Landtag,
22. Sitzung vom 30.06.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 10 von 104
aber in Akkordanz mit der Wirtschaft und der
Wirtschaftskammer.
Präsident Johann Hatzl: Wir kommen nun
zur 4. Frage (FSP/02788/2004/0001-KFP/LM). Sie wurde
vom Herrn Abg Heinz-Christian Strache gestellt und ist an den Herrn Landeshauptmann
gerichtet: Können Sie, Herr Landeshauptmann, vor dem Hintergrund der Warnung
des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (Kronen Zeitung vom
11. Juni 2004) garantieren, dass das Wiener Sozialhilfegesetz in seiner
derzeitigen Fassung ausreicht, um einen allfälligen Anspruch zugewanderter
selbstständiger oder erwerbsloser Osteuropäer auf Sozialhilfe auszuschließen?
Ich bitte um die Beantwortung.
Lhptm Dr Michael Häupl:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter!
Das ist eine sehr typische und wahrscheinlich auch
sehr zielgerichtete Frage, die Sie hier stellen, denn wenn man sich den
"Kronen Zeitung“-Artikel, den Sie in dieser Frage zitieren, genau
anschaut, dann ist dort auch deutlich erkennbar, wo die Schwierigkeit liegt,
aber vor allem ist auch ganz klar benannt, wo Verursacher sitzen. Daher kann
ich Ihnen als jemand am End of pipe-Betroffener nur sagen: Nein,
selbstverständlich kann ich das nicht garantieren, weil ich selbstverständlich
Europarecht, Europäische Gerichtshof-Urteile nicht garantieren kann und
selbstverständlich auch nicht nationales Recht beeinflussen kann. Also so
gesehen ein klares: Nein, ich kann Ihnen das nicht garantieren.
Präsident Johann Hatzl: Herr Abg
Strache
Abg Heinz-Christian Strache (Klub
der Wiener Freiheitlichen): Ja, wir haben im § 7a des Wiener
Sozialhilfegesetzes den Bereich, wo auch jener Personenbereich beschrieben
wird, dem neben den österreichischen Staatsbürgern eben auch
Sozialhilfeleistungen zustehen.
Unter welche Gruppe des § 7a des
Sozialhilfegesetzes fallen jetzt jene Osteuropäer, die seit 1. Mai auch
Mitglied der Europäischen Union geworden sind und hier einreisen und dann eben
als Erwerbslose beziehungsweise als Selbstständige hier sind? Das wäre interessant,
weil das zu beurteilen ist entscheidend, um vielleicht auch Abänderungen in
unserem, sprich Ihrem Bereich des Landes Wien vornehmen zu können.
Präsident Johann Hatzl: Herr
Landeshauptmann.
Lhptm Dr Michael Häupl:
Also wenn Sie mich nach dieser Fachfrage fragen, so wissen Sie ja genauso gut
wie ich, dass diese Leistungen nach Europarecht auf EWR-Bürger abgestellt sind.
Das sind EU-Bürger plus Norwegen und Island. Alle, die sich hier gemäß dem
Fremdenrecht und gemäß dem Sozialhilfegesetz legal aufhalten, sollen danach
auch entsprechenden Anspruch haben. Dazu gibt es, wie Sie ebenfalls wissen,
zwei Richtlinien der Europäischen Union und ein anhängiges Verfahren aus
Deutschland beim Europäischen Gerichtshof.
Das sind wesentliche Entscheidungsparameter, die es
dafür gibt und der Personenkreis selbst ist klar benannt: Staatsbürger aus dem
EWR-Raum, die hier legal Aufenthalt haben.
Präsident Johann Hatzl: Frau Abg
Jerusalem.
Abg Susanne Jerusalem (Grüner Klub im Rathaus): Herr
Landeshauptmann!
Es liegt schon fast in der Natur der Sache, dass
meine Frage in eine andere Richtung geht als jene der Freiheitlichen Partei.
Wir hatten vor der letzten Wiener Wahl ein
Versprechen der StRin Laska, wo es hieß, sie möchte dafür sorgen, dass auch
Fremde, als jetzt nicht EU-Bürger, sondern die Menschen, die im
Sozialhilfegesetz als Fremde bezeichnet werden, Sozialhilfe bekommen und zwar
nicht „können bekommen“, also nicht als Kann-Bestimmung, sondern als einen
Rechtsanspruch, sodass auch diese Menschen einen Rechtsanspruch haben. Wir
haben uns über dieses Versprechen wahnsinnig gefreut und mit uns viele
Menschen, die im Sozialbereich in Wien arbeiten, und mussten nun feststellen,
dass eine Reform kommt, ohne dass dieses Versprechen eingelöst wurde. Es bleibt
auch weiterhin eine Kann-Bestimmung.
Mich würde jetzt interessieren: Warum ist das so?
Warum gibt es da ein Wahlversprechen und dann bleibt alles beim Alten und
Fremde erhalten weiterhin keinen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe?
Präsident Johann Hatzl: Herr
Landeshauptmann:
Lhptm Dr Michael Häupl:
Frau Abg Jersualem, ich glaube, wir beide verkennen nicht, dass die Diskussion
eigentlich in eine ganz andere Richtung geht. Wenn ich mir beispielsweise heute
Entwicklungen anschaue, auch in Österreich selbst, ich brauche gar nicht von
europäischen Ländern reden, dann geht der Weg in eine andere Richtung und man
versucht - Stichwort niederösterreichisches Sozialhilfegesetz - in die Richtung
zu gehen, dies so lange als möglich hinauszuschieben. Ich persönlich bin der
Auffassung, dass wir dies in Österreich zumindest einmal entsprechend
akkordieren müssen, denn wir haben nichts davon, wenn aus allen europäischen
Ländern, weil Sie ja offensichtlich weit über die EU-Grenzen respektive
EWR-Grenzen hinausgehen, Menschen dann zu uns kommen, um sich
Sozialhilfeanspruch, Sozialhilfe abzuholen, von denen wir wissen, dass unsere
Sozialhilfe weit über dem liegt, was dort - wenn ich es mit den Löhnen in der
Türkei vergleiche - die Erwerbslöhne sind. Ich fürchte sehr und hoffe, Sie
geben mir aus Veritätsgründen Recht, dass wir dies finanziell nicht leisten
können. Und ich bin nicht bereit, das zu tun, was beispielsweise auch die
rot-grüne Regierung in Deutschland diskutiert: Dies wohl einzuführen, aber
gleichzeitig die Sozialhilfe für alle auf ein entsprechendes Unterminimum -
würde ich sagen - zu senken. Das heißt, dass alle entsprechend weniger
bekommen. Das würde ich nicht unterstützen, das würde ich nicht machen.
Wie man die finanziellen Probleme bei Ihrem
Vorschlag, der hier auch gemacht wurde, löst und ob das jetzt ein Versprechen
der Frau Vizebürgermeister war oder nicht, das kann ich jetzt und zur Stunde
hier nicht nachvollziehen, nehme es aber einmal so wie Sie es gesagt haben,
denn es ändert nichts an der Tatsache, dass ich fürchte, dass dies eine
finanziell für uns nicht leistbare Sache sein wird.
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