Gemeinderat, 16. Sitzung vom 29.11.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 79 von 98
Kunst- und Kulturschaffende bemühen. Damit meine ich vor allem nicht nur uns Gemeinderäte, sondern, weil ich Sie hinten sehe, Frau Rotschopf, Frau Zemlyak. All jene, die im Kulturausschuss unsere hitzigen Debatten mitbekommen, werden jetzt gleich ein bissel grinsen, aber ich bedanke mich ausdrücklich bei Frau Zemlyak. Ich mag Menschen mit Leidenschaft, auch wenn man anderer Meinung ist, Frau Mayerhofer, auch dir, lieber Gerhard, danke ich für den respektvollen Austausch im Kulturausschuss. Das macht sehr viel Spaß, mit euch hier arbeiten zu dürfen.
Und weil Kollege Weber vorher diese großartigen Berichte aus dem Wien Museum erwähnt hat: Dafür möchte ich mich auch bei Ihnen bedanken, denn es war unsere, meine Initiative, hier im Kulturausschuss etwas mehr Transparenz hineinzubringen. Ich wurde anfangs dafür belächelt, jetzt erfreuen wir uns alle an diesen Berichten und ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie auf dieses Angebot eingegangen sind.
Hinter uns liegt das erste gemeinsame Jahr hier im Rathaus und wir alle hätten uns das anders vorgestellt, auch im Kulturbereich. Wenn wir im Theater, im Kino, irgendwo bei der Bühne, bei einem Künstler, einer Künstlerin sitzen, dann sind das ein paar Stunden Pause vom Alltag, dringend notwendiger Eskapismus in diesen Zeiten. Nach William Shakespeare: Die Welt ist eine Bühne. Und diese Welt gibt eben ein Drama, ein Stück mit wenig Pausen und viel Aufregung, so etwas wie Wagners „Ring der Nibelungen“, ein Ende ist da noch lange nicht in Sicht. Was unseren Kampf gegen das Virus betrifft, ist der letzte Vorhang noch nicht gefallen. Es ist ein Kampf gegen das Virus, nicht gegeneinander. Es ist ein Miteinander und selbst wenn wir anderer Meinung sind, dann können wir dieses Miteinander leben. Sie haben mich in diesem Jahr auch persönlich kennen gelernt und wissen, wie sehr ich mich für den respektvollen Umgang einbringe. Wer aus der Kultur dieser Tage die Spaltung unserer Gesellschaft beklagt, der gehört gleichzeitig auch gefragt: Was tust du dafür oder was tust du dagegen? Die großen Bühnen dieser Stadt, die Sie mit zig Millionen sponsern, ihre Direktoren, ihre Autoren tragen hier eine Mitverantwortung, der sie nachzukommen haben. Meine Kollegin Laura Sachslehner wird noch genauer darauf eingehen.
Ein paar Worte von mir als Kultursprecher dazu: Es gibt Tage, da kommt man aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Ein britischer Politiker wird bei einer öffentlichen Sprechstunde erstochen, er hinterlässt fünf Kinder. Offene Drohungen gegen Politiker und Politikerinnen sind auch hierzulande an der Tagesordnung, und genau zu dieser Zeit wird im Wiener Volkstheater ein Stück aufgeführt mit dem Titel - ich zitiere -: „1. Kreuz brechen oder also alle Arschlöcher abschlachten“, André Heller, Andreas Gabalier, Jesus Christus und noch viele mehr, natürlich auch Sebastian Kurz, gekreuzigt, gevierteilt, mit Scheiße bedeckt und vernichtet. - Das finden Sie zum Lachen? Schön, schön dass Sie das zum Lachen finden, wenn man Menschen öffentlich herabwürdigt und im Volkstheater Hass aufgeführt wird, Mord aufgeführt wird. Die Aufgabe der Kunst kann sein, den Bogen zu überspannen, nur den Bogen hier tatsächlich mit Pfeilen zu bestücken und abzufeuern und das dann genau abzufeiern, das geht entschieden zu weit!
Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt, Frau Stadträtin! „Alle Arschlöcher abschlachten“ ist im Gemenge unserer Zeit reichlich deplatziert. Und das sind die freundlichsten Worte, die mir dazu einfallen. (Zwischenruf.) - Das ist letztklassig, was im Volkstheater heute gespielt wird, Sie haben vollkommen recht.
Kommen wir zum aktuellen Budget: Wir sehen eine Erhöhung um zirka 2 Prozent, also um 4,4 Millionen EUR auf 287 Millionen EUR im Jahr 2022, im Jahr 2023 wird das Kulturbudget dann deutlich reduziert, um mehr als 1,7 Millionen EUR. Und weil dann manche von Ihnen gerne reflexartig auf die Bundesregierung zeigen, ist hier mein Vergleichsservice: Das Kunst- und Kulturbudget des Bundes 2022 steigt von 496 Millionen EUR auf 557 Millionen EUR im nächsten Jahr und somit um 61 Millionen EUR, das sind plus 12 Prozent!
Jetzt zu Wien: Jeder oder jede CEO eines Unternehmens mit einem Budget von knapp 300 Millionen EUR wird Ihnen sofort eine Strategie aus der Tasche ziehen, eine Vision, eine Idee, mit anderen Worten: ganz simpel eine Kulturstrategie. Seit zwei Jahren in Wien angekündigt, wir sprechen Sie regelmäßig darauf an, was hören wir? - Wir suchen noch nach den richtigen Fragen. - Richtig gehört, Sie suchen seit zwei Jahren nach den richtigen Fragen. Ich habe eine für Sie: Was hindert Sie denn daran, endlich Antworten zu finden? StR Hanke - und ich höre Ihnen allen sehr genau zu - hat heute gesagt: Jene, die das Ziel nicht wissen, kennen auch den Weg nicht. - Ja, wo bleibt eine Strategie für die Kulturhauptstadt Wien, wenn sie denn noch überhaupt eine ist? Und nein, Corona zählt hier nur bedingt als Ausrede, mit Experten, Künstlern, Stakeholdern können Sie sich jederzeit auch online austauschen, oder Sie greifen zum Telefonhörer. Sie finden hier im Gemeinderat, auch in den vielen Magistratsabteilungen richtig gescheite und kreative Köpfe. Um hier endlich in die Gänge zu kommen, schlagen wir eine Enquete zur Kulturstrategie vor. Diesen Antrag bringe ich hiermit gemeinsam mit meinen KollegInnen Laura Sachslehner, Josef Mantl, Michael Gorlitzer ein. Verspielen Sie bitte nicht den guten Ruf von Wien, einem Ort, an dem vielfach Kultur tatsächlich stattfindet!
Regieren ist ein Rendezvous mit der Realität! Liebe NEOS, schönen Gruß aus der Vergangenheit, uns wird im Kulturausschuss noch immer nicht über die abgelehnten Förderansuchen berichtet - das habt ihr einmal kritisiert, noch bevor ihr Teil dieser Regierung wart. Das findet ihr lustig, ja, ich nicht. Die Vereinigten Bühnen erhalten auch weiterhin die Hälfte aller Förderungen für darstellende Kunst - das habt ihr einmal kritisiert, noch bevor ihr Teil dieser Regierung wart. Im Bundesländervergleich ist Wien nach wie vor Schlusslicht im Hinblick auf die Musikschulplätze - habt ihr mal kritisiert, noch bevor ihr Teil dieser Regierung wart. Auch hier bringe ich einen Antrag zur Ausweitung des Musikschulangebots ein und erinnere Sie an ein einst wichtiges Anliegen Ihrer Partei.
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