auch der geleisteten Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Bereich zu entsprechen.

 

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