«  1  »

 

Gemeinderat, 71. Sitzung vom 30.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 6 von 110

 

Wohnticket bekommen, wenn sie bei der Wohnberatung anruft, wenn sie dort hingeht, wenn sie versucht, nunmehr ein Wohn-Ticket zu bekommen? - Nein, sie kommt nicht einmal auf die Liste.

 

Viertes Beispiel: Herr Thomas P., er ist durch die Medien gegangen, bezieht eine Berufsunfähigkeitspension, wohnt in einer 40 m² großen 2-Zimmer-Wohnung, hat einen befristeten Mietvertrag, muss jetzt am 31. Juli 2020 seine Mietwohnung verlassen. Kann er sich anmelden, hat er eine Chance auf eine Gemeindewohnung? - Nein, hat er nicht.

 

Fünftes Beispiel: Eine Familie, Eltern mit 2 Kindern, wohnen in einer 3-Zimmer-Wohnung, 80 m², Familieneinkommen 2.200 EUR. Die 80-m²-Wohnung kostet sie 800 EUR im Monat, ihnen bleiben 1.400 EUR zum Leben. Können sie sich für eine Gemeindewohnung anmelden? - Nein, sie bekommen kein Wohn-Ticket.

 

Beispiel Nummer 6: Single, 29 Jahre, Jurist, wohnt nach wie vor in der Villa der Eltern, ihm selber stehen 100 m² zur Verfügung, für die er keinen Groschen zahlt, verdient 3.300 EUR im Monat, die ihm zur Gänze bleiben. Hat er einen Anspruch auf eine Gemeindewohnung? - Ja, für ihn steht ein Wohn-Ticket zur Verfügung, er kann eine Gemeindewohnung bekommen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren auch von Rot und Grün, das kann doch nicht Ihre Sozialpolitik sein, das kann doch nicht sozialdemokratische oder grüne Handschrift sein, das kann doch nicht wahr sein. Diese skurrilen Regeln gibt es offenbar, um bestimmte Personen bedienen zu können und andere Personen im Regen stehen zu lassen, aber das ist ja kein objektives, nachvollziehbares System.

 

Warum bekommt ein Mindestsicherungsbezieher, der in der Gruft nächtigen muss, kein Wohn-Ticket? Ganz einfach deshalb, weil es ihm nicht gelungen ist, zwei Jahre lang durchgehend in einer Wohnung in Wien gemeldet zu sein. Dem Mindestsicherungsbezieher nützt es aber auch gar nichts, wenn er eine Wohnung hat, denn dann ist er wohnversorgt und hat auch keine Möglichkeit, eine Gemeindewohnung zu bekommen. Das ist auch die Crux für die Verkäuferin und auch für Thomas P.

 

Auch wenn der befristete Mietvertrag unmittelbar vor dem Ablaufdatum steht, sagt man bei der Wohnberatung, sagt man bei Wiener Wohnen, ja, es tut uns leid, aber du bist wohnversorgt. Und wenn das nur bis zum 31. Juli ist und er dann nicht mehr wohnversorgt ist, heißt es, ja, tut uns leid, leider Gottes, Anmeldung nicht möglich. Bei der Familie ist mit 2 Kindern in einer 3-Zimmer-Wohnung der Überbelag nicht gegeben, das wäre er nur in einer 2-Zimmer-Wohnung.

 

Ja, und der Jurist mit den 3.300 EUR, der noch niemals von daheim ausgezogen ist, hat sich offenbar ausgekannt, hat offenbar gewusst, wie man es machen muss: Nur niemals einmal irgendwo anders wohnen als in einer Gemeindewohnung, denn sonst hat man sein Recht als Jungwiener darauf verspielt. Ich habe die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass sich da was ändert. Die Frau Stadträtin hat in der „Kronen Zeitung“ am 10. Mai gesagt, es ist grundsätzlich vorstellbar, die Wohnbedarfsgründe zu erweitern.

 

Wir stellen heute einen diesbezüglichen Antrag. Wir sind der Meinung, dass sozialer Bedarf selbstverständlich ein Wohnbedarfsgrund sein soll, ja, sein muss. Wir verlangen das schon seit Jahren und ich bin wirklich gespannt, ob wir es hier in diesem Haus noch erleben können, diese Reform zu sehen.

 

Wo wir ebenfalls wenig Veränderung sehen, ist beim Angebot nach geförderten Eigentumswohnungen, wobei ich schon das letzte Mal kritisiert habe, dass auf der Web-Seite der Wohnberatung die geförderte Eigentumswohnung angeführt ist. Es gibt sie also angeblich, es gibt sie in der Theorie, es gibt sie nur nicht in der Praxis. Ich habe mir gedacht, nachdem ich das das letzte Mal kritisiert habe, werden die jetzt ihre Web-Seite in der Zwischenzeit geändert haben, um gar nicht besonders darauf aufmerksam zu machen, dass es geförderte Eigentumswohnungen einfach nicht gibt.

 

Man hat es aber nicht der Mühe wert gefunden, man lässt das alles so, wie es ist, so wie bei den Kriterien für die Gemeindewohnung. Der Druck der Opposition und der Menschen in dieser Stadt ist offenbar noch nicht stark genug. Die Menschen wollen das, sehr viele Menschen können sich das leisten und in Wahrheit ist es ja so, dass je weniger Geld jemand hat, umso mehr müsste man ihm eine geförderte Eigentumswohnung anbieten. Denn sie ist die billigere Variante, sie ist die sozialere Variante. Wenn jemand wenig Geld hat, dann sollte man ihm erst recht diese Möglichkeit eröffnen.

 

Man muss auch jedem Menschen die Möglichkeit geben, Vermögen zu erwerben und sich ein bisschen Wohlstand zu schaffen und das ist nur über Grund und Boden möglich. Im freifinanzierten Wohnungsbau ist das einfach viel zu teuer und daher muss man den Bürgern unter die Arme greifen, noch dazu, wenn man weiß, dass ja in der Gestehung die Mietwohnung um keinen Euro mehr kostet als die Eigentumswohnung.

 

Die Baukosten sind die gleichen, die Grundkosten sind ganz genau die gleichen, man muss nur als Wohnungswerber am Anfang ein bisschen mehr zahlen, weil die Umsatzsteuer dazukommt, aber das gleicht sich sehr schnell aus, weil man durch die Monate hindurch dann weniger bezahlt. Nach 33 Jahren hat der Bewerber für eine Eigentumswohnung genau so viel bezahlt wie der für eine Mietwohnung, nur mit dem Unterschied, dass ihm dann die Wohnung gehört und er keine Miete mehr bezahlen muss.

 

Das heißt, ich will überhaupt nicht mehr Geld. Ich will nicht, dass jemandem eine Eigentumswohnung geschenkt wird. Ich möchte nur, dass nicht das kollektive Eigentum gefördert wird, wie wir das von der SPÖ in diesen Debatten immer wieder hören, sondern das individuelle Eigentum, denn das ist auch, was sich die Menschen wünschen.

 

Es hat ganz konkrete Auswirkungen: Die Wiener stehen schlechter da, was ihre Vermögensverhältnisse betrifft, im Vergleich zu den anderen acht Bundesländern, wo natürlich geförderte Eigentumswohnungen angeboten werden. Dankenswerterweise ist im Jahr 2012 ein Reichtumsbericht veröffentlicht worden. Der Reichtumsbericht sagt aus, dass die Wiener im Vergleich

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular