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Gemeinderat, 4. Sitzung vom 28.01.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 56 von 100

 

die sie in der Vergangenheit gemeinsam mit uns, aber ich glaube, auch mit der ÖVP oft erhoben haben.

 

Ein anderer Punkt, der vom Herrn VBgm Wiederkehr kurz vor Weihnachten angesprochen wurde, war, dass der Nichtbesuch der verpflichtenden Elternsprechtage durch Eltern in der Folge geahndet werden sollte, beispielsweise durch Strafzahlungen oder Ähnliches sanktioniert, da man die Eltern dazu bringen möchte. Und das wäre wichtig und richtig, sich für die Schülerinnen und Schüler zu interessieren, sich für ihre Kinder zu interessieren, für deren Bildungsweg zu interessieren und sie so auch zu motivieren. Das war ein richtiger Ansatz vom Herrn VBgm Wiederkehr. Es war auch richtig, dass von fast allen Zuspruch dazu gekommen ist, allerdings hat jetzt vor Kurzem, vor ein, zwei Wochen der Herr Bildungsdirektor Himmer wieder davon abgesehen und gesagt, das war vielleicht eine Privatmeinung oder ein kleiner Vorschlag vom Vizebürgermeister, er als Bildungsdirektor - und damit mit der SPÖ - werde das nicht umsetzen.

 

Wir beantragen allerdings heute und an dieser Stelle genau das, was der VBgm Wiederkehr Ende Dezember gefordert hat, nämlich mit einem Beschlussantrag: Der zuständige amtsführende Stadtrat wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass Elternsprechtage verpflichtend durch eine obsorgeberechtigte Person zu besuchen sind und bei schuldhaftem Fernbleiben angemessene Sanktionen verhängt werden. - Das ist genau die Forderung des VBgm Wiederkehr, ich hoffe, alle, die das kurz nach seinem medialen Kundtun unterstützt haben, werden das auch heute bei unserem Beschlussantrag tun, denn hier geht es darum, Eltern für den Bildungsweg ihrer Kinder zu motivieren, und das wäre eine wichtige und richtige Sache.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Darf ich Sie noch um den Antrag ersuchen, Herr Gemeinderat. Danke schön. - Als Nächster gelangt Herr GR Stadler zu Wort, und ich erteile es ihm. Bitte.

 

15.20.35

GR Felix Stadler, BSc (GRÜNE)|: Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

 

Es gibt in den Bildungssystemen der deutschsprachigen Länder zwei Besonderheiten, über die in anderen Ländern oft nur gestaunt wird, wenn man darüber berichtet. Das eine ist die oft diskutierte gemeinsame Schule und die Trennung von Kindern im Alter von zehn Jahren in verschiedene Schultypen, die es so in Europa eigentlich nur noch in deutschsprachigen Ländern gibt. Und das Zweite ist die hier vorliegende Ganztagsschule, wofür es in England oder in skandinavischen Ländern zum Beispiel gar kein wirkliches Wort gibt, weil dort einfach ganz klar ist, dass Schule den ganzen Tag ist und abwechselnd Freizeit und Unterricht stattfindet. Bei uns wird das hochemotional und aufgeladen diskutiert. Aber sei es drum, wir sind natürlich für diesen Bau der zusätzlichen Ganztagsschule und auch dafür, dass das in verschränkter Form stattfindet. Wir finden es gut, wie Wien das in den letzten Jahren ausgebaut hat und auch in den nächsten Jahren ausbauen wird.

 

Ich will aber ein paar Punkte ansprechen, die unserer Meinung nach wichtig sind. Ich vernehme ja von Seiten der NEOS zumindest auch auf jeden Fall das Interesse, diese verschränkte Form zu verbessern und auch treffsicherer zu machen. Warum? Ganztagsschulen sind nicht nur wichtig, weil sie einen Ort bieten, wo man Betreuung hat, und weil sie bei der Hausübung unterstützen können, sondern sind auch ein essenzieller pädagogischer Bestandteil, wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht. Wie zum Beispiel auch der Bildungswissenschaftler Aladin El-Mafaalani aus Deutschland sagt, tragen Ganztagsschulen dazu bei, verschiedene Horizonte, verschiedene Lebenserfahrungen von Kindern verschiedener sozioökonomischer Herkunft einander anzugleichen und nicht noch weiter auseinanderdriften zu lassen. Was heißt das? Die einen Kinder können am Nachmittag vielleicht ins Museum gehen, ins Theater oder ins Konzert oder sind irgendwie bei drei Sportvereinen am Nachmittag dabei, und andere Kinder haben diese Möglichkeit nicht, weil sie die finanzielle Möglichkeit nicht haben oder weil sie vielleicht auch einfach den Zugang dazu nicht haben, denen fehlen die Mittel dazu.

 

Diese unterschiedlichen Freizeit- und Lernaktivitäten außerhalb der Schule führen dann dazu, dass Herkunftseffekte -, das nennt man oft primäre Herkunftseffekte -, die eh schon am Vormittag stattfinden, durch verschiedene Schultypen und durch verschiedene Lehrpläne dann durch verschiedene Freizeitaktivitäten am Nachmittag noch größer werden. Das kann man auch erkennen am - zum Beispiel in der Wissenschaft auch oft dargelegt - sogenannten Sommerferieneffekt, dass Kinder von sozioökonomisch verschiedener Herkunft über die Sommerferien mehr oder weniger lernen und daher die Lernunterschiede noch größer werden. All diese sogenannten primären Herkunftseffekte könnten oder können Ganztagsschulen, die gut gestaltet sind, wo sich die Lern- und Freizeitzeiten abwechseln, reduzieren. Das geht aber nur, wenn jene Kinder, die wirklich die Ganztagsschule am allermeisten brauchen, auch den Zugang dazu haben und primär in die Ganztagsschule gehen können. Ich habe vorher dazugelernt, es ist nicht das erste Kriterium oder nicht das ausschlaggebende Kriterium, ob die Eltern beide berufstätig sind. Wenn man diese Herkunftseffekte aber reduzieren will und wenn man Ganztagsschule, so wie es heute schon ein paar Mal gefallen ist, als Chance für Bildungsgerechtigkeit versteht, muss man noch einmal schauen, dass man gezielt jene anspricht, die das pädagogisch am meisten brauchen und nicht nur als Betreuungsform.

 

Wir haben schon bei der Einführung der Ganztagsschule gesagt, dass das nur ein erster Schritt sein kann - ich habe mir extra die Reden vom Juni noch einmal angeschaut -, dass eigentlich alle Formen, bis wir die verschränkte Form noch weiter ausgebaut haben, gratis sein müssen und dass die verschränkte Form gezielt für jene da sein muss, die sie pädagogisch am meisten brauchen. Nur wenn wir das schaffen, kann die Ganztagsschule auch wirklich ein Ort sein, wo wir Bildungsgerechtigkeit forcieren, und ich hoffe, dass sich hier in den nächsten Jahren auf jeden Fall was tun wird. - Vielen Dank.

 

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