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Gemeinderat, 71. Sitzung vom 30.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 62 von 110

 

Darum möchte ich vor allem festhalten, dass die Krankenhaus-Nord-Affäre, die wir noch im April 2019 mit unserem Bericht der Untersuchungskommission behandelt haben, natürlich die Leistungsfähigkeit der städtischen Gesundheitsversorgung nachhaltig geschädigt hat. Die erheblichen Kostenüberschreitungen haben die notwendigen Investitionen in die Wiener Gemeindespitäler langfristig erschwert. Und nicht nur das! Vielmehr hat die Eröffnung des Krankenhauses Nord auch zu einer weiteren Ausdünnung des knappen Personalangebots geführt. Die Infrastruktur in den Spitälern zeigt große Schwächen, und auch die Aus- und Fortbildung lässt zu wünschen übrig. Das Krankenhaus Nord allein reicht nicht, um aktuell eine moderne, medizinische Infrastruktur in ganz Wien argumentieren zu können.

 

Ein weiteres plakatives Beispiel für die falsche Prioritätensetzung in der Stadt Wien ist die KAV-Umbenennung. Betreffend KAV-Umbenennung hat es eine Umfrage bei den Ärzten geben, und 85 Prozent der Ärzte haben sich unzufrieden geäußert und mehr als die Hälfte hat die neue Bezeichnung komplett abgelehnt. Trotz dieser Umfrage und obwohl es ganz andere Baustellen im Wiener Gesundheitssystem gibt, hat man aber dafür Geld und Ressourcen verschwendet, denn die Umbenennungen waren keineswegs eine dringende Angelegenheit.

 

Im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung sind der Ärztemangel und vor allem das Fehlen der Spitalsärzte immer wieder ein großes Thema. Natürlich leidet die Arbeit der Ärzte massiv unter dieser Unterversorgung und erschwert den Arbeitsalltag. Vor allem hat man immer weniger Zeit für die einzelnen Patienten. Ein weiteres Problem stellt die überbordende Bürokratie dar.

 

Ich hoffe, dass wir hier vor allem die Ausbildung und Fortbildung endlich wieder ernst nehmen und eine gescheite Ausbildungsoffensive starten. Das wird uns im Wahljahr immer wieder versprochen. Ich habe jetzt von Frau Mörk gehört, dass schon im Februar eine Ausbildungsoffensive gestartet wurde. Ich hoffe, dass das nicht nur den Pflegebereich betrifft, sondern auch auf den Nachwuchs der Ärzte ausgedehnt wird! Wir brauchen vor allem auch die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen, um den Personalbedarf des KAV hinsichtlich Anzahl, Erfahrung und Qualifikation decken zu können.

 

Gerade die Corona-Krise hat uns gezeigt, dass ein funktionierendes Gesundheits- und vor allem Pflegesystem unumgänglich ist. Die Bekämpfung der Corona-Krise darf aber nicht auf Kosten von schwerkranken Personen geschehen. Das Ausmaß der Konsequenzen dieser Leistungseinschränkungen für die Gesundheitssituation der Patienten wird uns noch verfolgen. Es wird sich in den kommenden Monaten deutlich zeigen, welche Konsequenzen diese Leistungseinschränkungen haben.

 

Die Krise hat deutlich die Schwächen dieses Gesundheitssystems aufgezeigt. Man konnte wieder die Wichtigkeit der Berufsgruppe des Pflegepersonals in den Spitälern, in der Langzeitpflege und in der mobilen Betreuung erkennen. Und es ist zu hoffen, dass sich in Bezug auf die bescheidene Bezahlung und vor allem auf die herausfordernden Arbeitsbedingungen in Zukunft endlich auch langfristig etwas ändern wird.

 

Die Sicherstellung eines hochqualitativen Pflege- und Betreuungssystems für pflegebedürftige Personen für die Zukunft ist wichtig. Vor allem die Zahl der Demenzerkrankungen wird steigen, was eine große Herausforderung bedeutet. In diesem Zusammenhang sollte im Vordergrund aller Maßnahmen die Selbstbestimmung stehen. Maßnahmen für eine menschenwürdige Betreuung sind nicht nur barrierefreies Bauen, sondern ganz wichtig ist auch die Einrichtung von Kompetenzzentren für Angehörige, die ihre Verwandten zu Hause pflegen. Oft ist eine demenzielle Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium Grund für einen Umzug vor allem alleinlebender Menschen in ein Alten- oder Pflegeheim, und natürlich steigen auch die Erwartungen der Angehörigen immer mehr, insbesondere wenn es um Langzeitbetreuung und quasi um den letzten Wohnort und das letzte Zuhause geht. Und die Lebensqualität der Pflegebedürftigen steigt natürlich, wenn nicht nur die Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken und Hygiene abgedeckt werden, sondern auch psychosoziale Versorgung gewährleistet ist.

 

Das bringt mich zum nächsten Thema, zu der jahrelangen Unterversorgung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie: Es hat drei Stadträte in einer Legislaturperiode gebraucht, damit hier endlich einmal ansatzweise etwas geschieht! Damit das nicht in Vergessenheit gerät: Jahrelang hat man die Rechte von Kindern und Jugendlichen massiv verletzt. Auch der Oberste Gerichtshof hat festgestellt, dass eine Unterbringung der Kinder und Jugendlichen in der Erwachsenenpsychiatrie nicht mit Ressourcen-, Platz- oder Personalmangel gerechtfertigt werden kann. Das Trennungsgebot dient vor allem der Vermeidung von Übergriffen auf Minderjährige, wie es ja leider oftmals passiert ist. Ich glaube, jeder von uns kann sich vorstellen, dass eine Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in der Erwachsenenpsychiatrie vor allem auch für die Familien und Angehörigen extrem belastend und entmutigend ist und dass dort jegliche Hoffnung auf Genesung und Besserung dahinschmilzt. Man fühlt sich machtlos und verzweifelt. Gott sei Dank ist jetzt in den letzten Monaten schon einiges passiert, und da die Zahl der psychischen Erkrankungen gerade bei Kindern und Jugendlichen immer mehr steigt, ist zu hoffen, dass ein stetiger Ausbau gewährleistet ist.

 

Wenn wir schon beim Thema Kinderrechte im Gesundheitswesen sind, möchte ich noch auf ein wichtiges Thema eingehen, nämlich auf das Massenphänomen Übergewicht: Damit unsere Kinder nicht die kranken Erwachsenen von morgen werden, müssen wir hier Geld in die Hand nehmen und vor allem präventive Maßnahmen setzen, um Strukturen entsprechend zu verändern. Es gibt zwar einzelne Projekte, die teilweise lobenswert sind, etwa das Achten auf Wassertrinken in den Volksschulen oder auf das Ernährungsangebot in den Kindergärten, aber es fehlt hier an einem ganzheitlichen Konzept. Es sind noch weitere Maßnahmen und Anstrengungen erforderlich, damit es zu einer Trendumkehr vor allem bei den Ess- und Sportgewohnheiten kommt. Spä

 

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