«  1  »

 

Gemeinderat, 4. Sitzung vom 28.01.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 62 von 100

 

Ich werde jetzt zu den Jugendzentren nicht alles wiederholen. Wir kennen sie. Wir lieben sie. Mir geht es um einen Schwerpunkt, den wir hier setzen wollen. Und zwar geht es um die Auswirkungen von Covid, die sich auch hier ablesen lassen, nicht nur in der Wirtschaft. Auch Kinder und Jugendliche leiden sehr unter den Covid-Maßnahmen, unter der Vereinsamung.

 

Die Vereinsamung nimmt zu, Depressionen und auch Essstörungen nehmen zu. Das wurde auch in den letzten Tagen viel diskutiert. Sie haben das sicher auch in den Medien mitbekommen. Wie wollen wir dem begegnen?

 

Eine Antwort, die es dazu braucht: Es braucht auch für Jugendliche mehr sozialen Austausch. Soziale Kontakte finden sie nicht nur in der Schule. Nein, in der Pubertät braucht man auch außerhalb der Schule, außerhalb von kontrollierten Räumen Orte, wo man sich treffen kann. Das Jugendzentrum ist ein solcher Ort, ein Ort, wo man Freunde trifft, außerhalb der bekannten Familie. Warum? Weil es eben nicht die Familie ist und weil es nicht die Schule ist. Es ist einfach ein cooler Ort, wo man sich treffen kann.

 

Ohne Lockdown sind Jugendzentren auch Orte, um sich auszutauschen, wo man sich auch vertraulich mit Wünschen und Ängsten hinwenden kann, und auch dann, wenn man Hilfe braucht. Jugendzentren können also auch Bildungsraum oder auch Safe Space zum Abhängen sein. Das muss unbedingt erhalten bleiben, deshalb werden wir diesem Poststück natürlich zustimmen.

 

Allerdings konnte man schon im ersten Lockdown sehen, dass knapp 40 Prozent der Jugendlichen, die sich sonst dort aufhalten, laut den eigenen Berichten der Vereine, nicht mehr erreicht werden können. Trotzdem gab es einen starken Bedarf nach psychosozialer Unterstützung und nach Beratungsgesprächen. In manchen Vereinen gab es sogar eine Steigerungsrate von 100 Prozent für Online-Gespräche. Leider sind aber die Jugendzentren noch nicht ideal ausgestaltet, um diese digitalen Angebote wirklich breit anzubieten.

 

Zwar bemühen sich einzelne Jugendbetreuerinnen und -betreuer, das zu erreichen - es gibt auch einen langsamen Ausbau -, aber nicht alle Jugendliche finden ihre BetreuerInnen und umgekehrt, nicht alle BetreuerInnen können den Kontakt zu den Jugendlichen halten. Manchmal ist es ganz banal, einfach weil keine Telefonnummer da ist oder man den richtigen Namen auf Insta oder TikTok oder sonst wo nicht weiß. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal allen JugendbetreuerInnen danken, die sich bemüht haben, kreative Lösungen zu finden, um die schwierige Situation in den letzten Monaten leichter zu machen.

 

Eine Nummer aber, die über viele Jahrzehnte besteht und die die meisten von uns sogar noch aus der Kindheit kennen, ist die Nummer von „Rat auf Draht,“ die seit 1999 öffentlich beworben wird. Es gibt telefonische Beratungen rund um die Uhr und es gibt mittlerweile auch Beratungen per Chat und im Web. Wir finden sie auf U-Bahn-Plakaten, in Info-Foldern, teilweise wurde sie auch über bekannte Radiosender, die wir jetzt nicht nennen wollen, weitergegeben.

 

Was sich aber zeigt, ist, dass es in diesen schwierigen Zeiten einen unglaublichen Bedarf gab, dort mehr Informationen zu bekommen oder öfter dort anzurufen. Während wir im ersten Lockdown noch nur vermutet haben, dass die Auswirkungen auf Jugendliche stark sein werden, sehen wir jetzt die Auswirkungen. Es ist mittlerweile so, dass Kinder- und Jugendpsychiater und auch Psychotherapeuten Alarm schlagen, dass oft gesunde Kinder, die auch in sogenannten liebevollen Familien aufwachsen, plötzlich schwere Störungen haben, dass es Depressionen und Essstörungen gibt und dass es Bedarf an Krisentelefonnummern gibt.

 

Die Verschlechterung des psychologischen Zustandes gerade bei jungen Menschen in Österreich lässt sich an einem deutlich erhöhten Bedarf an telefonischer Betreuung und Online-Betreuung ermessen. Diese Beratungen sind erste Anlaufstelle für alle, die nicht mehr weiterwissen.

 

Auch der Anstieg von familiären Konflikten führt zu mehr Beratungsbedarf. Das wurde auch in einer Studie der Universität Wien von der Soziologin Ulrike Zartl betont. Der Lockdown ist belastend und die sozialen Kosten vor allem für die Kinder, aber auch für die Eltern, sind unglaublich herausfordernd. Einige Familien haben nicht zuletzt wegen der finanziellen und existenziellen Probleme große Krisen.

 

Die Beratungen von „Rat auf Draht“ unter der Notrufnummer 147 sind im 2. Lockdown um mehr als ein Drittel angestiegen, im Chat-Bereich, der ausgebaut wurde, sogar um 82 Prozent. Diese Helpline ist für Kinder und Jugendliche die einzige Möglichkeit, rasch Hilfe zu bekommen. Viele Anruferinnen und Anrufer sagen, sie haben sonst niemanden zum Reden.

 

Das ist eine besorgniserregende Entwicklung. Auch die Themen sind besorgniserregend, sagt Brigitte Satke, die Leitern von „Rat auf Draht“. Während früher die sogenannten Teenagersorgen - also Fragen zu Liebe oder Streit unter Freunden oder Taschengeld - behandelt wurden, geht es jetzt um psychische Gesundheit, um Fragen, wie man mit dem Alltag zurechtkommen soll, wie man mit Angst, mit Schlafproblemen oder mit anderen psychischen Erkrankungen zurechtkommen kann. 240 Prozent mehr Anfragen in diese Richtung kommen bei „Rat auf Draht“.

 

Unter diesen alarmierenden Bedingungen ist es dringend notwendig, dass die Stadt Wien nicht nur die Jugendzentren um digitale Angebote erweitert - was ich sehr begrüßen würde -, sondern auch die Finanzierung von „Rat auf Draht“ erhöht, um Kindern und Jugendlichen weiter diese bekannte Krisenintervention, die 24 Stunden am Tag offen ist, als Ansprechstelle zur Verfügung zu stellen.

 

Deshalb stellen wir hiermit den Antrag und bitten, die Unterstützung von „Rat auf Draht“ deutlich zu erhöhen und den Umständen, gerade jetzt in dieser Corona-Situation, Rechnung zu tragen. Danke für Ihre Unterstützung.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular