Gemeinderat, 26. Sitzung vom 21.09.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 63 von 133
und eher Marktliberale, aber auch sie sieht sich auf Grund der Dramatik, in der wir uns in Europa befinden, schon genötigt, und zu Recht, dass sie sagt, es müssen in Zeiten wie diesen scharfe Markteingriffe her. Das ist etwas, was wir uns wünschen und was die Europäische Union für richtig erkannt hat und was gut ist und wozu man ihr gratulieren kann, wenn sie es wirklich durchführt. Das sei schon gesagt.
Das Einzige, was da ja ein bisschen ein Problem ist, ist, dass unsere Bundesregierung in dieser Hinsicht sozusagen eher hintennach ist. Auch wenn Herr Kollege Margulies jetzt vielleicht wieder etwas negativ sagen wird, weil ich die Bundesregierung kritisiere, aber sie ist in dieser Sache hintennach, hinter sehr vielen anderen europäischen Regierungen, teilweise durchaus konservativen Regierungen, wie die griechische, anders als die deutsche, anders als die französische, anders als die skandinavischen, anders als die Schweizer Regierung, und viele andere. Die sind durchaus der Meinung, dass in Krisenzeiten - wir sind zwar Gott sei Dank nicht in einem Krieg, aber auf Grund des völkerrechtswidrigen Einmarsches der Russischen Föderation in der Ukraine sind wir de facto in einem Wirtschaftskrieg -, und auch in einem Wirtschaftskrieg andere Verhältnisse sind. (GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Sind wir jetzt im Krieg?) Das muss man sich einfach vergegenwärtigen, und deshalb gibt es ganz andere Verhältnisse und man muss richtig darauf reagieren.
Eine Stadt oder auch ein Land, eine Gemeinde wie Wien kann mit ihrem Budget in einer Extremsituation, die wir gehabt haben, nicht ausreichend reagieren. Deshalb war es dann richtig, grundsätzlich an die Bundesregierung heranzutreten. Und ich sage einmal Folgendes, weil der Kollege Margulies immer sagt, wir sollen dankbar sein: Erstens einmal ist es okay, sie haben es dann richtig gemacht, die Begleitumstände waren natürlich schon politisch nicht okay.
Drosseln wir die Sprache herab, aber es waren wirklich sehr sonderbare und nicht zulässige Begleitumstände, die der Finanzminister da an den Tag gelegt hat, der mehrmals von mutmaßlicher Spekulation gesprochen hat, noch zu einem Zeitpunkt, als Experten das längst schon dementiert haben. Am Dienstag dieser Woche dann, als sich an den Märkten alles schon wieder beruhigt hat, ist in einer Sendung nach der „ZIB 2“, genau, „Am Runden Tisch“, danke, debattiert worden, hauptsächlich von Leuten, die der Sozialdemokratie in keiner Weise nahestehen.
Da war Herr Benigni, einer der besten Experten, die es gibt, der wirklich international beurteilen kann, ob Spekulation vorliegt oder nicht, und der hat gesagt: Nach seinen Informationen überhaupt keine Spekulation. Auch die Generalsekretärin der Österreich Energie, die dort war, hat das gesagt. Es war eigentlich dann schon klar, es gibt hier überhaupt keine Spekulation. (GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Was sind Futures dann?) Das ist nicht eine Auslegungssache, dafür gibt es Definitionen. Das, was Sie, Herr Kollege Wölbitsch, gesagt haben, wenn man auf Futures setzt, ist das Spekulation, dann ist das grundfalsch. Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben, das wird kein Fachmann unterschreiben, was Sie da gesagt haben, das ist zurückzuweisen. (Beifall bei der SPÖ.)
Risiko gibt es so wenig wie möglich, das hat man ja auch gesagt. Das haben ja auch diese drei Institute - noch einmal: PwC, Freshfields und Ithuba - festgestellt, dass es keine Anzeichen für Spekulation gibt, dass das Geschäftsmodell im internationalen Vergleich üblich ist, dass die Handelsstrategien grundsätzlich bestätigt wurden und dass der Black Friday so nicht vorhersehbar war und es für Wien Energie keine Handlungsalternativen gab. (GR Mag. Manfred Juraczka: Ist Ihnen das nicht peinlich?) Das sind einfach die Fakten, die Sie irgendwann zur Kenntnis nehmen sollten. Ich nehme jetzt einmal an, es sind nicht alle bei Ihnen so, dass sie sagen, schade, dass das jetzt im Endeffekt eh relativ gut ausgegangen ist und dass es nicht diesen großen Crash gibt. (GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Wir wissen noch nicht, wie das ausgeht!) Das wäre aber wirklich eine Taktik der verbrannten Erde. Ich hoffe, dass Sie das nicht so verfolgen, sondern dass Sie sich in Wirklichkeit auch freuen, dass sich das eigentlich wieder sehr beruhigt hat.
Vorsichtig aber muss man sein, und das musste man an diesem Black Friday sein. Wenn sich das am Montag negativ weiterentwickelt hätte, was es zum Glück nicht hat - auch weil Frau Von der Leyen damals schon eine öffentliche Bemerkung abgegeben hat, die sich gleich auf die Märkte ausgewirkt hat, vielleicht auch deshalb -, Tatsache ist, wir haben diese zwei Milliarden bis jetzt überhaupt nicht gebraucht. Trotzdem ist es gut, dass im kooperativen Bundesstaat natürlich der Bundesstaat einspringt. Das ist etwas, was eigentlich selbstverständlich sein sollte. Es gibt die Länder, es gibt die Gemeinden, es gibt den Bund, und die müssen nach unserer Verfassung kooperieren. Wenn sie nicht kooperieren, ist das verheerend für die Bevölkerung. Infolgedessen war es an sich selbstverständlich, dass sie das machen.
Dass es letztlich, von den Begleitumständen, die ich schon erwähnt habe, abgesehen, dann gut abgewickelt worden ist, ist okay, aber das ist eigentlich etwas, was es im Bundesstaat einfach geben muss. Es haben ja sehr viele andere Bundesländer auch da teilweise hohe Summen abgerufen, in den Monaten und Jahren vorher, und es ist deshalb nie öffentlich hinausgespielt worden und ein großes Drama daraus gemacht worden. Das muss man schon auch sagen, also so gesehen war es schon ein Foul im Match durch den Finanzminister, auch wenn das im Endeffekt richtig war, dass man die zwei Milliarden sicherheitshalber zur Verfügung stellt.
Das dazu, und jetzt möchte ich noch ein bisschen auf der Ebene von Margulies weiterreden, perspektivisch etwas sagen. Kurzfristig müssen wir das jetzt mit der Wien Energie bestmöglich, und haben wir es, in den Griff kriegen, und ich hoffe, dass sich die Märkte so entwickeln, dass das wirklich positiv weitergeht. Da werden wir das Bestmögliche machen. Natürlich brauchen wir da - eine Stadt alleine kann das nie wirklich stemmen - den Bund dazu und braucht man die europäische Dimension dazu, damit wir mittelfristig wirklich Markteingriffe vor
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular