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Gemeinderat, 16. Sitzung vom 30.11.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 77 von 110

 

Für mich enden ja Menschenrechte nicht an der Grenze dieser Stadt und beginnen auch nicht hier, sondern sie müssen überall Beachtung finden. Ich war schon ein bisschen enttäuscht und bin es noch immer, wenn die NEOS gemeinsam mit der SPÖ einen Antrag der FPÖ unterstützen, Integrationsprojekte spezifisch zu prüfen - nein, es geht nicht um andere Projekte, ausdrücklich Integrationsprojekte -, und diesem Antrag letzte Woche zugestimmt haben.

 

Für mich ist aber heute auch ein anderer besonderer Tag. Heute steht in Deutschland ein ehemaliger IS-Kämpfer vor Gericht. Das wär per se ja noch nicht so besonders, aber in Deutschland steht heute ein ehemaliger IS-Kämpfer wegen Völkermords an den Jesiden und Jesidinnen vor Gericht. Deutschland ist damit das erste Land der Welt, das diesen Massenmord als Völkermord anerkennt, und dafür gebührt entsprechender Dank.

 

Ich möchte mich heute im Rahmen des Budgets hauptsächlich auf einen Schwerpunkt meiner früheren politischen Arbeit innerhalb der Stadt konzentrieren, nämlich das Menschenrechtsbüro der Stadt Wien. Es ist, wie Sie, Herr Vizebürgermeister, ja auch wissen, eine mir wichtige Institution dieser Stadt, vielleicht auch deswegen, weil ich maßgeblich an seiner Gründung mitgearbeitet habe. Es war eines der Ergebnisse aus einem langen Prozess, an dessen Ende einerseits das Büro, aber auch die Erklärung des Gemeinderats 2015 standen. Das war ein wichtiger Schritt in der Arbeit für Menschenrechte in dieser Stadt, und ich finde, es ist an der Zeit, dieses Büro weiterzuentwickeln, daran zu arbeiten, progressiv und mit viel Freude.

 

Derzeit ist das Menschenrechtsbüro in einer Unterabteilung der MA 11 integriert. Das hilft natürlich, Budgetansätze zu verstecken, und leider gibt es deswegen in der Menschenrechtsstadt Wien nicht einmal ein ausgewiesenes Budget für das Menschenrechtsbüro. Besonders bedauerlich ist, es ist nicht einmal ersichtlich, wie viel für die vollmundige Ansage, das Menschenrechtsbüro zu evaluieren, vorgesehen ist.

 

Es wurde groß eine Personalbedarfsanalyse angekündigt. Ob damit angefangen wurde, wissen wir nicht. Meine schriftliche Anfrage an das Vizebürgermeisterbüro diesbezüglich haben wir vor nicht ganz zwei Monaten gestellt, und das bedeutet in unserer Stadt, man nutzt diese Zeit der Zweimonatspflicht auch aus, um entsprechend zu antworten. Das hat mich schon immer geärgert, nicht nur jetzt bei dir, Christoph, sondern mich ärgert, dass man immer die volle Zeit ausnutzt. Es ist fast wie bei der MA 35: Wenn etwas 6 Monate dauern darf, dann darf man es nicht im 5. Monat am 30. Tag machen, sondern erst am 31. Ich verstehe solche Fristen nie.

 

Ob die Ressourcen, wie im rot-rosa Regierungsprogramm angekündigt, tatsächlich auch dafür vorhanden sind, sehen wir aber nicht. Um seine Aufgaben entsprechend der Zielsetzungen durchführen zu können, bedarf das Menschenrechtsbüro adäquater Ressourcen. So steht es im Regierungsprogramm, sonst sehen wir das nirgends so.

 

Im Rahmen der letztjährigen Budgetdebatte meinte Kollege Peter Florianschütz noch: Wien ist Menschenrechtsstadt und verpflichtet sich dem internationalen Dialog und der Weltoffenheit. Daher stärken wir das Menschenrechtsbüro. Ich habe im letzten Jahr nicht wirklich gemerkt, dass dieses Büro gestärkt wurde, ich finde nichts dazu. Ja, der internationale Dialog fand, natürlich eingeengt durch die Pandemie, im Rahmen der Fundamental-Rights-Agency-Veranstaltung erst vor zwei Monaten statt, also einer EU-Einrichtung, aber das hat noch nichts mit dem Büro zu tun.

 

Ich habe in der letztjährigen Budgetdebatte einen Antrag eingebracht, in dem wir GRÜNE fordern, dass das Menschenrechtsbüro aufgewertet werden muss. Ich habe auch konkrete Vorschläge gemacht, mehr und verantwortliche Einbindung der Zivilgesellschaft, strukturierte Ausgliederung aus der MA 11, aber die NEOS und die SPÖ haben dagegen gestimmt, wie ja auch unlängst bei einem anderen Antrag, den ich für die GRÜNEN zur Diskriminierung in der Werbung eingebracht habe. Dafür hat die Gewista, die ja zu 15 Prozent der SPÖ gehört, jetzt Plakate aufgehängt, auf denen sich der Werberat ausdrücklich gegen Diskriminierung in der Werbung ausspricht. Das ist ein interessanter Gegensatz zwischen Stadtregierung und einem Teil der Stadtregierung oder zwischen NEOS und SPÖ gegenüber dem Werberat.

 

Damit komme ich tatsächlich zu meinem zweiten Bereich meines Menschenrechtsarbeitsansatzes, zum Dialog mit Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen. Meine werten Kollegen, in der letzten Legislaturperiode - das wissen ja nicht alle - hatten wir eine Gemeinderätliche Behindertenkommission. Es war ein Organ des Gemeinderates, das auch Menschen mit Behinderung Platz und Raum gab, sich zu äußern, also auch Selbstvertretung zu haben. Unter NEOS und SPÖ wurde sie offenbar abgeschafft, zumindest tagt sie nicht mehr. Es gibt keine Worte dazu. Ich habe sogar schon bei der ehemaligen Vorsitzenden nachgefragt. Es gibt keine Meldungen. Ich weiß, dieses Thema hat vielleicht auch noch mehr mit der nächsten Geschäftsgruppe zu tun, aber es hat eine menschenrechtliche Dimension, ob Menschen mit Beeinträchtigung und Behinderung hier ihr Wort finden dürfen oder nicht.

 

So kann natürlich leider auch nicht mit Betroffenen darüber diskutiert werden, wie und welche Maßnahmen getroffen werden könnten, um Lehrlinge mit Behinderungen in der Stadt aufzunehmen. Kollege Öztas und ich haben eine schriftliche Anfrage eingebracht. Kollege Öztas hat auch nochmals hier im Gemeinderat das desaströse Ergebnis wiedergegeben: Fünf, also nur eine Hand voll Lehrlinge, fünf mit Einschränkungen sind in der Gemeinde Wien und ihrer Holding in Ausbildung. Fünf Personen! Entschuldigung, das ist, „sorry to say“, zum Schämen!

 

Zwei Kollegen der NEOS haben zwar sofort gesagt, da muss etwas geschehen, da muss etwas passieren, wir müssen da etwas machen, aber außer bei Hans-Jürgen Groß - das ist ganz sicher kein NEOS-Mandatar, sondern Konzernbeauftragter der Wiener Stadtwerke für Barrierefreiheit, der sich sofort dazu gemeldet hat und Wege erarbeitet, wie wenigstens bei den Wiener Stadtwerken etwas passieren kann - ist nichts Bekanntes

 

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