Landtag,
11. Sitzung vom 13.12.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 90
seine Fraktion nicht folgt, nämlich dass die in Wien wohnenden
Zweitwohnbesitzer ein Wahlrecht erhalten. Wie viele Personen gibt es, die in
Niederösterreich oder im Burgenland ihren Hauptwohnsitz haben, dort am Wochenende
regelmäßig auch zu Hause sind, aber unter der Woche von Montag bis Donnerstag
in Wien ihre Wohnung haben? Diese Zweitwohnbesitzer haben kein Wahlrecht in
Wien. Sie werden Ihre guten eigenen, parteipolitischen Gründe haben, warum Sie
diesen Personen kein Wahlrecht zugestehen wollen.
Auch in diesem Punkt ein Beschluss- und Resolutionsantrag
der ÖVP.
"Die amtsführende Stadträtin für Integration,
Frauenfragen, Konsumentenschutz und Personal wird als zuständiges Mitglied der
Landesregierung aufgefordert, bis Ende Februar 2003 einen Gesetzesentwurf zur Beratung
vorzulegen, welcher die Einräumung des Wahlrechts bei den Wahlen zum
Gemeinderat und Landtag sowie zu den Bezirksvertretungen für jene Wienerinnen
und Wiener vorsieht, die in der Bundeshauptstadt einen Nebenwohnsitz
haben."
In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung
beantragt. (Beifall bei der ÖVP.)
Erlauben Sie mir, nun auch auf die eklatante Verfassungswidrigkeit
Ihrer Novelle hinzuweisen. Ich beginne beim aktiven Wahlrecht.
Die Bundesverfassung sieht bestimmte Kriterien, bestimmte
Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechts vor, und es gibt so etwas wie
ein wahlrechtliches Homogenitätsprinzip in der Bundesverfassung. Handelt es
sich um allgemeine Vertretungskörper, dann sollen die gleichen Regeln gelten.
Es stellt sich daher die Frage, ob die Bezirksvertretungen allgemeine
Vertretungskörper sind. Namhafte Verfassungsrechtler behaupten das. Unsere
Mandatare, unsere Bezirksräte, von denen wir ja einige kennen, dürften, würden,
glaube ich, keinen Augenblick zögern, das zu bejahen. Verfassungsrechtler
zögern auch nicht, das zu bejahen, und selbstverständlich auch nicht unsere
Magistratsdirektion, wo ja nicht zuletzt aus diesem Argument heraus der
Bezirksvertretung ein ausdrückliches Resolutionsrecht zugestanden wird, obwohl
sich das aus den landesgesetzlichen Regelungen sonst nicht ergeben würde, und
daher ist es auch möglich, dass in Bezirksvertretungen Resolutionsanträge gefasst
werden können.
Einhellige Meinung: Die Bezirksvertretungen sind allgemeine
Vertretungskörper, und daher ist es nicht möglich oder äußerst problematisch,
ohne Veränderung der Bundesverfassung eine solche Reglung zu schaffen.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Gutachten
des Verfassungsdienstes vom 16. Juli 2002 - da ist es eingegangen -, worin
es ausdrücklich heißt: "Es wird daher empfohlen, die Einführung des
aktiven Wahlrechtes zu den Wiener Bezirksvertretungen für Nichtunionsbürger von
einer vorherigen bundesverfassungs-rechtlichen Absicherung abhängig zu
machen."
Noch viel klarere Worte findet Prof Lienbacher, der
sagt: "Die landesgesetzliche Einführung eines solchen Wahlrechtes bedarf
eindeutig einer bundesverfassungs-gesetzlichen Ermächtigung."
Aber ich kann Ihnen auch noch jemanden zitieren, der
uns allen noch in guter Erinnerung ist, nämlich der leider Gottes verstorbene
OSR Dr Ponzer. Ich habe hier eine Publikation aus dem Jahr 1991, und ich darf
auch ihn als Kronjuristen dieses Hauses mit seiner Meinung zur
Verfassungsmäßigkeit des Ausländerwahlrechts zitieren. Er sagt: "Ich
erachte also eine bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung für das
Ausländerwahlrecht bei den Bezirksvertretungen für notwendig."
Sehr geehrte Damen und Herren! Noch viel eindeutiger
ist die Verfassungswidrigkeit beim passiven Ausländerwahlrecht zu erkennen.
Dort heißt es nämlich im Artikel 3 des Staatsgrundgesetzes: "Die
öffentlichen Ämter sind für alle Staatsbürger gleich zugänglich. Für Ausländer
wird der Eintritt in dieselben von der Erwerbung des österreichischen
Staatsbürgerrechtes abhängig gemacht."
Da muss man kein großer Kronjurist sein, um das interpretieren
zu können. Der Gesetzestext, der Text des Staatsgrundgesetzes lässt ja
eigentlich überhaupt keinen anderen Raum zu.
Nichtsdestoweniger muss sich natürlich auch Prof
Mayer, da er ja von Ihnen mit der Erstellung eines solchen Gutachtens
beauftragt worden ist, damit auseinander setzen und findet auch nur zu einem
widersprüchlichen Ergebnis, dessen Schlussfolgerung natürlich nicht geteilt
werden kann. Auch Mayer sagt in Anlehnung an die ständige Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofs:
"Ein öffentliches Amt liegt dann vor, wenn eine hoheitliche Funktion
ausgeübt wird und wenn ein hoheitlicher Bestellungsakt vorliegt."
Jetzt liegt natürlich bei der Bezirksvertretung ein hoheitlicher
Bestellungsakt vor, weil man bekanntermaßen Bezirksrat durch Wahl wird. Auch
die hoheitlichen Funktionen sind völlig unzweifelhaft - selbst bei Mayer, bitte
- beim Bezirksvorsteher, beim Bezirksvorsteher-Stellvertreter und bei den
Mitgliedern des Bauausschusses, weshalb Mayer sagt, dort ist das Ausländerwahlrecht
nicht möglich.
Jetzt gibt es aber dummerweise eine hoheitliche Kompetenz,
eine hoheitliche Funktion nicht nur für die Bauausschüsse in den
Bezirksvertretungen, für die Bezirksvorsteher, es gibt diese hoheitliche
Funktion auch für das Gremium Bezirksvertretung, und das ist ja sehr leicht
nachzulesen. Wir finden das im Wiener Kleingartengesetz, wo es im § 4
Abs. 1 heißt, dass die "kleingärtnerische Nutzung über Antrag des
Magistrats auf Beschluss der örtlich zuständigen Bezirksvertretung zulässig
ist. Dieser Beschluss ist im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen." (Abg
Mag Christoph Chorherr: Ein Superargument!) Bei diesem Beschluss handelt es
sich um eine von ... (Abg Mag Christoph Chorherr: Genieren Sie sich nicht?)
Herr Kollege Chorherr und Herr Kollege Ellensohn, echauffieren Sie sich nicht
darüber, worüber wir uns genieren sollten. Wir wissen ja, Sie lassen sich immer
vor den roten Karren spannen. Sie glauben, dass das gescheit ist. Machen Sie
ihnen weiter die Mauer. Sie genieren sich offensichtlich nicht dafür.
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