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Gemeinderat, 36. Sitzung vom 23.03.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 91 von 95

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als nächste Rednerin hat sich Frau GRin Spielmann zu Wort gemeldet. Sie sind am Wort.

 

18.51.35

GRin Viktoria Spielmann, BA (GRÜNE)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Stadträtin und Vizebürgermeisterin!

 

Jetzt muss ich doch ein paar Sätze zur FPÖ verlieren, nichts gegen Sie persönlich, Frau Matiasek, aber dass sich die FPÖ hier hinstellt und immer wieder betont, wie wichtig nicht der Gewaltschutz wäre, und da, wo Sie in Regierungsverantwortung waren, haben Sie Mittel genau in diesem Bereich gekürzt. Ich rede da von Oberösterreich, ich rede von der türkis-blauen Bundesregierung, da haben Sie die Mittel gekürzt. Und sich jetzt hinzustellen und zu sagen, der Gewaltschutz ist ja so wichtig, das ist wirklich erstaunlich und das verstehe ich auch nicht. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Wenn Sie was zum Thema Gewaltschutz sagen, ist es meistens, um Rassismus und Hetze zu bedienen. Und nein, zum 100.000. Mal, Gewalt an Frauen ist kein Problem der Einwanderungsgesellschaft (GRin Veronika Matiasek: Aber geh!), sondern ist ein zutiefst strukturelles, universelles Problem. Es ist ein Männlichkeitsproblem und es ist ein Problem des Patriarchats. Und das betrifft alle Gesellschaften überall. (GR Wolfgang Irschik: 40 Prozent Ausländer bei Gewalttaten!)

 

Um vielleicht wieder einmal zur Sachlichkeit zurückzukommen, wir sprechen heute über Women Against Violence. Das ist ein sehr, sehr sinnvolles Netzwerk und wir unterstützen natürlich die Förderung dieses Netzwerkes. Ich möchte aber auch im Frauenmonat März die Gelegenheit nützen, um natürlich ein paar Worte zum Bereich, der sehr wichtig ist in der Frauenpolitik, Gewaltschutz und Gewaltprävention zu verlieren. Und vielleicht auch noch einmal, was ist WAVE: WAVE ist ein Netzwerk, also Women Against Violence Europe, das sich für die Menschenrechte von Frauen und Kindern einsetzt und sie vertritt, im Besonderen gegen geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und Kinder kämpft und versucht, diese Gewalt auch zu verhindern. Und das nicht nur in Wien, wo sie den Hauptsitz haben, sondern auch in ganz Europa und auch international. Es besteht aus 160 Mitgliederorganisationen aus 46 europäischen Ländern. Und wir GRÜNE möchten uns ganz herzlich bedanken bei Women Against Violence, dass sie sich auf europäischer Ebene sehr stark dafür machen, denn Gewalt gegen Frauen kennt keine nationalstaatlichen Grenzen. Es ist ein globales Problem und das zeigt sich gerade anhand der Problemstellungen im Iran oder in Afghanistan. Aber dazu wird dann später meine Kollegin Berivan Aslan sprechen und auch noch einen Antrag einbringen, der von vielen Fraktionen getragen wird. Das freut mich auch sehr.

 

Ich möchte nichtsdestotrotz auch auf die österreichische Lage beziehungsweise auf die Lage in Wien eingehen, wenn es um Gewaltschutz geht, und auch erklären, warum wir diesen Antrag heute hier einbringen. Gewalt gegen Frauen findet hauptsächlich im Privaten statt, das haben wir vorher auch schon gehört, aber das Private ist natürlich auch politisch, denn die Auswirkungen, die diese patriarchale Gewalt auf die Gesellschaft hat, gehen uns alle an. Und vor allen Dingen betreffen sie so gut wie jede Frau in Österreich. Es gibt die neue Statistik-Austria-Studie aus 2021, die zeigt, dass mittlerweile jede 3. Frau von Gewalt betroffen ist. Bei den alten Daten war es jede 5., jetzt ist es mittlerweile jede 3. Frau ab dem 15. Lebensjahr, die körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt, und fast jede 6. Frau im Erwachsenenalter bekommt Androhungen von körperlicher Gewalt. Also, ich denke mir, das zeigt das unfassbare Ausmaß dieser Gewalt auf und es zeigt auch, dass es eben nicht nur ein individuelles Problem ist.

 

Die Gründe dieser Gewalt liegen auf der Hand. Männer verfügen über Frauen und fügen ihnen Gewalt zu oder töten sie, um Macht und Kontrolle auszuüben, um Macht und Kontrolle über die Frauen auszuüben. Die Täter stehen in den allermeisten Fällen den Frauen sehr nahe, es sind Partner, es sind Ehemänner, es sind Väter, es sind Ex-Partner, es sind männliche Verwandte oder Bekannte. In dieser toxisch männlichen Vorstellung werden Frauen eben als Eigentum gesehen, auf die niemand anderer sonst Zugriff haben soll, außer dem Täter selbst.

 

Die extremste Form der patriarchalen Gewalt sind Femizide, also Frauenmorde. Das neue Jahr ist noch sehr, sehr jung, aber wir verzeichnen leider schon wieder 6 Femizide, und 20 - das muss man immer dazusagen - versuchte Femizide. Wir sind in der Kalenderwoche 12. Und das bedeutet, dass alle zwei Wochen ein Mann eine Frau tötet, weil sie eine Frau ist. Jede Woche werden in Österreich ein bis zwei versuchte Femizide verübt. Bisher 20 eben in der Summe. Letztes Jahr waren es 28 Femizide, davon rund ein Drittel in Wien. Was mich auch besonders schockiert ist, dass - wir haben ja die neuen Zahlen von der Wiener Interventionsstelle bekommen - es bei den polizeilichen Betretungs- und Annäherungsverboten bei den Zahlen von 2020 auf 2021 einen Anstieg um 26 Prozent gab. Also 26 Prozent mehr Fälle bei der Wiener Interventionsstelle. Und das ist etwas, wo wir sagen müssen, wir müssen wirklich jede Form der Gewalt an Frauen bekämpfen und wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, damit diese Gewalt endlich aufhört. Deswegen bringen wir eben heute diesen Antrag ein.

 

Ja, Wien hat ein gutfunktionierendes dichtes Gewaltschutznetz, das in den etablierten Formen von Gewaltprävention und Gewaltschutz gut dotiert und ausgebaut ist. Es wurde soeben das fünfte Frauenhaus eröffnet, und es ist erfreulich, dass auch die Männerberatung für den Ausbau der Täterarbeit erstmalig von der Stadt Wien auch noch einmal mehr unterstützt wird. Aber der Blick über den Tellerrand zeigt schon sehr deutlich auch in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Großbritannien, Norwegen und in den Niederlanden, die die Gewaltschutz- und Gewaltpräventionsangebote zunehmend diversifiziert haben, dass es auch darum geht, die Angebote verschiedenster Beratungs- und Begleitungsformen anzupassen. Das bringt den Vorteil, dass die Betroffenen und die Täter in ihren jeweiligen Lebensrealitäten ganz individuell adressiert und abgeholt werden können. Und damit steigt eben auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich langfristige und nachhaltige Verbesserungen und Lösungen für die betroffenen Täter erwirken lassen. ExpertInnen aus dem Bereich Gewaltprävention und Gewaltschutz haben in der

 

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