Gemeinderat, 56. Sitzung vom 26.06.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 79 von 104
schichte von Paris nicht entgehen lassen. Denn die Vorgeschichte von Paris ist, dass man relativ lang dabei zugeschaut hat, wie in dieser Stadt immer mehr und mehr Individualverkehr relativ ungeregelt unterwegs war und irgendwann einfach kein Platz mehr war.
Das ist auch genau das, was ich an der einen oder anderen Aussage des parteilosen Kollegen Kieslich heute kritisieren muss. Wenn diese Stadt hier nicht steuert und sich die Möglichkeit der Verkehrsplanung nimmt, dann haben wir im „worst case“ 1,65 Millionen Autos in der Stadt. Denn das ist zirka die Anzahl der Erwachsenen hier. Dann schaue ich mir an, wie wir hier einen guten Verkehrsfluss sicherstellen. - Sie brauchen jetzt nicht zu gehen (in Richtung des den Saal verlassenden GR Wolfgang Kieslich), Sie können noch zuhören. - Momentan haben wir hier nämlich eine gute Wiener Lösung, einen Ausgleich und eine Balance zwischen den unterschiedlichen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern. Das ist, woran unsere Frau Stadträtin und die gesamte Mannschaft momentan arbeiten. Wir haben mittlerweile nicht mehr 650.000 Autos wie vor 10 Jahren, sondern 725.000 Autos. Das ist ein Anstieg. Gleichzeitig haben wir einen Anstieg bei den öffentlichen VerkehrsteilnehmerInnen, wir haben einen Anstieg bei den Fußgängerinnen und Fußgängern.
Wie wir vorhin schon gesagt haben: Der Modal-Split von 24 Prozent Auto- und 76 Prozent nicht motorisiertem Individualverkehr ist zirka die „range“, die wir halten beziehungsweise sogar noch verbessern wollen, damit wir in der Stadt weniger Emissionen und Feinstaub haben. Was heißt das für jeden Einzelnen von uns? Ich bin Autofahrer, ich bin Motorradfahrer, ich bin Radfahrer, ich bin Fußgänger und ich bin Öffi-Fahrer. Dass ich mir jeden Tag in der Früh überlege, wie ich in die Arbeit komme, und das unterschiedlich mache, indem ich an gewissen Tagen mit dem Auto und an anderen Tagen mit dem Rad fahre - und das nicht so wie der arme Herr Kollege Mahdalik nur am Stadtrand auf dem Fahrradstreifen, wie es das vorhin im Schmäh geheißen hat, sondern ich überlege mir: Wie komme ich heute zu meinem Termin? Ich glaube, das ist, was wir uns gegenseitig abverlangen können: Dass wir nicht mehr einen motorisierten Individualverkehr ins Zentrum dieses Geschehens setzen, sondern eine individuelle Entscheidung darüber, wie man seinen Beitrag in dieser Stadt leistet.
1,65 Millionen Autos wird es nicht spielen, denn dann sind wir genau bei den Verhältnissen von Paris, London, München, Berlin und zahlreichen anderen Städten, die irgendwann einmal die Handbremse haben ziehen müssen, weil kein Platz mehr war, weil die Emissionen zu hoch waren und weil die Feinstaubbelastung zu hoch war. Genau auf diesen Ausgleich sind wird als Sozialdemokratie aus: Von Liesing - weil ich gerade hinschaue (in Richtung SPÖ) - bis zur Donaustadt. Dazwischen liegt ein Bezirk wie Meidling, der sowohl einen dicht bebauten Bereich als auch am Stadtrand Richtung Liesing einen weniger dicht verbauten Bereich hat. Ich glaube, wenn wir diese Verantwortung hier weiter wahrnehmen wollen, heißt das, dass wir uns eben die unterschiedlichen Bereiche anschauen.
Nehmen wir uns noch kurz, Herr Juraczka, die Krottenbachstraße her! Einen Teil haben Sie uns erzählt, einen Teil haben Sie aber ausgelassen, nämlich den Teil, dass der Herr Bezirksvorsteher von der ÖVP in seinem Bezirksparlament offenbar keine Mehrheit für einen Fahrradweg hatte und alle Bezirksfraktionen rundherum gesagt haben: Ja, das ist eine sinnvolle Idee. Denn was haben wir jetzt? Wir haben in Wahrheit einen Lückenschluss vom Gürtel bis hinauf zu den Heurigen. (GR Mag. Manfred Juraczka: Den hätte es mit der Hutweidengasse auch gegeben!) Bei diesen ganzen Plädoyers - wir wollen die heimische Wirtschaft stärken, wir wollen unsere Wirtshäuser stärken, wir wollen unsere Heurigen stärken - bin ich sofort dafür. Denn wenn ich nämlich mit dem Rad dort hinkomme, kann ich dort auch in Ruhe um 0,3 Promille, glaube ich, mehr Spritzer trinken - um das jetzt auch noch mit ein bisschen Spaß zu nehmen. (GR Mag. Manfred Juraczka - erheitert: Alles richtig! Aufpassen auf …)
Worauf will ich hinaus? Hier hat einfach der gelebte Parlamentarismus zugeschlagen, auf den wir ja, glaube ich, gemeinsam stolz sind, und der eigene Bezirksvorsteher hatte keine Mehrheit. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Im Nachhinein haben Sie dann zum Boykott oder zu sonst etwas aufgerufen. Das kann man alles machen und ist auch Teil des politischen Spiels. Das haben Sie aber vorhin in der Erklärung einfach ausgelassen.
Ich möchte noch einmal auf den Punkt kommen, dass wir diesen Modal-Split, der hier ist, noch weiter ausweiten wollen - aber vernünftig und ruhig, Schritt für Schritt: Durch Investitionen in der ganzen Stadt, durch Lückenschlüsse überall, durch den Öffi-Ausbau, um nicht nur von der U5 zu reden, sondern auch vom Modernisierungspaket für die Straßenbahnlinien und Buslinien. Genau das heißt, Verantwortung für die Stadt zu übernehmen.
Wenn ich mir jetzt nämlich auch noch die Statistik Austria hernehme und mir anschaue, wo beispielsweise die Zulassungsraten der jungen Erwachsenen massiv ansteigen, dann ist das eigentlich nur in den ländlichen Regionen, wo es keinen öffentlichen Verkehr gibt und wo es - außer am halben Pannenstreifen der Schnellstraße - keine vernünftige Möglichkeit des Radfahrens gibt. Wir haben in der Stadt bei den jungen Erwachsenen Zulassungsraten von unter 10, unter 20 Prozent. In Wien sind es unter 10 Prozent, in Graz sind es unter 15 Prozent. Das heißt, was wir hier als Angebot liefern, ist ein enormer Kraftakt der letzten 5, 10, 15 und 20 Jahre. Gerade die Randbezirke waren anfänglich massiv davon betroffen, sowohl bei den Radfahranlagen als auch beispielsweise bei der U-Bahn noch keinen Lückenschluss zu haben. Das kann ich behaupten, weil ich aus Siebenhirten komme. Das heißt, ich kenne die Zeit, als es dort noch keine U-Bahn gegeben hat. Was wir aber jetzt sehen, ist, dass die Bemühungen der Stadt Wien der letzten Jahrzehnte gegriffen haben und die jungen Leute nicht mehr darauf angewiesen sind, sich ein Auto kaufen zu müssen. Aus Umfragen wissen wir, dass ganz viele junge Leute sogar der Ansicht sind, das sei eine Belastung, und sich gern Autos teilen. Damit kommen wir wieder dort hin, wo wir es brauchen - ein vernünftiger Modal-Split.
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