Landtag,
11. Sitzung vom 13.12.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 90
der Stadt. Wir sind auch stolz darauf. Wir hätten uns nur
erwartet, dass die Österreichische Volkspartei, die das immer wieder gefordert
hat, auch auf der Bundesebene ihre neuen Möglichkeiten, die sie gemeinsam mit
der FPÖ in den letzten Jahren hatte, tatsächlich auch nutzt, um das umzusetzen.
Auf Bundesebene ist es zu keiner demokratischen Weiterentwicklung, was
Minderheitsrechte im Kontrollbereich betrifft, gekommen, in Wien schon. Ein
Beispiel mehr für den Unterschied zwischen Wien und der Bundesregierung, meine
Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)
Dieses Demokratiepaket ist jedoch kein Einzelstück.
Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung sind ganz wichtige Eckpfeiler auch in
dieser Legislaturperiode von unserer Seite in dieser Stadt. Sie sind
selbstverständlich geworden, und zwar deshalb, weil die Stadt dieses Recht der
Bürger auf Information, auf Mitbestimmung stets anerkannt hat, und auch
deshalb, weil die Stadt die Bildung der Menschen als Grundlage, als wichtige
Grundlage politischer Teilhabe immer aktiv gefördert und unterstützt hat.
Die neuen Informations- und Kommunikationsmedien
eröffnen den Menschen neue Möglichkeiten der politischen Meinungs-, aber auch
der politischen Willensbildung. Wir erleben heute nicht nur Wahlkämpfe, sondern
wir erleben - gerade auch bei der letzten Nationalratswahl - Meinungsbildung
übers Internet, wir erleben Abstimmungen übers Internet, und es gibt weltweit
auch bereits erste Versuche von Wahlen via Internet, meine Damen und Herren.
Demokratie ist - um es mit anderen Worten zu sagen -
immer ein dynamischer Veränderungsprozess, Demokratie befindet sich in einem
dynamischen Veränderungsprozess. Es stellt sich für mich daher die Frage - und
das ist durchaus eine Kernfrage für mich -: Sollen bei einem wachsenden
Bedürfnis der Menschen nach mehr Demokratie, nach Mitbestimmungsmöglichkeiten
über ihr Leben, die Einrichtungen der Demokratie ständig unverändert bleiben? -
Meine Antwort und unsere Antwort dazu ist ein klares Nein. Demokratie muss
lebendig bleiben, anderenfalls verlieren die Menschen das Interesse an der
demokratischen Auseinandersetzung. Was sich nicht ändert, verurteilt sich
selbst zum Sterben.
Wir sind daher auch zu ständigen Veränderungen, zu
ständigen Weiterentwicklungen bereit, und wir sehen dieses Demokratiepaket als
Weiterentwicklung der Demokratie in dieser Stadt. Wir wollen grundsätzlich Menschen
von der Mitbestimmung und Mitverantwortung nicht nur deshalb ausschließen, weil
sie anderer Herkunft sind, wir wollen zusätzlich junge Menschen für die Politik
begeistern und diesem Bedürfnis von jungen Menschen nach Mitbestimmung, das sie
immer wieder artikulieren, mit unserem Demokratiepaket auch Rechnung tragen.
Wir haben dieses Demokratiepaket - und das sei schon
auch sehr deutlich gesagt - den Wienerinnen und Wienern vor der Wahl sehr klar
präsentiert. Wir haben gesagt: Ja, wir wollen, dass jungen Menschen das Wahlrecht
ab 16 eingeräumt wird, ja, wir wollen das Wahlrecht für ZuwanderInnen auf
Bezirksebene, ja, wir wollen den Ausbau des Persönlichkeitswahlrechts, und wir
wollen letztendlich auch den Wienerinnen und Wienern, die sich am Wahltag nicht
in Wien befinden, das Wahlrecht einräumen. Wir haben hier nicht mit verdeckten
Karten gespielt, wir setzen ein Wahlversprechen um.
Und wenn Sie schon anzweifeln, dass wir vielleicht
nicht die richtige Information gebracht haben über das, was wir vorhaben,
erinnere ich schon an die flächendeckend affichierten knallroten Plakate, auf
denen man versucht hat, vor dem Wahlrecht für Wien zu warnen. Wir sind dazu
gestanden, die FPÖ hat eine klare Abfuhr erteilt bekommen. Ich glaube, es zeigt
sich damit sehr deutlich, wofür die Wienerinnen und Wiener stehen, meine Damen
und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir schlagen daher heute vor, das Wahlrecht für junge
Menschen ab 16 einzuräumen. Wir verlangen von jungen Menschen immer wieder sehr
weit reichende Entscheidungen im Bereich ihres Berufslebens, aber auch im
Bereich der Ausbildung. Für ihren gesamten Lebensweg entscheiden sich viele
Punkte für junge Menschen mit 16, und es ist daher für uns nur stringent, ihnen
tatsächlich auch die politische Mitbestimmungsmöglichkeit einzuräumen. Es ist
dies eine Gruppe, die ja auch von vielen politischen Entscheidungen, die wir
hier treffen, beeinflusst ist: im Bereich der Wohnungspolitik, im Bereich der
Bildungspolitik, im Bereich der Ausbildung, im Bereich der Arbeitsmarktpolitik.
Von all diesen Entscheidungen, die wir hier zu treffen haben, sind junge
Menschen betroffen, und daher stehen wir dazu, dass sie dann auch auf der
kommunalen Ebene das Wahlrecht eingeräumt bekommen sollen.
Wir schlagen auch das Wahlrecht für Zuwanderinnen und
Zuwanderer vor, die ihren Lebensmittelpunkt in Wien gesucht und Gott sei Dank
auch gefunden haben. Es sind viele Menschen, die in unserer Stadt hier
tatsächlich eine neue Heimat gefunden haben, die sich mit dieser Stadt
identifizieren, die sich in der Stadt auch politisch artikulieren wollen. Wir
räumen ihnen daher dieses Wahlrecht auch ein.
Dass wir das passive Wahlrecht aus verfassungsrechtlichen
Gründen - und das ist ja durch Gutachten belegt - in zwei Bereichen
einschränken müssen, stimmt. Wenn ich die Aussagen des Kollegen Ulm heute, aber
auch gestern als Einverständnis für eine entsprechende Änderung auf
bundesgesetzlicher und verfassungsrechtlicher Ebene werten kann, dann soll mich
das freuen. Für mich hat es durchaus so geklungen, dass man hier vielleicht zu
einer Initiative bereit ist. Bis jetzt war man es nicht, man hat gesagt, man
will es nicht. Ich weiß nicht, ob das nur eine Fortsetzung des Eiertanzes war
oder ob politischer Wille dahinter steckt. Wir werden sehen, ob es in einer
nächsten Regierung tatsächlich zu diesen Veränderungen auf der verfassungsrechtlichen
Ebene kommt.
Wien nimmt mit diesem Ausländerwahlrecht eine Vorreiterrolle
in Österreich ein. Es gibt aber bereits viele erfolgreiche Beispiele auf
internationaler Ebene. Es ist von Kollegin Vassilakou bereits darauf
eingegangen
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