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Gemeinderat, 20. Sitzung vom 23.02.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 86 von 128

 

der Schulwahl, wo sie ihre Kinder überhaupt in die Schule geben wollen, wo vielleicht die gute Schule ist, wohin sie umziehen wollen. Und auch das ist ein extrem sozialer Aspekt, denn Umziehen können sich nicht so viele leisten, das heißt, jene, die die Ressourcen haben, haben auch hier den Vorteil umzuziehen, um die Wunschschule zu bekommen. Teilweise geht dann der Druck auch so weit, dass Eltern ihre Kinder scheinummelden, um die richtige Adresse für die Wunschschule zu haben. Eine kürzlich erschienene Studie von einer WU-Professorin zeigt, dass das in Wien gar kein kleiner Teil ist, der das macht, hochgerechnet auf jede Klasse sind das relativ viele Kinder, die so in ihre Wunschschule kommen. Aber auch DirektorInnen, LehrerInnen, mit denen wir gesprochen haben, berichten von dieser Zeit, Jänner, Februar, März, von enormem Stress bei der Anmeldung, auch von keinen schönen Situationen, wenn sie Kinder ablehnen müssen, die sich eigentlich schon die Schule ausgesucht haben, wenn sie Eltern dann sagen müssen, das geht sich leider bei uns nicht mehr aus.

 

Das Phänomen ist gar nicht auf Wien beschränkt, es haben schon viele andere Städte in Österreich, aber auch international ähnliche Erfahrungen gemacht, segregierte Schulen und steigende Ungerechtigkeiten dadurch, obwohl oder auch weil vielleicht alle Eltern sich jede Schule frei auswählen können, ohne jede Einschränkung. Wer das nachlesen will, kann sich Studien über Linz anschauen. Linz hat ein ähnliches Problem, da gibt es gute Studien, das ist gut untersucht. Wer es lieber nachhören will, kann sich das Phänomen und die Situation in mehreren Podcasts über die Situation in New York anhören. Die haben auch ihre Anmeldungen dann geändert. Und auch ganze deutsche Bundesländer haben in den letzten Jahren ihr Anmeldesystem an den Volksschulen geändert, damit die soziale Durchmischung besser wird.

 

Wir wissen also, dass die Anmeldung an der Volksschule ganz stark vom sozialen oder sozioökonomischen Milieu abhängt und dass dadurch schon im Alter von sechs Jahren - nicht erst später mit zehn Jahren - Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit verloren gehen. Verstärkt wird dieses Phänomen durch das derzeitige Anmeldungssystem, das wir in Wien haben. Es gibt, wie gesagt, nur diese zwei Kriterien für die Schulplatzzuteilung, die noch dazu teilweise umgangen oder ausgetrickst werden können. Wir sagen daher, die Anmeldung muss dringend reformiert werden, die Schulplatzzuteilung muss ergänzt werden. Diese zwei Kriterien brauchen unbedingt auch noch andere Kriterien, wie soziale oder ökonomische, damit diese Schulplatzzuteilung gerechter wird.

 

Wir fordern StR Wiederkehr in unserem Antrag, den wir hier heute einbringen, daher auf, die derzeitige Volksschulanmeldung in einem ersten Schritt einmal zu evaluieren. Es sollen alle Möglichkeiten geprüft werden, die die sozioökonomische Durchmischung stärken und die Anmeldung für alle gleichzeitig - also für alle LehrerInnen, DirektorInnen und Eltern - stressfreier und gerechter machen. Ich weiß, das ist jetzt nicht das Burner-Thema, es ist relativ technisch, es geht auch viel um Kriterien, wie kann die Schulplatzzuteilung gemacht werden, aber wir sehen in ganz viel anderen Großstädten, in Europa, auch in Berlin oder auch in Übersee, dass die Reformen, die dort gemacht werden, wirklich positive und grundlegende Auswirkungen auf die Chancengerechtigkeit in einem Bildungssystem haben. Und die gute Nachricht in dem Fall ist auch, Sie müssen gar nicht auf den Bund warten, Sie brauchen gar nicht viel für die Finanzierung aus dem Bund, das ist eine reine Regelung, die wir hier in der Stadt machen können. Also anstatt hier auf mehr Bildungsgerechtigkeit aus dem Bund zu warten, ist das eine Möglichkeit, wirklich für mehr Chancengerechtigkeit in dieser Stadt zu sorgen, und ich glaube, dass wir hier ganz gute Ideen vorgebracht haben, und wir bitten um Zustimmung zum Antrag. - Vielen Dank.

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet, die Debatte ist geschlossen. Die Berichterstatterin verzichtet auf das Schlusswort.

 

18.34.42Es gelangt nunmehr Postnummer 8 der Tagesordnung zur Verhandlung. Sie betrifft eine Sachkreditgenehmigung für die Bereitstellung und den Einsatz einer ambulanten Betreuung von Familien im Rahmen der Unterstützung der Erziehung. Ich bitte die Frau Berichterstatterin, die Verhandlung einzuleiten.

 

18.34.54

Berichterstatterin GRin Mag. Nicole Berger-Krotsch: Ich bitte um Zustimmung.

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Ich eröffne die Debatte, und zu Wort gelangt Frau GRin Matiasek. Bitte.

 

18.35.07

GRin Veronika Matiasek (FPÖ)|: Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Es geht wie gesagt um die ambulante Betreuung von Familien, und wir werden dieser Förderung natürlich gerne zustimmen, weil gerade die Familien seit zwei Jahren eine sehr schwer belastete Gruppe sind, mit vielen Dingen zu kämpfen haben, und dazu sind eben auch die Auswirkungen der Pandemie zu zählen. Erst kürzlich wurde bekannt, dass - was man ja schon im Herbst nach dem ersten Lockdown in Studien festgestellt hat - die Zahl der psychisch belasteten Menschen, und hier ganz besonders der Kinder, aber durchaus auch vor allem der Frauen, die die Mehrfachbelastung von Familie und systemerhaltenden Berufen zu stemmen hatten, enorm groß ist.

 

Jetzt muss man vorausschicken, dass, wenn man vor allem auf die Kinder schaut, wir in Wien ja schon vor der Pandemie ein Problem hatten, Kinder, die Bedarf an psychotherapeutischer, psychologischer, aber auch psychiatrischer Diagnose und Behandlung hatten, oft nicht zum Zug gekommen sind und dass viel zu wenig kostenfreie Plätze für diese Behandlung vorhanden waren. Das weiß man dezidiert seit 2009, seit der Untersuchungskommission im Bereich der Psychiatrie. Geschehen ist leider nichts, und wir stehen jetzt vor dem Problem, dass nicht nur in Wien - das ist bundesweit der Fall - Kinder und Jugendliche unter der Auswirkung vor allem

 

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