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Landtag, 14. Sitzung vom 24.04.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 83

 

Wasserhahn aufdreht, wird wahrscheinlich irgendein böser Konzernherr herausträufeln, wenn man die Tramway erklettert, ist der Sitzplatz schon von einem gewissen Shareholder Value weggenommen. Und so ist alle gefährdet: der Zugang zur Naherholung, der Kindergarten, die Sicherheit, der Katastrophenschutz, die Freizeit, die Bildung, die Entsorgung von Müll und Abwasser und so weiter und so fort. Also für den freien Zugang zu den Erholungsflächen bedurfte es nicht der Segnungen des Kommunalsozialismus, das hat schon Kaiser Joseph II. getan, indem er den Prater nicht nur seinesgleichen vorbehalten hat.

 

Meine Damen und Herren! Nichts – nichts! – ist unantastbar und tabuisiert in einer modernen Gesellschaft, abgesehen davon, dass einiges von dem zum Mörderbegriff hochstilisierten Kürzel GATS gar nicht berührt ist, abgesehen davon, dass etliches ohne die Einbringung privater Anbieter, ohne die Mitwirkung verschiedenster Organisationen, Vereine und Verbände von der Kommune allein flächendeckend gar nicht mehr geleistet werden könnte. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass nur der den Leistungswettbewerb scheuen muss, der nicht wettbewerbsfähig führen kann. Oder sagen wir es ein bisschen deutlicher: Lassen Sie sich nicht selbst ins Bockshorn jagen von ein paar Privilegienstadln, und die sich in den Winkerln der Kommunalmonopolisten eingenistet haben. Der einzige wirkliche Gegner – das hat einmal ein Vertreter bei einer gemeinwirtschaftlichen internationalen Konferenz gesagt – der öffentlichen Daseinsvorsorge ist die Gemeinwirtschaft selbst oder – sagen wir es noch konkreter – sind ihre reflexartigen und dabei trotzdem unreflektierten Verteidiger.

 

Das einzige Ziel, meine Damen und Herren, das wir anerkennen, das alleinige Ziel, das wir anerkennen, ist die bestmögliche Versorgung der Bürger und sonst gar nichts! Wer immer sie auch leistet. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Darum habe ich mich ein bisschen ärgern dürfen, dass ganze drei Seiten unserer Deklaration für die Pflichtübung für die Parteilinke bereitgestellt wurden, während den Hausaufgaben gerade die Hälfte davon vorbehalten war. Dabei umfasst diese Preparity-Studie 24 Seiten der Auswirkungen für Wien, und sie enthält drei Seiten Hausaufgaben, die wir auch noch zu leisten haben, Empfehlungen, was wir leisten könnten. Es ist mir nun schon klar, dass bei einem nach außen gerichteten Dokument keiner hineinschreibt, was er selber schon alles hätte tun können oder tun sollen, zumindest nicht in großer Ausführlichkeit, ich glaube aber doch, dass es eine etwas geglücktere Gewichtung der beiden Kapitel geben hätte können, als es tatsächlich der Fall ist.

 

Jedenfalls ist – und darauf können wir stolz sein – seit 1967, als die letzte Europadeklaration verabschiedet wurde, einiges geschehen, und Sie werden einsehen, dass ich vor allem meiner Stadträte dabei gedenke. Ich darf an Peter Marboe erinnern, der die bisher einzige Konferenz aller Kulturverantwortlichen aller europäischen Großstädte eingeladen hat, ich darf daran erinnern, dass Bernhard Görg bei der Städtekooperation nicht nur an Bratislava, sondern auch an Brünn gedacht hat, was mir jetzt ein wenig vernachlässig vorkommt, um das sehr sanft auszudrücken. Es wurde nicht angeknüpft.

 

Und noch etwas ist wichtig, meine Damen und Herren. Wir sollten nicht in der Arroganz des Hauptstadtdenkens verharren. Prag und Budapest bemühen sich ununterbrochen in einer anderen Liga zu spielen, und zum Teil haben sie den Eingang in Berlin und London und Paris schon gefunden. Für die Mittelstädte – und das sind nach österreichischen Begriffen ohnehin schon riesige Großstädte, denn was bei uns eine Mittelstadt ist, ist mancherorts eine Marktgemeinde – in Europa sind wir immer noch das goldene Tor zum Westen. Die setzen sich wirklich in einen Bus und fahren 20 Stunden, um hier dann auszusteigen und dieses Wien, das ihnen ein tradierter Begriff ist und immer war, dieses Wien, das in Köpfen und Herzen sozusagen auch den Kommunismus überdauert hat, voll aufzunehmen.

 

Daher würde ich mich freuen, wenn auch von anderen Parteien – den Sozialdemokraten brauche ich es nicht zu sagen, sie sind international ziemlich rührig – Kontakte zu ähnlich gelagerten Gruppierungen in diesen Städten der Region und darüber hinaus geknüpft werden könnten.

 

Mein Klub, der Klub der Volkspartei, wird Anfang Mai eine zweitägige Konferenz in Bratislava abhalten. Der Kollege Walter Strobl leitet heuer wieder eine bildungspolitische Europakonferenz, die nahezu alle zwei Jahre in Wien stattfindet und bei der Träger dieser Bildungseinrichtungen aus allen Beitrittswerberländern, auch aus jenen, die erst 2007 oder 2010 dazustoßen werden, in Wien anwesend sind.

 

Seien wir also nicht zaghaft und warten wir nicht, bis wir geholt werden, um dann gnadenspendend – und dazu neigen wir auch, Herr Landeshauptmann – ein paar Weisheiten als Know-how herunterbröseln zu lassen, weil wir als ehemalige Hausherren Europas doch immer sehr gefragt sind. Gehen wir aktiv auf die neuen Partner zu! Hören wir ihnen genau und ohne Überheblichkeit zu! Wir werden schauen, denn wir können auch von ihnen eine Menge lernen, Vergessenes lernen und von Neuem profitieren.

 

Was das Kapitel Arbeitsmarktpolitik betrifft, glaube ich – und da meine ich, dass wir, wenn es auch nicht offen gesagt wird, doch in einigem übereinstimmen –, wird es nicht genügen, sich auf die entsprechenden vorhandenen Einrichtungen zu verlassen. Die Medienberichterstattung hat dem AMS in den letzten Wochen kein sonderlich positives Zeugnis ausgestellt, und was die Recherche beim WAFF betrifft, bietet dieser auch keinen Grund zur satten Selbstzufriedenheit.

 

Es gibt zwar bezüglich der Migration keine seriösen Schätzungen – es gibt 42 an der Zahl und genauso viele Ergebnisse –, und die Schwankungsbreite der Zahl der Migranten reicht von 41 000 bis zu 680 000, also kann man sich ungefähr vorstellen, was von diesen Studien zu halten ist, aber eines haben sie übereinstimmend: 77 Prozent der Migranten werden nach Deutschland und Österreich kommen und von denen, die nach Österreich kommen, bei weitem die Mehrheit nach Wien. Nun sind

 

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