Landtag,
9. Sitzung vom 27.06.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 49
Frage des AusländerInnenwahlrechts ist etwas, was nur
Ausländer und Ausländerinnen betrifft. Es betrifft uns alle, denn das
Funktionieren der Demokratie betrifft uns alle und ist wichtig für uns. Gerade
so, wie wir hier sitzen, ist es grundsätzlich auch wichtig für das
Funktionieren des Systems, dass wir von einem möglichst großen Vertrauen der
Wähler und Wählerinnen getragen sind.
Das ist grundsätzlich zu unterscheiden zum Beispiel
von der Frage des Wahlrechts für EU-Bürger und -Bürgerinnen. Das ist ein
grundsätzlich anderes System. Bei den EU-Bürgern und -Bürgerinnen haben wir uns
im Rahmen der Europäischen Union auf gemeinsame Mindeststandards geeinigt. Wir
haben uns darauf geeinigt, dass wir einander gewisse Rechte gewähren. In diesem
Zusammenhang ist es egal, ob jemand drei Jahre, fünf Jahre oder zehn Jahre hier
ist, weil es ein anderes Prinzip ist, das dahinter steht.
Wenn wir aber das Prinzip wie beim
AusländerInnenwahlrecht im Sinne der Drittstaatsangehörigen sehen und es darum
geht, Menschen die Möglichkeit zur Mitbestimmung zu geben, die hier ihre neue
Heimat gefunden haben, so ist das etwas anderes. Die neue Heimat findet man
nicht nach drei Tagen, fünf Monaten oder fünfeinhalb Monaten, sondern nach
einer gewissen Aufenthaltsdauer. Da kann man natürlich gerne darüber
diskutieren, ob es vier Jahre, sechs Jahre oder acht Jahre sein sollen.
Jedenfalls muss es, denke ich, ein mehrjähriger Aufenthalt sein, der eben dazu
führt, dass man sagen kann: Das ist die neue Heimat eines Menschen und dies
rechtfertigt es, dass er oder sie wirklich die Möglichkeit zur Mitbestimmung
hat.
Wir haben uns für diese fünf Jahre entschieden - ich
gebe gerne zu, dass man noch über ein halbes Jahr oder auch ein Jahr auf oder
ab diskutieren kann -, weil das schon vielen anderen Bestimmungen entspricht,
etwa auf Bundesebene bei der Aufenthaltsverfestigung, aber auch bei uns im Land
beim Zugang zu gewissen Rechten zum Beispiel im Wohnbereich, der ebenfalls nach
fünf Jahren möglich wird.
Ich glaube, dass es im Interesse aller, vor allem
auch der Betroffenen ist, ein einheitliches Niveau zu haben, weil ich glaube,
dass es ohnehin schwierig genug wird, die Zuwanderer genauso wie die
alteingesessenen Österreicher und Österreicherinnen wirklich davon zu
überzeugen, dass sie wählen gehen sollen. Denn Rechte sind das eine; die
Menschen zu informieren und aufzuklären, dass sie diese Rechte auch wahrnehmen,
ist etwas anderes. Aber das ist nichts, was mit Aus- oder Inländern zu tun hat.
Wir versuchen ja auch bei den alteingesessenen Österreichern und
Österreicherinnen, immer heftig dafür zu werben, dass sie wirklich wählen
gehen. Daher sehe ich da keinen Unterschied.
Präsident Johann Hatzl: Zweite
Zusatzfrage: Herr Abg Ulm.
Abg Dr Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Stadträtin!
Wir haben uns mit guten
Gründen gegen das Ausländerwahlrecht ausgesprochen und haben die
Bundesverfassung auf unserer Seite. Sie schaffen nun Bezirksräte erster und
zweiter Klasse, indem Sie Bezirksräte schaffen, die alles dürfen, und solche,
die in ihrem Wirkungsbereich eingeschränkt sind. Das wird zu einer
beträchtlichen Unzufriedenheit und Frustration bei den Betroffenen führen. Ich
glaube, Sie tun damit weder den Inländern noch den Ausländern etwas Gutes. Das
wird zu einer Polarisierung und zu einer als Diskriminierung empfundenen
Situation führen, mit der letztendlich keiner zufrieden sein wird.
Wie können Sie diese
Polarisierung, die ich herankommen sehe, politisch verantworten?
Präsident Johann Hatzl: Frau
Stadträtin.
Amtsf StRin Mag Renate Brauner: Sehr
geehrter Herr Abgeordneter!
Auch diese Frage haben wir natürlich schon mehrmals
diskutiert. Ich stelle das in Abrede und bin anderer Ansicht zu Ihrer Analyse,
zu mehreren Punkten Ihrer Analyse.
Ich sehe keineswegs, wie Sie gesagt haben, die
Verfassung auf Ihrer Seite, sondern wie Sie sehr wohl wissen, haben wir uns
sehr ernsthaft - weil Wahlrechtsfragen sehr ernsthafte und wichtige Fragen sind
- darüber auseinander gesetzt (Abg Gerhard Pfeiffer: Das glaube ich! Mit
47 Prozent 52 Prozent der Mandate ...!) und haben uns deswegen
auch sehr genau angesehen, wie hier die bundesgesetzliche und die
verfassungsrechtliche Grundlage ist. Wir haben sowohl den Verfassungsdienst
unseres Hauses um eine Stellungnahme und ein Gutachten gebeten, als auch - das
ist in dieser Runde ohnehin schon bekannt - Herrn Univ Prof DDr Mayer um ein
Gutachten gebeten. Hier ist eindeutig geregelt, dass grundsätzlich aktives und
passives Wahlrecht für Drittstaatsangehörige auf der Ebene der
Bezirksvertretung - wir sprechen hier, im Gegensatz zu den anderen Fragen, von
der Bezirksvertretung - möglich ist.
Ihre Analyse der Diskriminierung kann ich ebenfalls
nicht teilen, selbst wenn ich mich in Ihre Analyse hineinversetze. Ich versuche
das jetzt einmal und sage, es gibt jetzt Bezirksräte, die alles dürfen, und es
gibt welche, die ein bisschen weniger dürfen. Dazu zu sagen, dass das
diskriminierend ist und sie stattdessen gar nichts dürfen - denn das ist ja
Ihre Alternative: überhaupt kein Wahlrecht! -, und das dann nicht als
Diskriminierung zu bezeichnen, kann ich leider nicht nachvollziehen, sehr
geehrter Herr Kollege!
Ich bin der Meinung, dass die grundsätzliche
Einführung des Wahlrechts ein derartiger demokratiepolitischer Quantensprung
ist, dass es ganz besonders wichtig ist, das auch durchzusetzen, und dass es in
keiner Weise eine Diskriminierung darstellt, wenn wir die vorsichtigen
Ratschläge der Verfassungsexperten befolgen und sagen: In jenen Bereichen, in
denen man sagen könnte, dass es um hoheitliche Aufgaben geht, werden Menschen,
die die Drittstaatsangehörigkeit haben, nicht drinnen sein. Das ist keinerlei
Diskriminierung, das ist eine völlig klare Einhaltung der Bestimmungen, und es
ändert nichts daran, dass die Einführung des Wahlrechts für uns alle von
Bedeutung ist.
Ich wiederhole es noch einmal: Ich bin nicht der Meinung,
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