Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.05.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 67 von 97
Aber wir brauchen auch gar nicht weit wegschauen, wir brauchen nicht nach Polen gehen, wir brauchen nicht nach Ungarn gehen, bleiben wir in Österreich. In den letzten Wochen habe ich eigentlich jede Woche Berichte darüber gelesen, dass Regenbogenfahnen zerrissen werden, verbrannt werden, gestohlen worden sind, die zuvor vor Kirchen gehisst worden sind als Zeichen der Solidarität mit den Menschen der LGBTIQ-Community. Erst vor wenigen Tagen in Innsbruck, die einzige Regenbogenbank, die dort steht, das ist nicht nur eine Bank, das ist ein Symbol. Das ist ein Symbol für eine weltoffene Gesellschaft. Das Symbol ist in der Nacht in einem feigen Akt der Intoleranz in den Inn geworfen worden. Und vorige Woche berichten mir zwei Freunde völlig unabhängig voneinander am gleichen Tag, sie gehen durch Wien mit einem Sackerl in der Hand, da ist ein Regenbogen oben, und werden auf das Ärgste beschimpft, fast mit körperlicher Gewalt bedroht. - Warum? - Weil sie einen Regenbogen mit sich tragen, am helllichten Tag in Wien. Und egal, mit welcher LGBTIQ-Community-Organisation Sie reden, sie alle erzählen die gleiche Geschichte: Die Stimmung in diesem Land wird rauer, das gesellschaftliche Klima wird intoleranter, die Anfeindungen nehmen zu. Und genau deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Tag wie die „Fensterl Parade“ und die Regenbogenparade so wichtig, denn da geht es um bunte Sichtbarkeit im öffentlichen Raum, und genau deshalb braucht es Veranstaltungen wie die „Fensterl Parade“.
Ich möchte an der Stelle auch alle Menschen hier in diesem Saal, aber auch zu Hause am Livestream einladen, machen Sie mit am 5. Juni, zeigen Sie Regenbogen, zeigen Sie, dass wir nicht nur in einer weltoffenen, toleranten Stadt leben, sondern auch in einem Österreich leben, das weltoffen und tolerant ist.
Und so wichtig solche Tage wie die „Fensterl Parade“ oder beispielsweise die Regenbogenparade sind, so wichtig sind natürlich auch ganz konkrete politische Schritte in Österreich. Sie wissen es, da gibt es eine ganze Liste von Themen, die zu erledigen sind. Mit der ÖVP in der Bundesregierung geht da nichts weiter, da ist noch nie etwas weitergegangen mit der ÖVP in der Bundesregierung. Da passiert einfach nichts, da gibt es einen queer-politischen Stillstand. Die Themen kennen Sie alle, die haben wir beim letzten Mal von oben nach unten zelebriert und aufgezählt, geäußert dazu aus der ÖVP-Ecke hat sich hier niemand in diesem Haus.
Dennoch möchte ich daran erinnern, dass Schwule und Intersexuelle, Transsexuelle immer noch in diesem Land mit Diskriminierungen bei der Blutspende zu kämpfen haben. Das ist hoffentlich bald Geschichte. Meine Erwartungen an den grünen Arzt, der jetzt Gesundheitsminister ist, diese Diskriminierung zu beenden, sind hoch. Dazu braucht es auch gar keine parlamentarische Mehrheit, das ist eine Blutspende-Verordnung, das kann man auch durchaus ohne parlamentarische Mehrheit machen.
Aber das Thema, das mich viel mehr fassungslos macht, ist das Thema der Konversionstherapien. Für alle, die es nicht wissen: Konversionstherapien - und mich krampft es ja bei diesem Wort schon, denn da steht das Wort Therapie drinnen -, also diese - unter Anführungszeichen - Konversionstherapien sind Umpolungspraktiken, die schweres körperliches und psychisches Leid an den Menschen, die das durchgemacht haben, verursachen. Reden Sie mit Menschen, die solche angeblichen Konversionstherapien durchgemacht haben, die sind ihr Leben lang traumatisiert. Und nein, dieses Thema ist in Österreich nicht erledigt. Es hat im Juni 2019 im Nationalrat eine einstimmige Entschließung gegeben, mit der die Regierung aufgefordert worden ist, eine Regierungsvorlage auszuarbeiten, die die Ausübung von diesen sogenannten Konversionstherapien an Minderjährigen verbietet. Eine Regierungsvorlage wäre auszuarbeiten gewesen, wäre, ist es nämlich nicht. Anders in Deutschland. In Deutschland ist das schnell gegangen, binnen einem Monat hat man den Beschluss gefasst, hat die Vorlage ausgearbeitet, das Gesetz beschlossen. Dort ist das verboten, ein Jahr Freiheitsentzug für Menschen, die das durchführen. Die Eltern sind hier auch in der Verantwortung. Und Werbung für Konversionstherapien ist auch verboten.
Was ist in Österreich? In Österreich ist nichts in einem therapeutischen Kontext, das heißt, bei einem Arzt oder bei einer Therapeutin, bei einem Therapeuten ist es über die Berufsvorgaben verboten, aber irgendwelchen dubiosen, fundamental religiösen Vereinen ist es nicht verboten, sowohl dafür Werbung zu machen, als auch diese Konversionstherapien durchzuführen. Und wissen Sie, was ich daran so - ich finde ja das Wort gar nicht - unaussprechlich finde? Ich finde es so unaussprechlich, welche Geisteshaltung dahintersteht. Die Geisteshaltung von Menschen, die diese Konversionstherapien nicht verbieten beziehungsweise durchführen, ist die, dass irgendwas mit Menschen, die nicht heterosexuell sind, nicht stimmt. Da muss irgendetwas therapiert werden, da muss irgendwas geradegebogen werden, da stimmt irgendetwas nicht, bis hin zu: Homosexualität ist eigentlich eine Krankheit, die therapiert werden muss.
Das ist, entschuldigen Sie, kompletter Wahnsinn, so etwas zu glauben, und es ist für mich eine riesengroße Schande, dass wir es in Österreich nicht schaffen, diesen Konversionstherapien den Riegel vorzuschieben. Ich verstehe nicht, wieso Sie von der ÖVP sich hier nicht bewegen und sich dazu durchringen, diese menschenverachtende Praxis an Minderjährigen, die ein Leben lang traumatisiert werden, zu beenden. Sie könnten das tun, beenden Sie das, beenden Sie, dass Sie Menschen in Depressionen, in Angsterkrankungen treiben. Beenden Sie, dass Angehörige der LGBTIQ-Community auch auf Grund des Glaubens, irgendetwas ist falsch bei ihnen, sie müssen therapiert werden, ein deutlich höheres Selbstmordrisiko haben als alle anderen Minderjährigen.
Zum Schluss möchte ich mich noch sehr herzlich bedanken bei den OrganisatorInnen der „Fensterl Parade“. Ihr tragt dazu bei, dass Wien seine Weltoffenheit vor sich herträgt, zeigt, Wien ist bunt. Ich hoffe, dass alle Menschen mitmachen bei dieser „Fensterl Parade“. Und
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