Gemeinderat, 4. Sitzung vom 28.01.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 94 von 100
Zum Antrag: Wir wissen bereits jetzt, dass sich die gesellschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie unterschiedlich stark auf die Geschlechter auswirken. Internationale und nationale Studien, Berichte und Erhebungen weisen immer wieder und sehr deutlich darauf hin, dass Frauen nicht nur den Löwenanteil der Care-Arbeit in der Krise stemmen und stärker von den Einkommensverlusten betroffen sind, sondern durch Mehrfachbelastung, aber auch durch einen Anstieg von häuslicher und sexualisierter Gewalt - das haben wir vorhin auch schon gehört - stärker um ihre physische und psychische Gesundheit fürchten müssen. Anschaulich und ausführlich dargestellt ist das zum Beispiel in dem kürzlich veröffentlichten Bericht Frauengesundheit und Corona von der Stadt Wien.
Gleichzeitig sind für die bewährten und kompetenten Fraueneinrichtungen, die eben sehr viel beraten, der Aufwand und der Bedarf an Beratung, Hilfe und Unterstützung stark gestiegen. Die Beratungseinrichtungen haben ihre Beratungen in erstaunlicher Geschwindigkeit auf digitale Angebote umgestellt, flächendeckend auch auf telefonische Alternativen umgestellt. Das ist wirklich sehr erstaunlich, wie schnell sie das geschafft haben.
Allerdings sind eben diese Förderverträge der Stadt Wien vielfach Mehrjahresverträge - wir haben es vorher eh schon gehört, die Dreijahresverträge -, die keinen großen Spielraum zulassen, wenn es eben einen Anstieg von diesen Beratungen und der Nachfrage dazu gibt. Daher wäre es höchst notwendig, wie es übrigens auch in anderen Bereichen Usus ist, zum Beispiel im Bereich Gesundheit, Rahmenvereinbarungen zu treffen, die eine Überschreitung ermöglichen und eine Abrechnung von bis zu 30 Prozent der Fördersumme ermöglichen. Das wäre ein erster wichtiger Schritt für die Unterstützung für alle Wienerinnen.
Deshalb stellen wir GRÜNE den Antrag, dass während der Corona-Krise eben den von der MA 57 Frauenservice Wien geförderten Fraueneinrichtungen der erhöhte Beratungsbedarf durch die Pandemie von bis zu 30 Prozent gegenüber den geltenden Förderverträgen als Rahmenvereinbarung abgegolten wird.
Wir möchten gerne, dass dieser Antrag gleich abgestimmt wird, und ich hoffe wirklich auf die Unterstützung, denn es ist wirklich nicht hinnehmbar, dass viele Beratungen einfach jetzt nicht stattfinden können oder ausgelagert werden müssen, nur weil es eben diese Rahmenbedingungen nicht gibt. Deswegen bitten wir um Unterstützung. Danke.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: In Richtung NEOS schauend, sehe ich eine Person in einem Wintermantel unter uns weilen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein Abgeordneter ist. Die Garderobe ist draußen, und ich bitte, die Plätze, die zugewiesen wurden, auch zu beachten.
Ich darf um deinen Antrag bitten. Danke. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Schwarz. Ich erteile es ihr.
GRin Sabine Schwarz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Stadträtin! Werter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir stimmen fast allen Ansuchen zu, und ich möchte auch als positives Beispiel die Arbeit des Orient Express ein wenig hervorheben, denn dieser Verein macht Beratungsarbeit auch bei sehr sensiblen Themen wie Gewalt, Missbrauch und auch Zwangsheirat und weiblicher Genitalverstümmelung und noch viel mehr.
Es ist mir ein Anliegen, auf die zwei Themen wie Zwangsheirat und Genitalverstümmelung einzugehen, und ich hoffe, dass wir es heute gemeinsam schaffen, im Sinne der Mädchen und Frauen ein wichtiges Signal zu setzen.
Zuerst zum Thema Zwangsheirat, darüber habe ich auch schon gesprochen. Und zwar wissen wir, dass es in Wien einige Communities gibt, in denen Zwangsheirat gang und gäbe ist, in denen Zwangsheirat sozusagen auch unter dem Deckmantel „Schutz der Tradition“ durchgeführt wird. Aber es gibt natürlich auch andere Gründe, warum es durchgeführt wird, wie die Bewahrung der Jungfräulichkeit vor der Ehe oder die Familienehre, und so weiter. Oft sind die Mädchen erst zwölf Jahre, manche sogar noch jünger. Fakt ist, Zwangsheirat gibt es in Wien und es betrifft jährlich fast 200 Mädchen. Wir nehmen an, dass die Dunkelziffer ja sogar noch höher ist. Und es betrifft besonders Mädchen und junge Frauen aus der 2. Generation oder auch aus der 3. Generation mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Es ist Fakt, dass es unsere Aufgabe hier ist, aufzuklären und zu schützen.
Wir bringen auch diesbezüglich einen Antrag ein, dass die Amtsführende Stadträtin für Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung ersucht wird, ein aktuelles Maßnahmenpaket mit dem Schwerpunkt Einbindung der Eltern und Einbindung der von Zwangsheirat betroffenen Communities zu erarbeiten. Weiters wird die Amtsführende Stadträtin ersucht, in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Stadtrat für Bildung, Jugend, Integration und Transparenz verbindlich Präventions- und Informationsarbeit an Wiener Schulen durchführen zu lassen, die zumindest ein Mal im Jahr stattfinden.
Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist FGM, die Genitalverstümmelung, und ich möchte hier nur ein Beispiel bringen. Wir wissen, dass 95 Prozent der somalischen Frauen, die nach Österreich kommen, die schlimmste Form der Genitalverstümmelung haben. Erschreckenderweise sind es genau diese Frauen, die auch ihre Töchter in den Sommerferien wieder in die Heimat schicken, damit auch ihre Töchter der Tradition gerecht werden. Dieses Beispiel zeigt wiederum, dass diese menschenunwürdige Gefahr wieder die Mädchen der 2. und 3. Generation betrifft. Diesen jungen Mädchen wird versprochen, dass sie durch Genitalverstümmelung eine Frau mit Ansehen werden. Und das, was wir nicht vergessen dürfen, ist, dass FGM von Generation zu Generation weitergetragen wird. In Österreich betrifft es rund 8.000 Mädchen, in Wien geht man davon aus, dass es an die 2.000 sind. Im Nationalrat wurde auf Initiative der neuen Volkspartei und der Kollegin Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler mit Stimmen aller Fraktionen beschlossen, dass neben weiteren wichtigen Schritten es auch eine regelmäßige systematische Datenerfassung und Erforschung von weiblicher Genitalverstümmelungen
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