Landtag,
13. Sitzung vom 07.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 48 von 57
Bericht an die Debatten, die wir im vergangenen Jahr und im
vorvergangenen Jahr hatten. Es ist nicht nur die Intention des Berichtes
dieselbe wie in den letzten Jahren, sondern auch das Grund-Strickmuster, das
wir hier aus diesem Haus kennen: All das, was in Wien gut ist, wird hier als
besonders vorbildlich hervorgehoben, und all das, was sich auf der Bundesebene
bewegt, was zum Bund ressortiert, ist natürlich negativ zu konnotieren. (Abg
Godwin Schuster: Weil es negativ ist!)
Diese Form des Berichtes kennen wir, ich habe ihn im
vergangenen Jahr als einen sozialistischen Kinder- und
Jugendanwaltschaftsbericht bezeichnet. Ich könnte es mir relativ einfach machen
und auf das Protokoll des vergangenen Jahres verweisen, aber so billig lasse
ich Sie nicht davonkommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den GRÜNEN.) So
billig lasse ich Sie nicht davonkommen, denn ein paar Besonderheiten gibt es
hier ja schon.
Wenn uns auf Seite 81 dieses Berichtes die
Jugendanwälte als "Eulenspiegel" entgegentreten, dann soll man sich
einmal damit auseinander setzen, was denn die Botschaft ist, wenn sie hier als
"Eulenspiegel" auftreten. Ich zitiere aus dem Buch "Ein
kurzweilig Lesen von Till Eulenspiegel", erschienen im Eulenspiegelverlag
Berlin, 1978: "Der Name 'Eulenspiegel' kommt von 1335 an mehrfach in
Braunschweig und Umgebung vor. Im plattdeutschen 'Ulenspeigel' bedeutet der
Name 'ulen' = fegen, reinigen und 'spiegel' = Spiegel in der Jägersprache, also
das Hinterteil saubermachen oder einfach ..." - und hier setze ich nur ein
paar Punkte, weil das nicht ins Protokoll zu kommen braucht.
Und: "Die allegorische Umsetzung ins Bild der
Eule, die einen Spiegel hält, muss wohl als nachträgliche Volksetymologie
angesehen werden, wahrscheinlich entstanden, als oberdeutsche Bearbeiter der
Texte die Feinheiten des Plattdeutschen nicht mehr auszukosten
vermochten."
Wenn also das die Botschaft ist, die Sie uns hier als
"Eulenspiegel" mit auf den Weg geben wollen - sowohl mit dem
"ulen" als auch dem Begriff des Weidmannes für "Spiegel" -,
dann ist auch vieles gesagt, und die Wertigkeit dessen, was hier zum Ausdruck
gebracht wird, richtet sich von selbst. Als Narr mit dem Zepter der
Narrenfreiheit agieren zu können, ist falsch. Man sollte das schon ernst nehmen
und nicht einfach meinen, man hat hier eine Narrenfreiheit in der Darstellung
der Dinge, solange man den politischen Rückhalt genießt.
Gehen wir auf diesen Wiener Jugendgerichtshof ein,
der ja auch in dem Bericht so prominent erörtert wird. Es sind hier ein paar
ganz interessante Festhaltungen. Ich nehme natürlich Zeilen aus dem gesamten
Text heraus - Sie können mir das gerne zum Vorwurf machen, aber es steht hier
drin -, und hier steht: "Ein Drittel der in Österreich begangenen
Straftaten und die Hälfte der Schwerkriminalität entfällt auf Wien."
Das kann niemanden erfreuen, und ich behaupte auch
nicht, dass Sie das erfreut. Aber die Schlussfolgerungen, die Sie in weiterer
Folge daraus ziehen, sind bedenklich, etwa wenn Sie in dem Text schlussfolgern:
"Delinquenz im Jugendalter ist, so kann man sagen, fast" - in
Anführungszeichen - "normal" geworden. Delinquenz im Jugendalter ist
fast "normal" geworden, damit muss man sich einfach abfinden, das ist
eben so, dass Jugendliche delinquent werden, das ist eigentlich ein ganz
normaler, üblicher Vorgang in einer Großstadt, und da kann man halt nichts
machen, man muss hier eben mehr in die Prävention investieren.
Diese Verkürzung des Sachverhaltes halte ich für
gefährlich. Sie zeigt aber durchaus auch die geistige Tendenz auf, die dahinter
steckt.
Ich habe mit dem Bundesministerium für Justiz Kontakt
aufgenommen. Denn nach der heftigen Kritik, die es ja hier gegeben hat - und
zwar nicht nur von der Jugendanwaltschaft, sondern auch von der Frau Stadträtin
- an der Vorgangsweise des Justizministers, habe ich mir gedacht: na ja,
vielleicht hat man die Zeit seit der Vorlage des letzten Berichtes dazu
genützt, um mit dem Justizministerium Kontakt aufzunehmen und um zu sagen,
jetzt möchten wir unsere Kritik, die wir hier haben, auch einmal besprochen haben.
- Im Justizministerium liegt schriftlich nichts vor von Seiten der
Jugendanwaltschaft, es hat kein Gespräch gegeben, auch nicht das
Gesprächsansinnen seitens der Jugendanwaltschaft. Ich halte es für ein starkes
Stück, sich hier wieder mit extrem kritischen Worten zu dem Thema zu melden,
aber auf der anderen Seite überhaupt keinen Versuch unternommen zu haben, zu
einer sachlichen Auseinandersetzung zu kommen.
Ich habe hier eine offizielle Information des
Justizministeriums mitgebracht. (Der Redner hält eine Broschüre in die
Höhe.) Diese offizielle Information des Justizministeriums hat einen ganz
großen Vorteil: Sie ermöglicht es nämlich jedem Parlamentarier - und da ja hier
bundespolitische Themen leidenschaftlich abgehandelt werden, mache ich das auch
-, an den Justizminister heranzutreten, mit allen parlamentarischen
Möglichkeiten, und den Justizminister auf Punkt und Beistrich mit dem, was er
selbst produziert hat, zu konfrontieren. Dessen ist sich der Justizminister
bewusst, und deshalb habe ich hier durchaus auch die Freude, die Aussagen des
Justizministers und des Justizressorts zu zitieren. Ich glaube, dass es wichtig
ist, neben dieser Darstellung der Jugendanwaltschaft auch die Position seitens
des Justizministeriums zu zitieren. Es ist keine Interpretation, sondern es ist
authentisch. - Herr Kollege Wutzlhofer, hören Sie zu, sonst können Sie nachher
nicht dagegenreden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
"Der letzte wesentliche
Schritt in dieser Entwicklung war die Jugendgerichtsgesetz-Novelle 2001,
mit der einerseits die Anwendbarkeitsgrenze des Jugendstrafrechts parallel zur
Volljährigkeit auf 18 Jahre herabgesetzt wurde" - von Ihnen übrigens
hier sehr heftig kritisiert, andererseits von Ihnen nicht kommentiert -,
"aber Sonderbestimmungen für junge erwachsene Personen bis zum vollendeten
21. Lebensjahr geschaffen wurden. Dies bedeutet eine Ausdehnung der
wesentlichen Vorteile des Jugendstrafrechtes auf diese Altersgruppe" - von
Ihnen nicht erwähnt, von der Jugendanwaltschaft nicht erwähnt. (Abg Dr
Herbert Madejski: Bewusst!)
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