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Gemeinderat, 5. Sitzung vom 25.02.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 110 von 127

 

Prozent der vergebenen Fördergelder in diesem Bereich. Das irritiert mich und das hat mich sehr irritiert, als ich die Unterlage gelesen habe, besonders, dass das in einer Stadt passiert, die sich auf die Fahnen schreibt, dass - ich zitiere: „die Gleichstellung der Geschlechter ein erklärtes Ziel der Wiener Stadtregierung“ sei. „Seit Jahrzehnten gibt es ein klares Bekenntnis von Politik und Verwaltung, die Leistungen und Angebote der Stadt für alle Geschlechter gleichermaßen zugänglich zu machen.“

 

Natürlich kommt diese massive Ungleichheit in der Förderung nicht, weil absichtlich Frauen benachteiligt werden. Das ist mir schon klar. Es passiert einfach, weil niemand darauf schaut. Es passiert, weil nirgends in den Förderkriterien explizit steht, dass Förderungen quotiert sind. Es passiert, weil nicht darüber nachgedacht wird, welche implizierten Ausschließungskriterien Frauen im Musikbereich daran hindern, für eine Förderung einzureichen.

 

Es passiert, weil sobald Gleichstellung nicht mehr massiv eingefordert wird, sobald nicht expliziert darauf aufmerksam gemacht wird, dass man auch Frauen berücksichtigen muss, sobald wir alle glauben, es ist ohnehin schon gleichgestellt, plötzlich doch nicht mehr gleichgestellt wird, still und heimlich Bequemlichkeit und Tradition fortgesetzt werden.

 

Diese Traditionen sind patriarchal geprägt, und sie sind männlich geprägt. Es fällt einfach niemandem auf, dass der größere Anteil des Geldes an die Männerseite geht, weil da einfach niemand ist, der sich das anschaut und weil es einfach normal ist. Die Musiksparte ist traditionell eine, in der weniger Frauen aufscheinen, obwohl auch im Musikstudium in Österreich laut Statistik Austria selbst annähernd gleich viele Frauen wie Männer studieren, nämlich zirka 50 Prozent.

 

Selbst im Bereich der Komposition sind es noch immer 34 Prozent Frauen, zumindest laut den Zahlen des Deutschen Kulturrats 2020. In Österreich werden diese Zahlen leider nicht so genau erhoben. Die Frauen scheinen im Laufe der Zeit zu verschwinden, oder sie orientieren sich um. Jedenfalls finden sie sich nicht mehr in der Förderstatistik. Warum das so ist, das wissen wir leider nicht. Wir wissen auch nicht genau, welche Maßnahmen wir setzen sollen, um implizierte Ausschließungsmechanismen abzuändern. Wir wissen nicht, welche kulturpolitischen Interventionen eine Gleichstellung in der Förderwirkung erreichen können. Wir wissen nichts, weil wir dazu schlicht keine Daten haben.

 

Wir haben nur rudimentäre Zahlen dazu, wie viele und wie hohe Fördersummen bei Frauen beziehungsweise Männern ankommen. Wir haben nur eine grobe Ergebnisanalyse über die Verteilung von Männern und Frauen in großen und kleinen Kulturinstitutionen dieser Stadt. Wenn überhaupt, werden in den Daten nur die obersten Hierarchieebenen erfasst und analysiert.

 

Kulturpolitische Entscheidungen werden aber, wie Sie sicher wissen, auf allen Ebenen getroffen, und das ständig. Inhalte werden von der Dramaturgie genauso beeinflusst wie vom Regisseur. Ich sage absichtlich „dem Regisseur“, denn leider sind es meistens Männer. Um tatsächlich eine geschlechtergerechte Verteilung von Fördergeldern zu erreichen - und dazu bekennt sich diese Stadt ja -, um tatsächlich ein reales Genderbudget im Kunst- und Kulturbereich und auch in der Wissenschaft umzusetzen, um also unser aller Ziele der Gleichstellung als moderne Stadt des 21. Jahrhunderts zu erreichen, brauchen wir belastbare und umfassende Daten darüber, wer wie viel bekommt. Wie viel Geld geht an Frauen, wie viel Geld geht an Männern hier in dieser Stadt?

 

Wir brauchen dringend einen neuen Gleichstellungsmonitor für Kultur und Wissenschaft, eine jährliche Analyse, die kontinuierlich Förderwirkungen und Politikziele verfolgt. Nur mit Hilfe einer umfassenden Analyse von spezifischen Daten ist es möglich, konkrete Maßnahmen zur Gleichstellung zu setzen. Das Wichtigste dabei ist, die Maßnahmen auch anzupassen, wenn sich nach einiger Zeit herausstellt, dass sie die Ziele nicht oder nicht ausreichend erreichen. Deshalb stellen wir GRÜNE heute hier den Antrag auf Einrichtung eines regelmäßig publizierten Gleichstellungsmonitors für Kunst, Kultur und Wissenschaft.

 

Warum wir das wollen? Die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen ist grundlegende Voraussetzung für die Verwirklichung der Demokratie. Das sagen nicht nur Feministinnen, sondern das steht, zur Erinnerung, in der österreichischen Verfassung.

 

Gleichstellung lässt sich nicht einfach herbeireden. Inhaltlich sind die Gleichstellung und das Equal Pay, das gleiche Einkommen für gleiche Leistung, selten aber doch schon Thema in der Kunst, in der Kultur und auf der Bühne, aber die, die vorne öffentlich darüber reden, gehen dann hinten beim Bühneneingang mit dem halben Lohn in der Hand hinaus.

 

Das kann man ändern und das muss man ändern. Es reicht nicht, im Kunst- und Kulturbereich nur über die Gleichstellung zu reden. Es ist ein erster Schritt, die Ungleichheit sichtbar zu machen, ein zweiter ist es, dass tatsächliche Taten gesetzt werden. Es braucht konkrete Veränderung, aktiv gesetzte Maßnahmen, gerade in der Förderpolitik. Der Gleichstellungsmonitor ist so ein erster Schritt, um strukturierte Fehlentwicklungen zu analysieren und konkrete Verbesserungen anzugehen.

 

„Politik und Verwaltung müssen für optimale Rahmenbedingungen sorgen, um Frauen und Männern die gleichen Möglichkeiten und Chancen zu gewähren. Daher bin ich für Steuerungsmechanismen, die auf Ausgewogenheit im künstlerischen und kulturellen Feld achten.“ - Das sagten Sie, liebe Frau Stadträtin, ich bin ganz bei Ihnen. Der baldige Frauentag ist ein guter Anlass, mit einem umfassend neu aufgesetzten Gleichstellungsmonitor für Kunst, Kultur und Wissenschaft die Basis für mehr Geschlechtergerechtigkeit in Ihrem Ressort zu legen. Herzlichen Dank.

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. Der Berichterstatter hat das Schlusswort.

 

21.34.51

Berichterstatter GR Petr Baxant, BA|: Danke, sehr geehrte Frau Vorsitzende!

 

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