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Gemeinderat, 56. Sitzung vom 27.06.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 113

 

Ich habe jetzt ein bissel einen Themenwechsel, es geht wieder um Jugendhilfe, auch das hat mit Menschenrechten zu tun, aber ein bisschen in einem anderen Zusammenhang. Jedes Kind ist gleich viel wert, ist Ihr Slogan, und ich würde noch lieber sagen, jedes Kind verdient eine sichere Umgebung zum Aufwachsen. Darum sollen wir uns in dieser Stadt kümmern und darum, wie das am besten geht. Wir wollen ja, dass allen Kindern möglichst gleiche Chancen gewährt werden, viele haben schon am Start schwierige Voraussetzungen, viele benötigen spezielle Hilfe oder können nicht bei ihren Eltern leben. Und genau hier übernimmt die Stadt Wien an sich die Obsorge. Sie geht in Verantwortung, damit diesen Kindern dann ein guter Start ermöglicht werden kann. Und das heißt in vielen Fällen, die Kinder werden abgenommen, das heißt, sie müssen aus der Familie weg. Aber leider sind die Zustände in den Krisen-WGs und auch in den WGs langfristig nicht verbessert worden. Ich habe hier sogar geschrieben, katastrophal, soweit würde ich nicht gehen, aber wenn wir die Berichte aus dem Rechnungshof und der Kinder- und Jugendanwaltschaft hören, dann wissen wir, es ist extrem viel zu tun.

 

Alle MitarbeiterInnen sind bemüht und trotzdem sind sie in einer ständigen Überforderung durch die strukturellen Mängel. An dieser Stelle möchte ich mich wirklich ganz deutlich bedanken bei allen MitarbeiterInnen in der Sozialarbeit, bei allen SozialpädagogInnen, bei allen Betreuungs- und Kontaktpersonen, die im Rahmen der MA 11 und im Rahmen des Unterstützungssystems rundherum sich täglich anstrengen, damit es diesen Kindern besonders gut geht oder besser geht. Ich hoffe, Sie haben noch einen Applaus für die übrig, denn die arbeiten rund um die Uhr dafür. (Beifall bei GRÜNEN und NEOS.)

 

Ein Bild, das sich leider nicht verbessert hat: Nach wie vor sind die Krisen-WGs überbelegt. Das 13. Kind liegt auf der Matratze am Boden, hören wir aus den Controlling-Stellen, an einer Stelle, wo eigentlich nur 8 Kinder betreut werden sollen. Das hat sich im Jahr 2023 leider nicht geändert. Kleinkinder landen in WGs, weil es zu wenige Krisen- und Pflegeeltern gibt. Seit Jahren ist dieser Umstand bekannt. Alle Anreizmodelle haben bisher leider nur mäßigen Erfolg.

 

Eine Anstellung für Pflegeeltern war ein Versuch. Das klingt auch ganz gut. Allerdings sind 1.500 EUR im Monat für einen 24/7-Job, der auch noch emotional extrem herausfordernd ist, leidlich schlecht bezahlt. Im Grunde kann man schon heute ablesen, dass die Frauen, die eine Anstellung als Pflegemutter annehmen - es sind meistens Frauen, die das machen -, letztlich in Altersarmut landen werden, wenn sie 1.500 EUR im Monat verdienen. So werden Sie die Armutsspirale nicht auflösen können.

 

Das aktuelle Modell der Unterstützung richtet sich in Bezug auf Pflegeeltern vor allem an gutbürgerliche, finanziell abgesicherte Personen, die bereit sind, sich für Kinder zu engagieren. Wien verlässt sich im Bereich der Pflegeeltern im großen Stil auf Selbstlosigkeit und Ehrenamt. Danke an alle, die das machen. Es ist ein wichtiger Dienst an der Gemeinschaft, aber es ist zu wenig, wenn wir die betroffenen Kinder aus der Armutsspirale herausholen wollen. Wenn wir sie befreien wollen und eine gute Zukunft für alle Kinder in dieser Stadt wollen, dann müssen wir eine strukturell besser verankerte Fürsorge haben.

 

Echte Solidarität in der Gesellschaft und echte gemeinsame Fürsorge für die, die es schwierig haben, müssen nicht nur strukturell verankert, sondern auch finanziell ordentlich ausgestattet werden. Da ist noch Luft nach oben, wie schon Kollegin Emmerling vorhin gesagt hat. Langfristig muss mehr Geld in den Kinderschutz und in die Jugendhilfe hinein. Das wissen Sie alle. Das wissen alle kontrollierenden Organe. Das hören wir jedes Jahr vom Rechnungshof und von der Kinder- und Jugendanwaltschaft. Es wäre dringend angesagt, dass Sie, Herr Stadtrat (in Richtung VBgm Christoph Wiederkehr, MA), darauf auch reagieren. Bitte schaffen Sie Strukturen! Schaffen Sie strukturelle Verbesserungen! Schaffen Sie finanzielle Anreize, um so mehr engagiertes Personal zu motivieren, auch länger in diesen Betrieben zu bleiben!

 

Es braucht auch im Bereich des Personals viele Verbesserungen. In unserem Wien von morgen gibt es eine 35-Stunden-Woche für alle SozialpädagogInnen. Es gibt bezahlte Rufbereitschaft, es gibt größere Teams, es gibt keine Einzeldienste mehr. Es gibt mehr Springerinnen und Springer, die aushelfen können. Es gibt eine verpflichtende Rechtsberatung für Eltern und Familien, die im Abnahmeprozess stehen. Am besten ist diese Rechtsberatung auch noch mehrsprachig. Wir haben in dieser Stadt zehn Sprachen, die häufig gesprochen werden und auch immer wieder bei der MA 11 aufschlagen. Es wäre dringend notwendig, dass wir dieses Angebot auch mehrsprachig haben.

 

Außerdem braucht es auch in der offenen Kinder- und Jugendarbeit dringend innovative Modelle zur Gewaltprävention. Es braucht eine deutliche Verbesserung für „care leaver“, das heißt konkret: längere Übergangszeiten und ein längerfristiger, strukturell verankerter Zugang zu Vertrauenspersonen, damit junge Erwachsene, auch wenn sie schon 24 sind, sich an jemanden wenden können, wenn sie in die Krise kommen. Das kommt vor. Ich habe selber Kinder und weiß, dass man mit 18 noch nicht fertig ist, sondern dass der Schritt ins Leben manchmal einige Hürden birgt.

 

Die Probleme in der Kinder- und Jugendhilfe sind so gestaltet, dass ich das in den mir verbliebenen Minuten kaum ausreichend benennen kann. Ich wollte hier einen schnellen Überblick bringen.

 

Lieber Herr Stadtrat, bauen Sie die MA 11 um, damit sie mehr sein kann als ein Feuerlöscher in dramatischen Krisensituationen! Bauen Sie sie so um, sodass wir wirklich präventiv in die Zukunft arbeiten können und Familien, Kinder und Jugendliche begleiten, bevor etwas passiert!

 

In der letzten mir verbliebenen Minute möchte ich noch etwas machen: Wir haben einen Beschlussantrag für eine viel positivere Geschichte, die sich eigentlich mit der Zukunft und mit kreativem Handeln beschäftigt. Es geht um legale Graffiti-Flächen in Wien. Wir haben dazu einen Antrag mit der Nummer 1-104 gestellt. Diesen möchte wir, Ömer Öztas und ich, hiermit zurückziehen. Wir stellen hiermit einen Antrag auf Zuweisung für den Ausbau von legalen Graffiti-Flächen. Damit kann man die Kreativität

 

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