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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 18.10.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 73 von 103

 

Es hat also seit 2000 eine ganze Reihe von Faktoren gegeben, die zu Lasten der klassischen Wiener Einkaufsstraßen gingen. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang auch sehr gut an die Thaliastraße in Ottakring. Der Kunde braucht einen Branchenmix, egal, ob er aus dem Grätzl oder von weiter draußen kommt, wo er wenige Einkaufsmöglichkeiten hat. Dann kann er gleich einiges erledigen, seine Einkäufe machen und sein Geld dort lassen, und so werden die Unternehmen am Leben erhalten. Der Branchenmix ist jedoch rapide zurückgegangen. Zum Beispiel in der Thaliastraße gibt es heute ein Konglomerat aus Billigläden, Telefonshops sowie Friseuren sonder Zahl. Gott sei Dank gibt es diese Spielhöhlen beziehungsweise Spielhöllen nicht mehr, das ist gut so. Es gibt aber jede Menge anderen Ramsch. Und es gibt unzählige Imbissbuden, was auch erstaunlich ist. Diese sind nämlich echte Klimakiller. Diese haben einen enormen Energiebedarf zum Kühlen, zum Kochen, zum Braten, und so weiter auf kleinstem Raum. Doch diesbezüglich geschieht überhaupt nichts, da habe ich noch nichts von Ihnen gehört, wie man das verbessern könnte. All das gibt es jetzt entlang dieser Einkaufsstraßen.

 

Die - wie ich es jetzt einmal ausdrücke - guten mittelständischen Geschäfte sind jedoch abgesiedelt, nicht zuletzt, weil die Kunden dort nicht mehr hingefahren sind und weil die Kaufkraft in diesen Gebieten massiv gesunken ist. Man sieht es ja: Wo halten sich denn gute mittelständische Einkaufsstraßen? - Dort, wo die Kaufkraft der anrainenden Bevölkerung hoch ist. Klar: Es sind zum Beispiel der 2. Bezirk mit dem Karmeliterviertel angesprochen worden, die Josefstädter Straße im 8. Bezirk, das Servitenviertel. Ja. Dort ist es hübsch und schön, und dort halten sich auch die Geschäfte, weil sich die Menschen, die dort vor Ort wohnen, das in der Regel auch leisten können. (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Also doch eher regional!)

 

Einkaufsstraßen beziehungsweise Einkaufsgebiete der äußeren Bezirke, die aber auf entsprechende Impulse angewiesen sind, dass sie neben der Bevölkerung die dort wohnt, sehr wohl auch Kunden von außen bekommen, können mit diesem System nicht leben und nicht existieren.

 

Das heißt, es ist eine Reihe Fehler gemacht worden, die wahrscheinlich mit Festen und Förderungen alleine nicht behoben werde können, sondern ich muss mich dazu entschließen, wo will ich die Kundschaft hinführen, wo kann die Kundschaft hingehen, und in welcher Art und Weise ist es möglich in diesen diversen - jetzt sind es plötzlich eher wieder so - Grätzln. Jetzt sollen es nicht mehr Einkaufsstraßen sein, dennoch kann ich die ja auch nicht verkommen lassen, das ist ganz klar. Da heißt, wir sind niemals gegen die Förderung von Einkaufsstraßen, das ist schon etwas Wichtiges, es muss halt nur sinnvoll sein. Ich glaube nicht, egal, wie dort gearbeitet wird, dass wir die Förderungen weiter ausschütten sollten. Das glaube ich nicht (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Evaluieren!), sondern man muss schon anschauen, was tatsächlich mit den Förderungen geschieht. Es gibt sicher nette Feste, die ein gewisses Niveau haben, aber es gibt auch Straßenfeste, die eine einzige Ansammlung an Ramsch und Fetzen sind, und die bringen die dortigen Unternehmer sicher nicht weiter. Das heißt also, man muss sich im Einzelnen sehr wohl anschauen, was man mit dem Fördergeld macht. (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: So ist es. Evaluieren!) Das ist überhaupt keine Frage. Daher ist es vielleicht ein guter Ansatz, dass ich sage, ich schaue in bestimmter Art und Weise einmal bestimmte Schwerpunkte an, wie entwickelt sich dort etwas. Aber ich darf auf der anderen Seite natürlich, da bin ich bei Ihnen, nicht auf die Geschäftsstraßen vergessen.

 

Ich glaube nur, man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass konsumfreie Räume, Grätzl, Grätzlbetreuung alleine - Kollege Margulies hat das fast bis hin zur sozialen Grätzlbetreuung angesprochen (StR Peter Kraus, BSC: Allein nicht, sind aber ein positiver Teil!) - die Unternehmen als solche rettet. Das muss man sich schon im Einzelnen anschauen, was ist jetzt sozusagen die Betreuung des öffentlichen Raumes und wie schaut es auf der anderen Seite mit der Wirtschaft aus. Und ich glaube, hier muss man schon auf die ansässigen Unternehmer hören, denn wir müssen froh sein, dass sich viele Unternehmen trotz der wirklich für sie sehr unangenehmen Situation entschließen, vor Ort zu bleiben. Also ich bin über jedes Geschäft in meinem Umfeld froh, wenn es bleibt. (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Wir auch!) Und ich habe viele Geschäfte in meinem Umfeld nicht mehr. Ich müsste - mache ich nicht - viele Dinge oder könnte viele Dinge maximal in einem Großsupermarkt einkaufen, was ich nicht möchte, denn ich gehe auch lieber ins kleine Geschäft, so wie ich lieber beim Bauern kaufe als in der Gemüseabteilung eines Supermarktes. Das ist einfach so und das machen Gott sei Dank viele Leute auch.

 

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, was wirklich wichtig ist, was die Leute anzieht, dass man eben Magneten schafft, die Menschen in ein Grätzl - da es so gerne gesagt wird -, in ein Viertel oder in ein Zentrum führen, indem man sich nämlich überlegt, muss ich alles immer auslagern und irgendwo in einem Gebäude auf der grünen Wiese zusammenfassen. Ich finde, es ist wichtig, gerade öffentliche, halböffentliche Einrichtungen, medizinische Versorgungseinrichtungen zentral vor Ort zu haben, nicht nur, weil es für die Kunden und für den Parteienverkehr angenehm ist, sondern weil das auch für die Unternehmer eine günstige Situation darstellt, wenn eben hier gewisse kleine Magneten sind.

 

Man hat sich vorgestellt, dass Leerstand durch Kulturinitiativen bespielt eine besonders gute Sache ist, was die Gestaltung, aber auch die Belebung von Einkaufsstraßen betrifft. Ich kenne so viele negative Beispiele, wo irgendwelche mir nicht nachvollziehbaren Initiativen ehemalige leerstehende Geschäftsräume bespielen, die aber dermaßen - und ich sage das jetzt - grindig ausschauen und alles andere als ein Magnet sind, sondern wirklich vom Umfeld mehr als skeptisch gesehen werden. Auch darauf muss man schauen. Wenn ich schon eine Kulturinitiative vor Ort machen möchte, dann soll die auch dem Bild der Umgebung entsprechen und dort nicht ein öffentlicher Mistkübel sein beziehungsweise be

 

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