Landtag,
14. Sitzung vom 24.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 83
und lassen wir mehr Demokratie zu.
Also, wenn jemand Angst vor mehr Demokratie gehabt
hat, dann waren Sie es, weil Sie diese Volksabstimmung nicht zugelassen haben
und das Volk nicht entscheiden lassen wollten. (Beifall bei der FPÖ)
Und die Demokratie lebt ja zum Glück auch davon, dass
es in vielen Bereichen unterschiedliche Meinungen und unterschiedlich
Standpunkte gibt, diese natürlich auch dementsprechend in diesem Haus
artikuliert, über sie diskutiert und auch streitet, um dann halt je nach
Mehrheitsverhältnissen, oder wenn etwas verfassungswidrig sein sollte, dann
auch durch das Gericht eine Entscheidung zu treffen.
Wenn Sie aber hier heute den europäischen Geist
bemüht haben, dann muss ich wirklich sagen, das ist hanebüchen gewesen, was Sie
hier zum Ausdruck gebracht haben, denn ich werde Ihnen den europäischen Geist
zitieren. Und zwar hat die Europäischen Union einen Beschluss gefasst, eine
Entschließung des Rates vom 4. März 1996, wo sie klar und deutlich
darauf verweist, dass Drittstaatsangehörige grundsätzlich erst nach einer
zehnjährigen ununterbrochenen und rechtmäßigen Aufenthaltsdauer - nicht
Wohnsitzmeldung, sondern Aufenthaltsdauer - in der Europäischen Union eine Gleichstellung
mit Inländern, daher EU-Bürgern, im rechtlichen und sozialen Status erlangen
sollen. Damit ist gerade und ohne Zweifel das Wahlrecht als Kernbereich der
staatsbürgerschaftlichen Rechte gemeint. So gesehen ist das, was Sie mit dem
europäischen Geist vorher strapaziert haben, auch ein Unsinn.
Sie haben, und ich bin davon überzeugt, Herr Bassam
Tibi, der ja die Meinung vertreten hat und auch vertritt, dass das
Staatsbürgerschaftsrecht eben entscheidend ist für ein Wahlrecht ... (Abg
Dipl Ing Omar Al-Rawi: Wer ist das, der Professor Bassam Tibi!) Der Herr
Prof Bassam Tibi ist ein anerkannter Professor, ein Islamexperte, ein Experte,
der ganz genau darum Bescheid weiß, wie wichtig es ist - gerade aufgrund der
Migrationsbewegungen, die Europa in den letzten Jahrzehnten sehr, sehr massiv
erlebt hat -, dass der Integrationsprozess mit der
Staatsbürgerschaftsverleihung abgeschlossen werden muss.
Und das ist etwas ganz Entscheidendes, weil wir sonst
extremistischen Tendenzen und Radikalismen das Wort reden würden und eigentlich
einen integrationsfeindlichen Akt setzen, weil wir damit auch staatsfeindliche
Gruppen auf Dauer vielleicht unterstützen könnten, die diese Systeme dann
ausnützen, und davon spricht Prof Bassam Tibi und ich denke, wir sollten
das auch ernst nehmen und nicht einfach so beiseite schieben. (Abg Dipl Ing Omar Al-Rawi: Fragen Sie den
Haider, was er damit meint!)
Wir sind auch deshalb klar und deutlich der Meinung,
dass ein Meldezettel einfach zu wenig ist. Und das Wahlrecht muss ein Staatsbürgerschaftsrecht
bleiben.
Wir haben heute schon die juristischen Begründungen
mehrfach gehört und durchdiskutiert, wir haben die verfassungsrechtlichen
Bedenken durchdiskutiert, aber natürlich gibt es auch politische Bedenken, und
ich nenne es einen staatsbürgerfeindlichen Akt, der hier heute mit diesem
Beharrungsbeschluss gesetzt wird. Es ist ein staatsbürgerfeindlicher Akt, wo
ich klar und deutlich interpretiere, dass die Staatsbürger eine Aushöhlung
ihrer Rechte erfahren und ihre Stimme als Staatsbürger in Zukunft nicht mehr so
viel Wert haben wird, wie sie bisher gehabt hat, weil durch eine Ausweitung
einfach der Stimmwert reduziert wird, und das ist faktisch vorhanden.
Und natürlich ist das auch eine Diskriminierung für
Neo-Staatsbürger, die einen zehnjährigen, zwanzigjährigen Integrationsprozess
durchschritten haben, die sich hier integriert haben in diese Gesellschaft, die
die deutsche Sprache erlernt haben, die dann am Ende des Integrationsprozesses,
den sie erfolgreich abgeschlossen haben, mit ihrer Staatsbürgerschaft, die sie
verliehen bekommen haben, letztlich auch einen Eid für die Republik
ausgesprochen haben und sich zu dieser Republik Österreich bekennen. Und das
ist eine wesentliche Grundvoraussetzung, wenn ich ein Wahlrecht in Anspruch
nehmen will. (Beifall bei der FPÖ)
Und solange ich mich nicht zu dieser Republik
bekennen will, soll ich auch nicht mitbestimmen. Es gibt ja zuhauf Menschen,
die in unser Land zugewandert sind, die sich ja gar nicht zu dieser Republik
bekennen wollen, die ja gar nicht Staatsbürger werden wollen, die sich auch
vielleicht nur bewusst gewisse Rosinen aus dem System herauspicken wollen und
die Staatsbürgerschaft gar nicht anstreben, und obwohl sie schon lang die
rechtliche Begründung vorfinden würden, diese Staatsbürgerschaft zu beantragen,
tun sie es nicht, weil sie gar kein Interesse daran haben. Solche Menschen gibt
es zuhauf auch in diesem Land, weil sie ganz andere Interessen vertreten und
weil sie gar kein Bekenntnis für diese Republik ablegen wollen. Und das ist
eben etwas ganz Entscheidendes, und deshalb ist es auch so wichtig, darauf
aufmerksam zu machen.
Und ich sage, das, was heute hier mittels
Beharrungsbeschlusses vonstatten geht, ist ein Anschlag auf die
Verfassungsrechte der Staatsbürger und deshalb sind wir auch so massiv in
dieser Frage, und deshalb haben wir auch heute mit einer Kampagne begonnen,
weil wir merken mussten, dass das in der öffentlichen Debatte das eher klein
gehalten wurde und auch Sie offensichtlich als verantwortliche Stadtregierungspartei,
nicht wirklich ein Interesse gehabt haben, das in der Öffentlichkeit breit zu
diskutieren oder eine breite Information zuzulassen.
Denn wenn ich mir ansehe, dass Ihre
Informationsbroschüren, die von Seiten der Gemeinde Wien in der Öffentlichkeit
verteilt worden sind, nur in serbokroatischer, in türkischer, in polnischer, in
englischer Sprache herausgegeben worden sind, aber nicht in deutscher Sprache, (Abg
Dr Kurt Stürzenbecher: Das stimmt gar nicht!), dann frage ich mich, wollten
Sie die Staatsbürger nicht informieren über diese Entscheidung, die Sie hier
getroffen haben, wollten Sie hier die Staatsbürger sozusagen nicht informiert
wissen, dass Sie hier ein Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger umgesetzt haben.
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular