Gemeinderat, 23. Sitzung vom 24.05.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 10 von 111
tet werden kann. Es wird darauf hingewiesen, und ich möchte es auch nicht verhehlen, dass bei vielen ExpertInnen, aber auch bei uns Grünen, doch eine kritische Position zur Anstellung existiert. Sie geben in der Antwort Hinweise darauf, dass Sie diesen kritischen Bemerkungen entgegenarbeiten wollen und ein Wiener Modell vorlegen wollen, das diese Kritik sozusagen ausräumt. Ich bitte Sie, hier zumindest einmal insoweit Andeutungen zu machen, welche dieser Kritikpunkte Sie sozusagen anders angehen wollen.
Ich denke, ein Kritikpunkt ist die Abhängigkeit, ein Kritikpunkt ist die Ausbildung - 100 Stunden sind einfach zu wenig -, ein Kritikpunkt ist, dass man trotzdem in der Pflege sehr abhängig bleibt, auf beiden Seiten. Pflege zu Hause leisten vorwiegend Frauen, Pflege zu Hause macht in vielen Fällen arm. Es klingt recht attraktiv, ein Anstellungsmodell zu haben, aber die Tücke liegt im Detail. Vielleicht können Sie hier doch einen Ausblick geben?
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Stadtrat, bitte.
Amtsf. StR Peter Hacker: Ich meine, ich habe die grundsätzlichen Eckpunkte nach Vorgaben, die der FSW für dieses Modell hat, schon einmal in eine Anfragebeantwortung geschrieben. Es geht grundsätzlich einmal darum, dass wir wissen, es gibt Frauen, die zu Hause Angehörige pflegen und eine soziale Absicherung von genau null haben - keine Krankenversicherung, keine Unfallversicherung, keine Pensionsversicherung, keine Urlaubszeiten, keinen Anspruch auf irgendeine Form von Entgelt, sind arbeitslos und haben auch eine Nichtvermittelbarkeit am Arbeitsmarkt mit der Begründung: Ich pflege jemanden, der zu Hause Angehöriger ist. - Das ist der Status und diesen finden wir alle, glaube ich, nicht sehr sympathisch.
Die Gegengeschichte, nämlich zu sagen, man stellt diese Frauen an und sie sollen zu Hause ihre Angehörigen pflegen, hat ja auch sehr viele negative Aspekte. Darin sind wir uns ja auch einig. Grundsätzlich wollen wir ja nicht, dass Frauen zu Hause ihre Angehörigen pflegen. Das ist eigentlich ein Pflegemodell der Vergangenheit, nicht das Pflegemodell der Zukunft. Da sind wir uns ja vollkommen einig. Der Sinne und Zweck des massiven Ausbaues der mobilen Dienste und der stationären Dienste in Wien liegt ja darin, dass wir dieses frauenpolitische Bild nicht mehr haben wollen. Da sind wir uns völlig einig, und in diesem Spannungsfeld muss man auch eine solche Konzeption machen. Daher ist natürlich die Aufgabe des FSW, der diese Konzeption gemeinsam mit Experten macht, genau auf dieses Spannungsfeld hinzuschauen. Daher geht es dann um die Frage, dass die Frauen dann nicht nur eine Anstellung kriegen, sondern dass sie auch eine Supervision bekommen, eine Ausbildung bekommen, auch die Möglichkeit bekommen, dass es Freizeiten gibt, dass sie nicht ausbrennen, dass sie eben nicht in dieser Mühle, aus der wir sie heraußen haben wollen, dann wieder drinnenstecken.
Das ist der Sinn und Zweck des Konzeptes, und darum ist es natürlich auch nicht so einfach, das Konzept einfach zu machen. Daher habe ich viel Verständnis dafür, dass es noch nicht vorliegt und kann nur bitten, dieses Verständnis zu teilen. Ich kenne all diese auch sehr großen Vorbehalte, die vor allem aus der frauenpolitischen Ecke kommen, und ich teile die Vorbehalte auch. Ich sehe aber auf der anderen Seite auch das Problem, dass es bei all unseren Vorbehalten trotzdem so ist, dass es solche Betreuungen zu Hause gibt. Daher wird es, denke ich, notwendig sein, da ein kleines Zeichen zu setzen, dass wir auch diese, meistens Frauen, die als betreuende Angehörige, aus welchen Gründen auch immer, zu Hause betreuen, nicht völlig alleine lassen und nicht völlig vergessen und nicht völlig ignorieren. Vom Konzept erwarte ich mir, dass es genau diesen Kompromiss, diese Balance zustande bringt. Man sollte nur ein bisschen Geduld aufbringen, damit man das auch in aller Ruhe durchdiskutieren kann.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 2. Zusatzfrage kommt von der ÖVP. Frau GRin Korosec, bitte.
GRin Ingrid Korosec (ÖVP): Guten Morgen, Herr Stadtrat! Sie wissen, dass ich das Modell der Anstellung sehr, sehr kritisch sehe, und wenn Sie jetzt darauf hingewiesen haben - in erster Linie sind es Frauen, die zu Hause die pflegenden Angehörigen sind -, dass keine Maßnahmen gesetzt werden, dann erinnere ich Sie, dass jetzt gerade die Bundesregierung den ersten Teil der Pflegereform vorgestellt hat. Da sind eine Reihe von Maßnahmen, erste Schritte - sicher nicht genug -, um die pflegenden Angehörigen zu entlasten. An sich bin ich auch Ihrer Meinung, dass das grundsätzlich kein Zukunftsmodell sein soll, wenn es 900.000 pflegende Angehörige in Österreich gibt. Das ist also sicher nicht das Zukunftsmodell, aber derzeit haben wir es und derzeit sind Maßnahmen zu setzen, um in diesem Bereich zu entlasten, zu entlasten eben erstens einmal mit mehr Freizeit, und so weiter und mit der Versicherung, die ja gegeben ist, wie Sie auch wissen. Aber ich möchte jetzt gar nicht darauf eingehen.
Wichtig ist natürlich für die pflegenden Angehörigen, dass sie auch dementsprechende Fachkräfte haben, dass sie nicht alleine gelassen werden. Da gibt es natürlich Probleme. Wir wissen, wir haben überall und besonders in dem Bereich einen Fachkräftemangel, und daher gibt es ja auch die Idee, Pilotprojekte für ein Lehrverhältnis auch in den Bundesländern aufzustellen. Das ist ja auch ein Modell, das jetzt von der Bundesregierung vorgestellt wurde, und ich hätte gerne gewusst, wie Sie zu diesem Modell stehen.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Stadtrat, bitte.
Amtsf. StR Peter Hacker: Also ich kann, glaube ich, feststellen, dass wir alle, die sich in der Pflege gut auskennen, diesbezüglich sehr kritisch sind. Ich glaube, da sind wir uns ja auch einig. Wie gesagt, mir ist es auch wichtig, dass wir auch diese Frauen nicht völlig alleine lassen. Deswegen glaube ich, dass es möglich sein kann, ein Konzept zu kriegen, mit dem wir in familiäre Situationen, die meistens Drucksituationen sind, hineinintervenieren können. Ich glaube, dass das gelingen kann.
Ich halte relativ wenig von dem Begriff Pflegelehre, eigentlich halte ich von dem Begriff Pflegelehre gar
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