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Gemeinderat, 13. Sitzung vom 22.09.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 11 von 118

 

Umso mehr verwundert es eigentlich, dass man erst jetzt die Initiative ergriffen hat, hier organisatorische und personelle Neuerungen vorzunehmen, wobei ja doch insbesondere die Volksanwaltschaft bereits seit Jahren auf Missstände in der MA 35 hinweist.

 

Es ist ja so, dass StR Wiederkehr jetzt die MA 35 sozusagen neu in seinem Ressort hat, es jedoch einen Vorgänger gibt, der ja nach wie vor Ihrem Team angehört. Jetzt möchte ich Sie persönlich schon fragen: Haben Sie den Stadtrat, in dessen Zuständigkeit die MA 35 zuvor gefallen ist, eigentlich einmal zur Brust genommen und ihn einmal gefragt, wie diese Entwicklung mit den Missständen, die wir ja alle mehr oder weniger auch laufend in den Medien wahrnehmen, überhaupt ihren Lauf nehmen hat können?

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Bürgermeister, bitte.

 

Bgm Dr. Michael Ludwig: Bei den beiden Themen, die Sie jetzt angesprochen haben, möchte ich deutlich machen, wie stark der Unterschied zwischen einer bundesgesetzlichen Bestimmung, die im Parlament beschlossen wird, und den entsprechenden Auswirkungen ist. Wenn der Brexit beschlossen wird und die Maßnahmen in der EU getroffen werden, ist beileibe noch nicht klar, welche Auswirkungen das für die jeweiligen Personen hat. Es gibt eine Reihe von Übereinkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien, die den Brexit regeln, auch die Aufenthaltsbestimmungen der jeweiligen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Das gilt für die Briten in der EU, zum Beispiel auch in Österreich, und gilt umgekehrt auch für Österreicherinnen und Österreicher, die sich aus welchen Gründen auch immer in Großbritannien aufhalten.

 

Die Durchführungsbestimmungen des Brexit und auch alle damit verbundenen juristischen Maßnahmen sind ja nicht unmittelbar mit dem Brexit erfolgt, sondern auf Grund von monatelangen Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten.

 

Und auch beim zweiten Themenkomplex, bei den Nachkommen der NS-Opfer und den NS-Verfolgten, hat sich gezeigt, dass wir von Beginn an überhaupt nicht abschätzen konnten, wie viele Personen sich verstreut in der ganzen Welt interessieren, die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Das war zu Beginn nicht zu quantifizieren, wie groß dieser Personenkreis ist, und wir können bis heute schwer abschätzen, ob die Anträge, die bis jetzt eingelangt sind, jetzt schon das Ende der Fahnenstange sind oder ob es zeitverzögert erst zu viel späteren Antragstellungen kommen wird.

 

Daher ist natürlich die Aufstockung von Personal immer auch von den aktuellen Ereignissen abhängig und inwieweit politische Entscheidungen, die auf europäischer Ebene oder im Parlament auf bundesgesetzlicher Ebene getroffen werden, tatsächlich Auswirkungen auf die Antragstellerinnen und Antragsteller haben.

 

Bei den Verfolgten und Opfern des NS-Regimes bearbeiten wir in Wien 99 Prozent aller Fälle, die in Österreich aufschlagen. Das heißt, wir haben in Wien eine ganz besondere Verantwortung, aber natürlich auch eine ganz besondere administrative Herausforderung, der wir uns natürlich auch gerne stellen, aber wo wir im Laufe des Prozesses erst abschätzen können, um wie viele Anträge, um wie viele Personen es sich handelt und wie komplex auch die einzelnen Anträge sind. Es ist auch ein Unterschied, aus welchen Ländern die Antragsteller kommen, welche Qualität die Unterlagen haben, die sie vorlegen, und wir haben ja sehr hohe Standards, die wir auf Grund bundesgesetzlicher Vorschriften einhalten müssen.

 

Ich bin sehr konsequent dahinter, dass wir im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung alle bundesgesetzlichen Bestimmungen auf Punkt und Beistrich einhalten, weil ich auch weiß, dass wir als Stadt Wien immer ganz besonders im Scheinwerferlicht und Interesse des Bundes stehen und deshalb auch großes Interesse haben, dass uns keine Vorwürfe gemacht werden, dass wir Anträge nicht entsprechend den Gesetzen behandeln. Daher ist die Komplexität mancher Fragen auch mitverantwortlich, dass Anträge länger bearbeitet werden müssen.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 3. Zusatzfrage kommt von den GRÜNEN. Frau GRin Mag. Aslan, bitte.

 

9.45.51

GRin Mag. Aygül Berivan Aslan (GRÜNE): Guten Morgen, Herr Bürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Na ja, die MA 35 ist meines Erachtens komplett kaputt, sie ist dringend reformbedürftig. Ich glaube, wir sind alle d’accord, dass hier dringend etwas gemacht werden sollte. Es ist immer gut, wenn man einen Plan hat, wie man sozusagen die ganzen Maßnahmen umsetzen kann, aber ich habe immer noch nicht herausgehört, welche Maßnahmen akut umzusetzen sind und welche Maßnahmen langfristig in Planung sind.

 

Es ist zwar immer gut, über Erneuerung zu reden, über mehr Personal zu reden, aber ich finde, mehr Personal ist gut und recht, aber es muss viel mehr in die Ausbildung des Personals investiert werden, weil das eine langfristige Win-win-Situation darstellen kann.

 

Ich muss gestehen, ich war auch damals schockiert, als wir im Ausschuss darüber gesprochen haben, dass für die MA 35 Security-Personal zur Verfügung gestellt werden sollte und damit einfach ein falsches Signal nach außen hin getragen wurde, im Sinne, dass die Kundschaft der MA 35 als gewalttätig, als aggressiv dargestellt wurde. Anstatt in Securities zu investieren, hätte man also hier viel mehr in geschultes Personal investieren sollen.

 

Ich weiß, vielleicht werden Sie jetzt mit bundesgesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Staatsbürgerschaftsrecht kommen. Ich war selber Nationalrätin und habe auch in den Ausschüssen miterlebt, wie die rot-schwarze Regierung das Fremdenrecht und das Staatsbürgerschaftsrecht verschärft hat. Das ist keine Geschichte von ein paar Jahren, sondern es ist eine langfristige Baustelle, die es hier gibt.

 

Insofern wollen wir jetzt eine konkrete Beantwortung haben: Welche akuten Maßnahmen wollen Sie bis zum Jahresende setzen, und gibt es überhaupt ein Budget für

 

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