Gemeinderat, 34. Sitzung vom 27.01.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 33 von 37
dieser Stadt. Das tut mir wahnsinnig leid. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Wir haben mehrere Missstände. Ich werde jetzt viel über die MA 11 reden, aber einleitend möchte ich schon sagen: Sie haben zwar den Kinderschutz etabliert, gesetzlich verankert, aber leider gibt es keine Finanzierung für diesen Kinderschutz, den Sie gesetzlich verankert haben. Das heißt, Vereine und Organisationen werden damit im Regen stehen gelassen, wie sie diesen Kinderschutz umsetzen sollen, und letztlich werden damit die Kinder und ihre Eltern im Regen stehen gelassen. Es gibt nämlich dadurch keinen Kinderschutz in Wien. Es tut mir auch wahnsinnig leid, Herr Wiederkehr.
Die Kinder- und Jugendhilfe hat schon im Juni 2022 an den Vizebürgermeister gemeldet, dass auf Grund des Personalnotstandes der gesetzliche Auftrag des Kinderschutzes nicht mehr im vollen Umfang gewährleistet werden kann. Das war im Juni 2022. Die Gewerkschaft hat gemeldet, dass 42 Vollzeitstellen an den Regionalstellen unbesetzt sind. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft meldet eine Überlastung der Krisenzentren und der sozialpädagogischen WGs und damit eine Gesamtüberlastung des Personals.
Diese alarmierenden Berichte sollten eigentlich die rot-pinke Stadtregierung zu einem schnellen Handeln bewegen, doch VBgm Wiederkehr beteuert weiterhin, dass alles in geordneten Bahnen verläuft. In Wirklichkeit, lieber Herr StR Wiederkehr, brennt es in der Kinder- und Jugendhilfe. Es ist ein Missstand, der die Alarmglocken klingeln lassen sollte. Und was passiert? - Bisher nichts.
Es braucht dringend eine Personaloffensive, es braucht eine Attraktivierung der Arbeitsplätze der Kinder- und Jugendhilfe und massive Entlastung des Personals. Es braucht dringend eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Es braucht eine Aufstockung des Personals und es braucht zumindest 42 neue Vollzeitäquivalente. Außerdem sollten die Nachtstunden eins zu eins abgegolten werden, was bisher nicht der Fall ist, und es gibt derzeit auch weder Wochenend- noch Feiertagszulagen. Wir fordern weiters, dass die Rufbereitschaft in den Kinder- und Krisenzentren bezahlt wird, auch das findet nicht statt.
Wir sehen vor uns, dass in den Krisenzentren der Stadt Wien nicht 8 Kinder, sondern 14 Kinder versorgt werden. Was macht so ein Sozialarbeiter, der alleine dasteht, wenn ein Kind in der Nacht ins Krankenhaus gebracht werden muss? Das Kind kommt entweder nicht ins Krankenhaus oder die acht anderen Kinder bleiben alleine. Das geht so nicht weiter, das ist ein Versagen der Obsorge der Stadt Wien. (Beifall bei GRÜNEN und ÖVP.)
Nur ausreichend zeitliche und personelle Ressourcen sind ein Garant für die Einhaltung der Kinderrechte in den Einrichtungen der MA 11. Es darf nicht sein, dass SozialarbeiterInnen abwägen müssen, ob die Belastung der Kinder innerhalb der Krisenzentren höher ist oder in der Herkunftsfamilie, wo womöglich das Kindeswohl nicht gewahrt werden kann. Es ist ein Versagen, dass Sie die Kinderrechte nicht einhalten und das Wohl der Kinder in dieser Stadt nicht sicherstellen können. Das alles liegt an Unterfinanzierung, Personalnotstand und Überbelastung der SozialarbeiterInnen und der anderen Beamten, die dort arbeiten.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der MA 11 sehr bedanken, die sich trotz dieser Missstände täglich bemühen, die Fürsorge der Kinder zu gewährleisten. Herzlichen Dank an dieser Stelle! (Beifall bei GRÜNEN und ÖVP.)
Die Situation kennen wir, wir haben das schon öfter in mehreren Berichten der Kinder- und Jugendanwaltschaft, des Stadtrechnungshofes, der Volksanwaltschaft gehört, aber es ist leider nicht besser geworden. Im Oktober 22 waren es noch immer 6 Vollzeitäquivalente, die im Bereich soziale Arbeit gefehlt haben, und 30 Vollzeitäquivalente, die im Bereich Sozialpädagogik gefehlt haben. Die vakanten Stellen in den Regionalstellen, in den WGs, in den Krisenzentren sind nicht nachbesetzt worden. Das sind 43,8 Prozent der Vollzeitäquivalente, die nicht nachbesetzt werden konnten. Das ist zu viel und das kann keine Arbeit sicherstellen, da kann kein Präventionsschutz mehr stattfinden. Das ist einfach eine Katastrophe für die Stadt und für die Kinder, die es am notwendigsten brauchen, nämlich die Kinder, die in Obsorge der Stadt Wien versorgt werden sollten.
Es heißt, dass bei vielen Kindern, die in destruktiven Verhältnissen leben, nicht sichergestellt werden kann, dass die Abnahme durch die Stadt Wien ihnen ein besseres Leben gewährt als das, das sie in ihrer Familie eigentlich haben. Das ist wirklich eine dramatische Diagnose für diese Stadt. So darf es nicht weitergehen, und das ist auch ein Versagen von Ihnen, Herr Stadtrat, auch wenn Sie jetzt nicht zuhören. Ich weiß, Sie unterhalten sich jetzt mit Herrn Czernohorszky, den das vielleicht auch trifft, weil das auch auf seine Vorarbeit zurückzuführen ist. Ich fürchte, dass wir aber trotzdem an dem Punkt sind, dass wir über langfristigen Kinderschutz, langfristige Prävention und einen Ausbau der Frühen Hilfen in dieser Stadt reden müssen. Auch der ist bis jetzt nicht gewährleistet worden, auch bis jetzt gibt es kein Konzept, wie die Frühen Hilfen auf die ganze Stadt ausgebaut werden können. Das ist eine Katastrophe! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Langfristig muss mehr Geld in den Bereich des Kinderschutzes und in die Jugendhilfe hinein. Das wissen Sie, und das sagen alle kontrollierenden Organe. Es wäre dringend angesagt, dass der Herr Stadtrat endlich reagiert. Schaffen Sie Strukturen, schaffen Sie strukturelle Verbesserungen, schaffen Sie finanzielle Anreize, um so mehr sozial engagiertes Personal zu motivieren und vor allem zu längerem Bleiben zu motivieren. Kümmern Sie sich endlich um einen Ausbau der Frühen Hilfe. Es braucht strukturelle Verbesserungen für das Personal, die 35-Stunden-Woche, bezahlte Rufbereitschaften, größere Teams, keine Einzeldienste, mehr Springerinnen und Springer und eine verpflichtende Rechtsberatung für Eltern und Familien, die im Abnahmeprozess mit der MA 11 stehen. Die ist bis jetzt auch nicht mehrsprachig, das ist eine Katastrophe.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Hiermit muss ich Ihnen leider das Misstrauen aussprechen, auch wenn Sie nicht zuhören, Herr StR Wiederkehr. (Beifall bei GRÜNEN und ÖVP.)
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