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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 22.11.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 91

 

Was heißt das? Ich gebe ein paar Beispiele. Das heißt, wirklich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf voranzutreiben, das nicht als hohle Phrasendrescherei einfach nur so vor sich hinzusagen, sondern wirklich die politischen Rahmenbedingungen zu schaffen, dass ich als Frau, als Partnerin auf Augenhöhe in dieser Partnerschaft fungieren kann, dass ich nicht - wenn ich zum Beispiel ein Kind bekomme - als Bittstellerin dastehe, sondern dass tatsächlich die Kinderbetreuung ausgebaut wird, dass auch die Väter, auch die Männer in die Verantwortung genommen werden, zum Beispiel bei Karenzen.

 

Dass es aber auch endlich zum verpflichtenden, zum automatischen Pensions-Splitting kommt, damit Pensionszeiten selbstverständlich fair und gerecht aufgeteilt werden, weil es eine Frage der Fairness ist, von Anfang an. Das heißt aber auch: Körperliche, sexuelle Selbstbestimmung nicht zu einer ideologischen Frage zu machen, sondern klipp und klar klarzustellen, Frauen gehört ihr Körper und niemandem sonst auf dieser Welt, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

Das bedeutet vor allen Dingen auch: Schluss mit veralteten Rollenbildern, mit festgefahrenen Stereotypen, auf deren Nährboden diskriminierende Machtausübung, sexistisches Verhalten gärt, denn dafür darf in unserer Gesellschaft kein Platz sein. Diese drei Punkte bedenkend, möchte ich mit einem Apell schließen, der in meinen Augen die größte Gefahr beschreibt, nämlich: Lassen wir niemals zu, dass genau das, was ich gerade beschrieben habe, Normalität wird. Lassen wir nicht zu, dass wir angesichts der wöchentlichen Fälle, die wir auch in den Medien lesen, angesichts der vielen Femizide, die leider passieren und vonstattengehen in diesem Land, dass wir da abstumpfen und es als etwas Gewöhnliches abtun. Lassen wir nicht zu, dass so getan wird, dass man einfach schlicht dagegen nichts tun könnte, denn für Nadine W. ist es leider zu spät. Aber für viele, viele Frauen nicht, behalten wir das immer im Hinterkopf, vielen Dank. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Spielmann, BA, und ich erteile es ihr. Bitte, Frau Gemeinderätin.

 

10.51.54

GRin Viktoria Spielmann, BA (GRÜNE)|: Liebe Frau Vorsitzende, liebe Frau Vizebürgermeisterin und Stadträtin, liebe Kolleginnen und Kollegen und lieber ZuseherInnen vor dem Livestream!

 

Ich fand den Anfang der Aktuellen Stunde eigentlich recht gut, weil sichtbar wurde, dass es einen gemeinsamen Schulterschluss gegen Gewalt an Frauen gibt. Leider hat die FPÖ in ihrer Wortmeldung sofort wieder alles zerstört in der Hinsicht (Zwischenruf bei der FPÖ: Alles zerstört?!), weil es einfach ein Wahnsinn ist - und Sie sollten sich wirklich schämen, dieses wichtige Thema ständig für ihre rassistische Politik zu instrumentalisieren. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Ganz generell, Frau Nittmann, eine Partei, die zum Beispiel davon spricht, wie die FPÖ-Amstetten, dass Frauenhäuser ja Familien zerstören würden, sollten vielleicht zu dem Thema besser schweigen. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS.)

 

„Die Mauern eines Hauses sind eher ein Hindernis für eine Frau als ein Schutz.“ - dieses Zitat stammt von Clara Zetkin und es ist zwar schon über 100 Jahre alt, aber es hat an Aktualität leider nichts eingebüßt. Das Zitat bringt doch relativ gut auf den Punkt, was jede von Gewalt betroffene Frau weiß und wo alle ExpertInnen sich wirklich einig sind, nämlich, dass die Gewalt an Frauen zwar im Privaten passiert, aber keine Privatsache ist, sondern eine der größten Menschenrechtsverletzungen. Die eigenen vier Wände sind leider nach wie vor oft der gefährlichste Ort für Frauen.

 

In 3 Tagen begehen wir zum insgesamt 42. Mal den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, er startet am 25.11. und geht bis zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10.12. Und diese 16 Tage sind deshalb so wichtig, weil wir auf dieses extreme Ausmaß der Gewalt hinweisen müssen, und Gewalt gegen Frauen ist leider - wie wir ja schon gehört haben - allgegenwärtig und betrifft so gut wie jede Frau und jedes Mädchen, und wenn nicht direkt, dann im Umfeld, also auch hier. Wenn wir sagen, jede 3. Frau in Österreich ist von Gewalt betroffen, dann ist auch jede 3. Frau von 100 Abgeordneten oder von 50 Abgeordneten hier betroffen, und es ist doch ein Ausmaß, finde ich, das sehr gut zeigt, wie schlimm und wie strukturell dieses Problem leider ist. Alleine dieses Jahr haben wir 25 Femizide zu betrauern und 29 Frauenmordversuche. Das heißt, jede zweite Woche schafft es ein Mann, eine Frau umzubringen, und jede zweite Woche führt es dazu, dass Frauenleben ausgelöscht werden, dass Mütter ermordet werden, dass Kinder darunter leiden, und es ist eine extreme Menschenrechtsverletzung, und wir müssen wirklich auf allen Ebenen, wurscht, ob im Grätzl, auf Bundesebene oder auf Stadt-Wien-Ebene alles tun, um diese Gewalt endlich zu verhindern und zu beenden, liebe KollegInnen. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS.)

 

Wir müssen natürlich auch darüber sprechen, wer diese Gewalt ausübt. Das sind im allermeisten Fall Männer, und das sind vor allen Dingen Männer, die den Frauen nahestehen oder ihnen einmal nahegestanden sind. Womit Frauen leider immer wieder konfrontiert sind, wenn sie über diese Gewalt sprechen oder versuchen, sich dagegen zu wehren, ist diese ganz, ganz unsägliche Täter-Opfer-Umkehr. Mir ist auch hier wichtig, im Gemeinderat darauf hinzuweisen, dass es einfach nicht sein kann, dass, wenn sich Frauen öffentlich zum Beispiel dagegen wehren, jedes Mal wieder diese Schuldumkehr passiert. Dass ihnen gesagt wird: Na ja, du hattest halt einen zu kurzen Rock an, du hattest so einen tiefen Ausschnitt. Oder: Na ja, sie ist ja backstage gegangen, was erwarten sich die Frauen eigentlich. Da muss man wirklich mit aller Klarheit sagen: Wir Frauen erwarten uns zu jedem Zeitpunkt, egal, was wir anhaben, egal, wo wir sind, egal, welches Geschlecht wir haben, wir erwarten uns ein Recht auf ein gewaltfreies Leben, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS.)

 

Zum Ende möchte ich mich noch einmal bedanken für die gute überparteiliche Zusammenarbeit in diesem Feld, und ich bin auch froh, dass wir dieses Jahr wieder die Fahne hissen am Rathaus. Trotzdem möchte ich immer

 

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