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Gemeinderat, 30. Sitzung vom 24.11.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 101 von 109

 

GR Nikolaus Kunrath (GRÜNE)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Lieber Herr Berichterstatter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hallo, liebe Zuseher vor dem Livestream, falls noch jemand zuschaut!

 

Ich habe mir lange überlegt, wie ich das mit der heutigen Rede zum Poststück 2 angehe, und die Situation ist jetzt noch ein bisschen verändert dadurch, dass sich die anderen RednerInnen streichen ließen.

 

Es geht hier um eine Unterstützung durch die Stadt, die seit vielen, vielen Jahren eine Selbstverständlichkeit ist. Damit wurde ursprünglich eine Organisation unterstützt, die ehemalige Verwundete aus dem Zweiten Weltkrieg versorgte. Dabei geht es um Opfer des Krieges, und zwar um Angehörige einer nicht-österreichischen Armee, nämlich der Deutschen Wehrmacht.

 

Heute arbeitet der Verein Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland zu einem guten Stück schon für andere Projekte. Er erhält eine finanzielle Unterstützung in der Höhe von 79.950 EUR, also von knapp 80.000 EUR. Heute gibt es aber auch andere Organisationen, die andere Kriegsopfer, andere Asylwerberinnen und Asylwerber, Vertriebenen aus der Ukraine unterstützen.

 

Geflüchtete sind in Wien und in Österreich kein Novum. Zwischen 1955 und 1957 waren es fast 200.000 Ungarinnen und Ungarn, nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 war die Situation ähnlich, ebenso auch in der Folge der Ereignisse im Dezember 1981, als Jaruzelski in Polen das Kriegsrecht erklärte. Wenn heute 100 bis 300 neu ankommende Geflüchtete pro Tag registriert werden, so liegt diese Zahl etwa in einer Größenordnung wie in den 90er Jahren des vorigen Jahrtausends, als am Balkan ein fürchterlicher Krieg begann. - Dazu komme ich aber später noch.

 

Übrigens zur Beruhigung für Herrn Maximilian Krauss, der gestern gemäß seinen Ausführungen sogar Menschen mit Migrationshintergrund die Mindestsicherung verweigern wollte. Darauf erwidere ich: 1880 lebten mehr Menschen mit einem anderen Geburtsort als Wien hier. (GR Wolfgang Irschik: Das war das alte Österreich!) Es waren mehr als 60 Prozent, und sie stammten damals oft aus Ost- und Südosturopa. (GR Wolfgang Irschik: Das waren Österreicher!) Heute sind es ungefähr die Hälfte bei sehr ähnlichen EinwohnerInnenzahlen.

 

Österreich und Wien haben in der Vergangenheit nie weggesehen, wenn es um Verantwortung betreffend Erhaltung der Menschenrechte ging. Heute sind die Travniczeks, Svobodas und Personen mit ähnlichen Namen Teil unserer kulturellen Vielfalt. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ - Das ist der Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Es geht hier aber nicht nur um Rechte, sondern es wird die Menschenwürde ausdrücklich erwähnt. Im Bereich von Flucht und Asyl geht es demnach nicht nur darum, eine Unterbringung zu gewährleisten, sondern diese auch menschenwürdig zu gestalten, und Zelte gehören nicht dazu.

 

Als besonders vulnerable Gruppen verdienen Geflüchtete Schutz, rasche Hilfe, Stabilität und psychologische Betreuung. GRin Nicole Berger-Krotsch weiß, wovon ich spreche. Sie und ich sind ja bei Hemayat sehr engagierte KollegInnen, und ich bin so dankbar für die Arbeit, die du dort leistest!

 

Aktuell werden Menschen, die Schutz suchen und diese Unterstützung brauchen, in der alten WU untergebracht. Der Unterbringungsstandort ist weit entfernt von dem, was Würde bedeutet. Es gibt keinen persönlichen Raum, Bett steht an Bett. Dafür brauchen wir dringend viel mehr kleinere Wohnungseinheiten und eine Verbesserung innerhalb der Organisationen. Zusätzlich ist es essenziell und wichtig, bei der Belegung auf Herkunft und Kultur zu achten. So haben Menschen unterschiedlicher Herkunft auch im Hinblick auf das Erlebte verschiedene Bedürfnisse.

 

Wien nimmt bereits heute oftmals eine Vorreiterrolle gegenüber anderen Bundesländern ein, auch und vor allem bei der Unterstützung von NGOs. Und die NGOs in Wien, die in diesem Bereich tätig sind, sind ganz wichtige Faktoren. NGOs sollten aber nicht Bittstellerinnen sein, sondern als Partnerinnen gegenüber der Stadt auftreten können, denn sie sind das Bindeglied und die Stütze der Stadt. Es ist daher wichtig, Verantwortung gegenüber Geflüchteten und betreffend deren menschenwürdige Unterbringung und Versorgung zu übernehmen, das war damals in den vorher skizzierten Situationen so, und das gilt auch heute.

 

Wie verhält es sich mit dieser selbstverständlichen Unterstützung von nicht ganz 80.000 EUR, wie sie der Kriegsopfer- und Behindertenverband bekommt? Im Hinblick darauf stellen wir folgenden Beschlussantrag: Der Wiener Gemeinderat ersucht die Amtsführenden Stadträte für Soziales, Gesundheit und Sport, für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Internationales und Wiener Stadtwerke und für Bildung, Jugend, Integration und Transparenz, alle notwendigen Maßnahmen zu setzen beziehungsweise in Auftrag zu geben, mit denen menschenwürdige Unterkünfte für Asylsuchende in Wien gewährleistet werden und die in diesem Bereich arbeitenden NGOs so weit finanziell abgesichert werden, dass eine adäquate Betreuung von Geflüchteten langfristig möglich ist. (Beifall bei den grünen.)

 

Wie vorhin erwähnt, möchte ich nochmals auf den sogenannten Balkankrieg zu sprechen kommen. Es war dies ein Krieg wie alle Kriege, aber noch um eine Spur grausamer, weil persönliche Nachbarn, die sich vorher gut verstanden hatten, plötzlich aufeinander schossen. Ein furchtbares Beispiel dieser Grausamkeiten war zwischen dem 11. und 19. Juli 1995 in der Stadt Srebrenica in Bosnien-Herzegowina der Mord an mehr als 8.000 Menschen überwiegend zwischen 13 und 78 Jahren durchgeführt. Das jüngste Opfer war laut Berichten ein weiblicher Säugling.

 

Weil mich schon viele gefragt haben: Ich trage heute diese Blume von Srebrenica als Symbol und aus Respekt für die tausenden Opfer. Noch immer werden Menschen identifiziert. Heuer waren es 48 Männer, die man erkannt hat. Und ich danke Kollegin Dolores Bures ... (Zwischenrufe und Heiterkeit bei der SPÖ.) Entschuldigung! Ich danke dir, liebe Kollegin Dolores Bakos, dass du heuer bei den Gedenkfeiern am 11. Juli im Srebrenica mit warst und

 

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