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Gemeinderat, 26. Sitzung vom 21.09.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 48 von 133

 

In welchen Mengen wird gehandelt? Wie wird gehandelt? Wo wird gehandelt? Warum wird so gehandelt? Das ist doch normal, wenn es im Endeffekt um 2 Milliarden EUR beziehungsweise um 1,4 Milliarden EUR vorher geht.

 

Da ist aber nichts passiert, da wird eher darauf gebaut, dass man nichts gewusst und nichts gesehen hat, dass es ein Meteorit ist. StR Hanke redet von Experten und Expertinnen, die die Wahrscheinlichkeit auf 0,01 Prozent geschätzt haben, dass so etwas passiert. - Das ist möglich. Die entscheidende Frage ist: Zu welchem Zeitpunkt haben ExpertInnen das geschätzt? Haben diese ExpertInnen vor fünf Jahren so geschätzt? Ja, okay, das haben sie vielleicht als ExpertInnen getan. Wenn diese ExpertInnen aber vor drei Monaten noch so geschätzt haben: Sorry! Dann muss man ihnen den Expertenstatus entziehen, denn wenn jemand zu einem Zeitpunkt, da Märkte hochvolatil sind, sagt, dass der Preis nicht plötzlich um 60 Prozent steigen kann, dann ist er ein Quacksalber, aber doch kein Experte! (Beifall bei den GRÜNEN und von GR Peter L. Eppinger.) Reden wir also einmal ernsthaft darüber, was Vorsorge betrifft. - Kollege Stürzenbecher! Du weißt es, du bist ein intelligenter Mensch: Wer vor drei oder vier Monaten gesagt hätte, dass das nicht passieren kann, der hat keine Ahnung von dem, was sich tut, der hat keine Ahnung von Märkten.

 

Ich möchte jetzt die Gelegenheit nutzen, um zurückzukommen zur eigentlichen Fragestellung dieser Mitteilung betreffend „energiewirtschaftliche Herausforderungen und notwendige Maßnahmen im Zusammenhang mit der europaweiten Energiekrise“. - Es wird so viel von Märkten und verrückten Märkten geredet. Es heißt: Die Märkte tun nicht das, was sie hätten tun sollen. - Märkte verhalten sich eben wie Märkte, je nachdem, wie die Rahmenbedingungen sind. Wenn jemand etwas unbedingt will und es nicht ganz viel davon gibt, dann zahlt man mehr. Das kann schnell gehen oder langsam gehen, je nachdem, um welches Gut es sich handelt. Da geht es nicht um die Frage, ob der Markt funktioniert hat oder jetzt funktioniert, sondern darum, wer von der Marktentwicklung profitiert und warum das so ist.

 

Da lohnt es sich tatsächlich, kurz einen Blick zurück zu machen auf die letzten 20 Jahre, weil ganz viele der Meinung sind, dass der Markt funktioniert hat. - Auf den ersten Blick könnte man sagen, wenn man alleine den Preis von Strom und Gas betrachtet, dass der Markt vielleicht funktioniert hat. Aus der Sicht Putin‘s hat der Markt hervorragend funktioniert. Es ist Wladimir Putin gelungen, einen Großteil Westeuropas mit günstigstem Gas zu fluten, so wie wenn ein Drogen-Dealer jemanden heroinabhängig machen will. Erst wird günstig verkauft, und dann wird es langsam teurer, damit er Geld für seinen Krieg hat, den er ein Jahr später beginnen will. Dann verknappt er die Situation, dass die Öl- und Gaspreise in ungeahnte Höhen steigen und wartet darauf, dass man sich in Europa gegenseitig zerfleischt, was Gott sei Dank auf Grund der nicht erwarteten Einigkeit innerhalb der Europäischen Union zumindest bislang nicht passiert ist. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Aus Sicht Wladimir Putin‘s hat der Markt jedenfalls hervorragend funktioniert. Aber hat der Markt aus Sicht der Umwelt funktioniert? - Wir befinden uns ja nicht nur in einer Energiekrise, sondern wir befinden uns in der größten Klimakrise und wissen alle miteinander in Wirklichkeit noch nicht, wie wir dieser Herausforderung trotzen werden. Und aus dieser Sicht hat der Markt überhaupt nicht funktioniert. Der Markt hat dazu beigetragen, dass Alternativen so gut wie nicht zum Zug gekommen sind. Das ist der Markt. Der Markt hat dazu beigetragen, dass Wien Energie so wie viele andere Energieversorger viel zu lange auf Gas gesetzt hat. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als wir gemeinsam in der Regierung waren und BürgerInnenkraftwerke gemacht haben. Wir wollten 1.000 Dächer mit Solaranlagen ausstatten, und so weiter, und so fort, doch die Bremser für den Umstieg sind in der Wien Energie gesessen, und zwar mit dem Kostenargument: Gas ist so viel billiger.

 

Das sollten wir uns einmal überlegen, wenn wir tatsächlich über Märkte und darüber reden, ob diese Märkte so funktionieren oder ob es nicht viel sinnvoller ist, das jetzt zum Anlass zu nehmen, die Energieversorgung und die Art und Weise der Bereitstellung von Energie anders zu regeln und zumindest weite Teile davon dem Markt in seiner gängigen Form zu entziehen. Dazu gehört auch das Merit-Order-System, im Hinblick auf welches der eine oder die andere momentan glaubt, man könnte dieses Merit-Order-System einfach abschaffen oder verändern, indem man Gaskraftwerke herausnimmt. Ich sage Ihnen: Es ändert sich überhaupt nichts, wenn man momentan Gaskraftwerke aus dem Merit-Order-System herausnimmt. Man legt diesfalls einen Preis für Gaskraftwerke fest. Und wenn diese anbieten, wissen alle anderen Anbieter, dass sie in einer Mangelsituation die Kante knapp unterhalb des Gaskraftwerkpreises wählen können und ihr Strom genommen wird.

 

Der Verbund muss gegenwärtig nicht kalkulieren, ob er seinen Strom um 3 Cent, um 5 Cent, um 7 Cent oder um 9 Cent verkauft, denn der Verbund weiß, dass der größte Teil seines Stroms zu Höchstpreisen abgenommen wird. Dieser Preis wird im Zweifelsfall limitiert durch den Preis der Gaskraftwerke, aber zu diesem Preis kann der Verbund allen Strom, den er anbietet, loswerden. Das heißt: Merit-Order in der jetzigen Situation zu beseitigen, bringt nichts. Das hätte vielleicht ganz kurz am Anfang etwas genutzt. Jetzt haben sich jedoch alle Produzenten im Großen und Ganzen darauf eingestellt und wissen, wie viel sie für das Mangelgut Strom verlangen können.

 

Daher kommt ein Punkt meines Erachtens auf allen Ebenen bislang viel zu kurz, eigentlich hätte ich mir für diesen Punkt heute einiges erwartet, und diesbezüglich noch viel mehr als ich wird dann meine Kollegin Judith Pühringer erzählen. Wenn hier die Rede ist von den „notwendigen Maßnahmen im Zusammenhang mit der europaweiten Energiekrise“, dann frage ich: Wo sind die Maßnahmen, die die Stadt Wien zu setzen gedenkt? Wir haben ganz viel gehört von Kollegen Reindl: Er hat immer wieder gesagt: Der Bund muss das tun, der Bund muss jenes tun, der Bund muss noch etwas tun, der

 

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