«  1  »

 

Gemeinderat, 30. Sitzung vom 24.11.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 109

 

darauf verlassen, nicht nur, dass sie gesehen und gehört werden, wie das bei der Frauenbefragung ja der Fall war, sondern sie können vor allen Dingen sicher sein, dass sie in dieser Stadt Selbstbestimmtheit, Unabhängigkeit und Gleichberechtigung von Frauen erfahren und dass genau das in dieser Stadt ganz großgeschrieben wird. Genau diese Aspekte haben auch die Antworten und die Ergebnisse der Frauenbefragung Wiens behandelt. Über 15.000 Mädchen und Frauen haben daran teilgenommen und haben uns ihre Bedürfnisse, ihre Anliegen, ihre Sorgen vor allem jetzt nach der Pandemie mitgegeben. Corona hat ein Mal mehr verdeutlicht - wir haben das in diesem Haus auch schon öfters gesagt -, dass Frauen weiterhin in höherem Ausmaß als Männer für die Kinderbetreuung, für das Haushalts- und Familienmanagement zuständig sind.

 

Österreich, das muss man ganz klar sagen und ich möchte das hier auch noch einmal hervorstreichen, weil es genau das auch zeigt, ist noch immer von altmodischen Rollenverständnissen und patriarchalen Strukturen geprägt. Es ist unser erklärtes Ziel, genau das auch aufzubrechen, indem wir Frauen dabei unterstützen, ihre eigenen Wege zu gehen und auch entsprechende Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Angefangen bei unseren Kinderbetreuungseinrichtungen über die große Ausbildungsoffensive für berufstätige Frauen im naturwissenschaftlichen Bereich über die finanziell stark abgesicherten Frauenförderprogramme des WAFF bis hin zum dichten Gewaltschutznetz, das immer engmaschiger wird in Wien: Wien ist für jede Frau in jeder Lebenslage da.

 

Die Diversität eines jeden Lebensweges einer jeden Frau spiegelt sich gewissermaßen auch in diesem Poststück wider, das wir heute hier zur Behandlung vorliegen haben, mit zahlreichen Kleinprojekten zu den unterschiedlichsten Thematiken. Eines der geförderten Projekte in diesem Kleinprojektetopf ist etwa auch „Orange the World“, „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ der UN-Women in Österreich. Diese 16 Tage beginnen ja morgen mit dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, und auch bei der Frauenbefragung haben wir gesehen: Gewaltschutz ist ein wichtiges Thema für die Frauen. Sie haben auch angegeben, dass sie wissen, das Corona bereits bestehende Gewaltbeziehungen verschärft hat und sie hatten auch das Bewusstsein, dass das Entkommen aus Gewaltspiralen gerade dann schwierig ist, wenn man in Abhängigkeitsverhältnissen ist.

 

Diese Abhängigkeitsverhältnisse: Das führt mich zu den in diesem Jahr verübten Femiziden. Auch in diesem Jahr wurden bis dato etwa 28 Frauen durch ihre Ehemänner, Partner, Ex-Partner oder enge Verwandte ermordet. Etwa 28 Frauen sage ich deshalb, weil wir es nicht genau wissen, denn es gibt in Österreich keine professionelle und amtliche statistische Zählung von Femiziden, der furchtbaren Spitze des Eisberges von Männergewalt gegen Frauen. Es gibt auch keine offizielle Begriffsdefinition. Es gibt zwar eine Zählung des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es doch nicht von Vereinen oder NGOs und von ihrem ehrenamtlichen Engagement abhängen darf - obwohl das löblich ist und obwohl ich auch hier an dieser Stelle dafür danken möchte -, dass es eine amtliche und professionelle statistische Erfassung dieses strukturellen Problems gibt. Zweitens darf es auch nicht sein, dass diese natürlich niemals vollzählig sein wird, weil auch der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser natürlich nur die Femizide zählen kann, die medial publik werden. Was ist denn mit den Femiziden, die niemals das Licht der medialen Welt erblicken?

 

Und warum ist das wichtig? Warum ist es wichtig, Femizide statistisch professionell zu zählen? Um Femizide und ihre Ursachen bekämpfen zu können, müssen sie eben statistisch sichtbar gemacht werden. Wir müssen ja wissen, worüber wir sprechen. Daher braucht es eine bundesweit einheitliche Definition des Begriffs und auch eine polizeiliche Erfassung in der Kriminalstatistik, welche auch über die aktuell gängigen Kategorisierungen hinausgeht.

 

Nur wenn Datenerhebungen Tätermotive im Bereich der Frauenmorde erfassen, kann das geschlechtsspezifische Phänomen der Femizide manifest gemacht und vor allen Dingen bekämpft werden. Deutschland etwa, um Beispiele zu bringen, hat das erkannt und erfasst Femizide seit 1. Jänner dieses Jahres ganz professionell. Spanien etwa hat das bereits seit 2004.

 

Deshalb bringe ich gemeinsam mit KollegInnen einen Antrag diesbezüglich ein, um die zuständigen Ministerinnen und Minister aufzufordern, diese statistische Erfassung vorzunehmen und im Bund auch entsprechende Folgerungen im Kampf gegen Männergewalt abzuleiten. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

 

In Wien haben wir bereits ein sehr engmaschiges Gewaltschutznetz. Ich habe es bereits erwähnt. Über Bewusstseinskampagnen, die wir gestartet haben, allein diese Woche wieder zum Thema K.O.-Tropfen, über die Aufstockung der Mittel für die Gewaltschutzvereine in Wien, über die Verdreifachung der Mittel für die Männerarbeit. Wir tun ganz, ganz viel.

 

Ich möchte aber eines auch dazusagen: Österreichs Gewaltschutzgesetze sind wirklich, wirklich gut. Österreich war da schon früh auch Vorreiter, aber wir müssen auf allen Ebenen einsehen, dass es da wirklich noch viel zu tun gibt. Uns muss bewusst werden, dass Gewalt nicht erst beim blauen Auge anfängt, das man bei der Nachbarin sieht, bei der Kollegin, bei der Freundin, sondern dass Gewalt schon viel, viel früher anfängt und dass Gewalt vor allen Dingen bedingt wird durch Frauenhass, durch tradierte Rollenzuschreibungen, durch Abhängigkeiten.

 

Hinter all dem steckt nämlich eine Gemeinsamkeit, nämlich, dass Frauen als minderwertig betrachtet werden, was sich wiederum in Ungleichheiten und in Unterdrückung bis zu Gewalt, bis hin zu Frauenmorden niederschlägt. All das hat einen Ursprung. Wir müssen nämlich auf allen Ebenen, wirklich auf allen Ebenen, und das ist mein großes Anliegen, unsere Anstrengungen dahin gehend erhöhen, um bereits genau diesen Ursprung der Probleme, genau diese Basis von Gewalt und all das, was ich gerade aufgezählt habe, nämlich Sexismus, Misogynie, Frauenhass und Frauenverachtung zu verhindern. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular