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Gemeinderat, 16. Sitzung vom 30.11.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 7 von 110

 

Neutralität ist die Zeitspanne beim Gebäudebestand sicher am Längsten, und deshalb haben wir für die Transformation auf diesem Gebiet den größten Zeitdruck.

 

Mit den Maßnahmen, wie sie im Wirtschaftsplan von Wiener Wohnen für das Jahr 2022 geplant sind, kann das Ziel der Klimaneutralität 2040 jedenfalls nicht erreicht werden, sehr geehrte Damen und Herren. Nein, ich gehe in meiner Kritik sogar noch weiter: Der fehlende Stellenwert, den Sie der dringend notwendigen Sanierung des Wiener Gemeindebaus und damit dem Klimaschutz einräumen, ist unterlassene Hilfeleistung, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Um die Klimaneutralität von Wiener Wohnen 2040 zu erreichen, braucht es eine Sanierungsquote, die weit über dem selbstgesteckten Ziel von jährlich 7.300 Mietobjekten liegt. Mit dem Wirtschaftsplan und den darin vorgelegten Maßnahmen wird nicht einmal dieses Ziel annährend erreicht. Das hat auch der Rechnungshof zuletzt wieder festgestellt. Ein längerer Sanierungszyklus und damit spätere Sanierungen verursachen nicht nur höhere Kosten und sind somit unwirtschaftlich. Mit dem vom Rechnungshof festgestellten Sanierungszyklus von 67 Jahren kann die von der Stadtregierung postulierte Klimaneutralität 2040 nicht einmal im ureigenen Wirkungsbereich erreicht werden. Und das ist unterlassene Hilfeleistung, sehr geehrte Damen und Herren, weil die öffentliche Hand eigentlich als „First Mover“ und nicht als Nachzügler auftreten müsste.

 

Wir wissen alle, dass im Baugewerbe die Kapazitäten für die Transformation erst aufgebaut werden müssen. Wir wissen alle, dass wir mehr InstallateurInnen, mehr ElektrikerInnen, mehr BauingenieurInnen brauchen, um die Klimaneutralität zu schaffen. Wir wissen alle, dass wir diese zehntausenden neuen Ökojobs, die Jobs der Zukunft brauchen. Dafür müssen wir Menschen qualifizieren.

 

Dabei ist es entscheidend, dass die öffentliche Hand jetzt massiv als Nachfrager dieser Leistungen auftritt - für thermische Sanierung, für den Umstieg auf erneuerbare Energieträger, für Innovationen -, damit die Konzepte entwickelt und die Kapazitäten im Gewerbe für die aufgebaut werden, die dann noch auf dem Weg zur Klimaneutralität der Gebäude folgen müssen, damit wir das 2040 überhaupt irgendwie schaffen können.

 

Wir können nicht erwarten, sehr geehrte Damen und Herren, dass uns private Bauträger die Klimaneutralität vorhupfen. Wenn es nicht einmal die öffentliche Hand schafft, wie sollen uns die das dann quasi vorhupfen? Wir müssen als öffentliche Hand vorhupfen. Damit müssen wir jetzt beginnen, und dafür sind die Summen im Wirtschaftsplan von Wiener Wohnen für Sanierungsvorhaben denkbar ungeeignet.

 

Es ist aber auch unterlassene Hilfeleistung gegenüber den Mieterinnen und Mietern von Wiener Wohnen, denn die Kosten für fossile Energieträger werden in den nächsten Jahren massiv steigen. Wir erleben es gerade, und die MieterInnen von Wiener Wohnen bleiben dieser Kostenexplosion schutzlos ausgesetzt. Die Kosten für fossile Energie könnte man den MieterInnen durch thermische Sanierung, durch den Einsatz von erneuerbaren Energieträgern ersparen. Die Gemeindebaumieter zahlen jetzt die Untätigkeit der Wohnbaustadträte Faymann und Ludwig, und Sie, sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin, müssen diesen Rückstand jetzt leider aufholen.

 

Es ist doch allen klar: Die beste Energie ist nicht die erneuerbare Energie, die beste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen. Mit Investitionen in thermische Sanierung sparen wir uns die Diskussion über einen Heizkostenzuschuss, wie ihn heute die ÖVP beantragt. Wir können entscheiden, ob das Geld zu österreichischen Unternehmen fließt, die die Klimakrise bekämpfen, oder zu russischen Oligarchen, die uns Öl und Gas teuer verkaufen.

 

Der Wirtschaftsplan von Wiener Wohnen verlässt gerade diesen Pfad der Klimaneutralität und damit ist er unterlassene Hilfeleistung gegenüber den kommenden Generationen, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Wir verlangen daher, dass die Frau Vizebürgermeisterin einen konkreten Plan vorlegt, wie die Klimaneutralität von Wiener Wohnen bis 2040 erreicht werden soll, und fordern, dass Sie die budgetären Voraussetzungen schaffen, die Sanierungsquote auf das notwendige Ausmaß zu erhöhen. Den entsprechenden Antrag bringe ich mit meinen KollegInnen ein.

 

Mutlos ist leider auch die Verweigerungshaltung der Stadtregierung in Sachen Leerstandsabgabe. Immer mehr Wohnungen, vor allem im gewerblich errichteten Wohnungsneubau, stehen leer. Die Wohnungen werden als Betonsparbücher missbraucht, und das verknappt das Wohnungsangebot und gefährdet die Leistbarkeit. Und es wird sinnlos bodenversiegelt, Sie haben das Problem ja zuletzt auch in einem Brief an die Bundesregierung angesprochen, Frau Vizebürgermeisterin.

 

Wien kann in Österreich vorangehen und sich mit einer Abgabe auf Leerstand und Zweitwohnsitze zumindest die entstandenen Infrastrukturkosten zurückholen. Selbst wann man die niedrigen Abgaben der Tiroler Zweitwohnsitz- und Freizeitwohnsitzabgaben zugrunde legt, könnten wir Einnahmen von zumindest 50 Millionen EUR erzielen. Das müsste eigentlich auch den Finanzstadtrat interessieren.

 

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zum Wiener Wohnungsabgabegesetz, auf das Sie sich immer wieder beziehen, schließt eine wohnungsmobilisierende Wirkung nicht aus, sehr geehrte Damen und Herren. Das Erkenntnis besagt nur, die wohnungsmobilisierende Wirkung darf nicht der primäre Zweck der Abgabe sein.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, Sie haben als Kanzlerpartei Jahrzehnte auf Bewegung der ÖVP in der Bundesregierung in Sachen Volkswohnungswesen gewartet. Jetzt erzählen Sie uns, dass Sie als Oppositionspartei im Bund weiter auf diese Bewegung warten. Ich fordere Sie auf, handeln Sie dort, wo Sie können. Ich sage Ihnen, das Theaterstück „Warten auf Godot“ ist vielleicht ein langweiliges Theaterstück, aber die ewige Wiederholung des Schauspiels „Warten auf den Bund“, das die Wiener Sozialdemokratie hier in jeder Sitzung zur Aufführung bringt - erst gestern wieder

 

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