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Gemeinderat, 9. Sitzung vom 28.04.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 82 von 114

 

so sicher, würden Sie dort hinreisen? Ich glaube weniger. Das Land befindet sich seit verdammt 10 Jahren in einem Bürgerkrieg mit über 350.000 Todesopfern. Von sicher kann hier überhaupt nicht die Rede sein. Mit diesem Antrag zeigen Sie wieder einmal, was Sie vom Menschenrecht Asyl halten. Und zwar gar nichts. Liebe KollegInnen, die Forderung ist an sich nicht logisch. Mit der Einstufung Syriens als sicheres Herkunftsland werden Sie weder den Krieg im Nahen Osten beenden noch den Friedensnobelpreis kriegen. Es ist einfach ein peinlicher Antrag, und es ist menschenverachtend.

 

Andererseits, wie der Herr Vorsitzende auch gesagt hat, ist der Antrag für die Anerkennung des armenischen Völkermordes einfach unsinnig. Der Gemeinderat hat das 2015 selbst beschlossen und anscheinend haben Sie diese sechs Jahre wohl verschlafen.

 

Ich möchte aber nicht meine ganze Rede der FPÖ widmen, denn so viel ist sie mir auch nicht wert. Ich möchte über einen Antrag reden, den wir heute gemeinsam mit den Regierungsparteien einbringen. Es geht um den Fall des Wiener Studenten Ahmed Samir Abdelhay Ali, der an der Central European University in Wien studiert. Abdelhay Ali wurde während eines Familienbesuches in Kairo von den dortigen Behörden festgenommen, verhört und gefoltert. Mehrere Initiativen zur Freilassung wurden bereits gestartet. Unter anderem haben sich die Österreichische HochschülerInnenschaft, Amnesty International und der Rektor seiner eigenen Universität dazu geäußert und die sofortige Rückkehr verlangt, denn die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, sind haltlos und unbegründet. Sein kritischer Geist gegenüber den ägyptischen Behörden war den Machthabern wohl ein Dorn im Auge, sodass der junge Student seitdem in Kairo sitzt.

 

Abdelhay Ali ist aber weit mehr als irgendein Student. Er ist Wiener, er ist Sohn, er ist Partner. Er ist genauso ein Bewohner dieser wunderschönen Stadt wie wir alle hier. Ahmed Abdelhay Ali ist eine Bereicherung für diese Stadt. Er ist ein Beispiel dafür, wie vielfältig unsere wunderschöne Stadt sein kann. Seine Forschungen an der Central European University, wohlgemerkt eine Universität, die vor der illiberalen Demokratie aus Ungarn nach Wien gezogen ist, zeigt, dass Wien ein Synonym für die Freiheit der Wissenschaft ist. Wir können hier nicht einfach tatenlos zusehen, wie ein Wiener, und ja, für mich ist er ein Wiener, grundlos im Ausland festgehalten wird. Daher freue ich mich, dass wir heute auf Initiative meiner Grünen Fraktion gemeinsam mit den Regierungsparteien einen Antrag dazu stellen, um die sichere Rückkehr Abdelhay Alis nach Wien zu gewährleisten.

 

Und, liebe SPÖ, wenn ich bei der letzten Gemeinderatssitzung auf euch zugekommen bin und euch diese Idee gesagt habe, finde ich es als sehr respektlos, wenn das jetzt als SPÖ-Initiative in den Medien verkauft wird. Dass die ÖVP heute nicht als gemeinsamer Antragsteller mitgeht, das wundert mich, um ehrlich zu sein. Erst vor einigen Monaten hat die Frau Hungerländer bei einer Gemeinderatssitzung über Minderheitenverfolgungen im Nahen Osten geredet, und jetzt nichts mehr. Das zeigt das komische Menschenrechtsverständnis der ÖVP. Und dass die FPÖ da nicht mitgeht, da bin ich ganz ehrlich, es wundert mich überhaupt nicht, denn Abdelhay Ali verkörpert ja alle drei Faktoren, die Sie so verachten, die Migranten, die Muslime und die Wissenschaft. - Danke schön.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu Wort gelangt GRin Mag. Hungerländer. Ich erteile es ihr.

 

18.16.22

GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP)|: Herr Vorsitzender!

 

Gleich anschließend an meinen Vorredner, dem ich es ja nicht zum Vorwurf mache, weil er noch ganz frisch im Gemeinderat ist, deswegen lassen Sie mich vielleicht diesem einen guten Rat erteilen: Wenn man möchte, dass ein Antrag gemeinsam eingebracht wird, Herr Kollege, dann ist es eigentlich an der Tagesordnung, auch zu allen Fraktion zu gehen und mit den Leuten persönlich zu reden und das nicht einer anderen Fraktion anzubürden, sondern den persönlichen, direkten Kontakt zu suchen. Ich verspreche Ihnen, ich würde Sie auch nicht fressen, wenn Sie das tun. Denn hätten sie es getan, hätte ich Ihnen erklärt, warum wir diesem Antrag nicht nahetreten werden. Nämlich überhaupt nicht, weil wir ihm inhaltlich nicht zustimmen, sondern weil wir Rücksprache gehalten haben mit unserem Außenministerium, mit dem Außenministerium der Österreichischen Republik, und die dortigen Beamten gesagt haben, dass bereits seit Tag 1 verhandelt wird, dass das Außenministerium, der stationierte Botschafter in Kairo in Kontakt ist mit den ägyptischen Behörden, dass der Kontakt besteht mit dem Anwalt, mit der Familie, mit der Central European University. Dieser Kontakt besteht, und es ist bereits ein erster Erfolg eingetreten, es konnte nämlich eine Hafterleichterung erwirkt werden. Der inhaftierte ägyptische Staatsbürger, in Wien wohnhaft, darf inzwischen seine Familie im Gefängnis wieder empfangen.

 

Was möchte ich sagen? Ich möchte sagen, dass in manchen sehr sensiblen Bereichen das Megafon vielleicht nicht das angebrachteste Mittel ist, sondern die Diplomatie. Und ich denke, als Österreicher können wir sehr stolz sein auf ein Außenministerium, das sehr bewusst und bedacht vorgeht, das sich in diesem Bereich auch sehr einsetzt für den jungen Mann. Und dahinter stehen wir als Österreichische Volkspartei. Wir stehen nicht hinter dem Mittel, das am populistischsten ist, sondern wir stehen hinter jenem Mittel, das am effektivsten ist, aber inhaltlich absolut hinter dem Vorgehen des Außenministeriums, dem jungen Mann zu helfen. Und das möchte ich ganz bewusst hier festgehalten wissen.

 

Zu der zweiten Frage, nämlich der Frage der Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern: Es ist ja tatsächlich so, dass es in der Causa, nämlich nicht am Völkermord selbst, aber sehr wohl in der Region aktuelle Entwicklungen gab. Und wenn Sie sich den Antrag der FPÖ und unseren Antrag angesehen haben, so sehen Sie ja, dass wir auf die aktuellen Entwicklungen genauso eingehen. Ich habe das schon einmal gesagt, nachdem Sie mir zugehört haben, wissen Sie das auch sicher, ich bin der Meinung, dass wir als Menschenrechtsstadt das Recht und die Verpflichtung haben, auf aktuelle Konflikte auch einzugehen und unsere Meinung dazu kundzutun.

 

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