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Landtag, 3. Sitzung vom 25.01.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 78

 

Umfrage, die vorgestern präsentiert wurde vom Eurobarometer, dass gerade die Österreicher Schlusslicht sind bei der Zustimmung zur Europäischen Union. In Österreich sind lediglich 35 Prozent der Bevölkerung nur mehr für den Beitritt oder würden heute noch einmal für den Beitritt stimmen und wir brauchen uns über diesen Skeptizismus, den wir alle hier gemeinsam anprangern, nicht wundern, denn zum Teil wird er geschürt und zum Teil ist er total nachvollziehbar, absolut nachvollziehbar, denn auch Sie – und da sehe ich vor allem die Damen und Herren der Sozialdemokratie und der Österreichischen Volkspartei an -, auch Sie sind schuld an der Vertrauenskrise in der Bevölkerung, was die Europäische Union betrifft, denn Sie, liebe Damen und Herren von der SPÖ, haben die Kritik an der Europäischen Union und auch das Eintreten für eine Sozialunion erst sehr spät entdeckt, nämlich erst ab dem Zeitpunkt, in der Sie in Oppositionsrolle waren. Als Sie, in einer großen Koalition mit der ÖVP, Österreich in die EU geführt haben, mit einer maßlosen Propaganda, und ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, weil ich habe damals im Ministerbüro der mir sehr hoch geschätzten Bundesministerin Johanna Dohnal gearbeitet und war maßlos enttäuscht über die Sozialdemokratie, die in trauter Einigkeit mit den Gewerkschaften uns das Blaue vom Himmel, das Rote vom Himmel, erzählt hat, was nach einem EU-Beitritt nicht alles an Milch und Honig für die Österreicherinnen und Österreicher fließen würde.

 

Was ist passiert: Das Gegenteil ist passiert. Europaweit, in Österreich und in allen Ländern der EU, in allen osteuropäischen Ländern steigt die Arbeitslosigkeit, die Armut steigt, 32 Millionen Arbeitssuchende gibt es in Europa. Working Poor ist nicht nur ein Randphänomen, sondern wird bald der Regelfall, vor allem für Frauen, in Europa sein. Ich kann den Euroskeptizismus verstehen, es gibt eine schlechte Performance der EU seit Jahren, einen in den Augen vieler nachvollziehbarer nationalen Interessensbazar. Wir erleben ständig, dass die Regierungen - und da waren Sie, als Sie in der großen Koalition waren, genauso mitbeteiligt wie heute die ÖVP, die den Bundeskanzler stellt - auf EU-Ebene anders reden als auf nationaler Ebene.

 

Bestes Beispiel ist die jüngste Rede von Bundeskanzler Schüssel vor dem Europäischen Parlament zum Auftakt der Ratspräsidentschaft, in der er zwar die Förderung der erneuerbaren Energie als großen Schwerpunkt, als große Forderung in der Europäischen Union propagiert hat, aber auf nationaler Ebene mit der Beschlussfassung des Ökostromgesetzes genau das Gegenteil getan hat, was er in Brüssel gefordert hat, nämlich die Förderung für erneuerbare Energien praktisch zu reduzieren.

 

Den schönen Schlagworten auf EU-Ebene vom gemeinsamen Haus Europa - wir kennen sie alle, auch Sie haben sie heute verwendet - folgen keine Taten. Auch der jüngste Jobgipfel oder informelle Jobgipfel der Arbeits- und Sozialminister letzte Woche ist erneut ohne konkrete Vorschläge, wie man die Arbeitslosigkeit mit verbindlichen Maßnahmen bekämpfen könne, auseinander gegangen.

 

Wir führen diese Debatte seit nunmehr über zehn Jahren. Seit über zehn Jahren, nämlich ab dem Zeitpunkt, wo Jacques Delors versucht hat, dem Schlagwort, das er dem Binnenmarkt und dem Wettbewerbsrecht der EU der Wirtschaftsgemeinschaft entgegensetzen wollte, nämlich dem Schlagwort Soziale Dimension, Leben einzuhauchen. Seit zehn Jahren führen wir diese Debatte, seit zehn Jahren kommen PolikerInnen heraus an die Rednerpulte auf allen Ebenen, der europäischen Ebene, den nationalen Ebenen, den lokalen Ebenen und seit zehn Jahren geht in dieser Frage überhaupt nichts weiter.

 

Wir haben keine Beschäftigungsunion, wir haben keine Sozialunion, wir haben keine sozial verbindlichen Mindeststandards. Auch die Äußerungen der deutschen Bundeskanzlerin Merkel zur Frage der sozialen Dimension lassen eher kritisch stimmen, beziehungsweise Befürchtungen wach werden. Sie redet jetzt überhaupt nicht mehr von Sozialunion, sondern fordert plötzlich eine unverbindliche Sozialcharta als Anhängsel zu irgendwelchen Dokumenten. Das heißt, wir haben sogar in der Verbalrhetorik zu Beginn dieser Ratspräsidentschaft unwidersprochener Weise von Bundeskanzler Schüssel einen Rückschritt in dieser Frage, in der Frage der sozialen Dimension und der Sozialunion, die wohl die wichtigste Herausforderung Europas ist, um wirklich dem Euroskeptizismus etwas entgegen zu halten und Europa näher an die Bedürfnisse und die Lebensrealitäten der Menschen heranzuführen, die das Gefühl haben müssen, sie haben von diesem Europa rein gar nichts.

 

Die Antwort darauf können, wie gesagt, nicht nationalistische Töne sein, die Antwort muss aktive Europapolitik sein. Die Grünen haben seit Jahren für die meisten, ja für alle Fragen der Europäischen Union Konzepte vorgelegt, für die wir auf allen Ebenen kämpfen, auch dann, wenn es unpopulär ist, wir vertreten nicht hier etwas anderes als in Brüssel, (Abg Mag Wolfgang Jung: Ja, aber am Anfang war es anders!) ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden, aber ich nehme an, Sie haben das Voggenhuber-Duff-Papier weil Sie Voggenhuber ansprechen, gelesen und sind deshalb neidisch, dass die Vorschläge zur Wiederaufnahme eines Verfassungsprozesses, die Arbeit an einem Europäischen Verfassungsentwurf und auch die Tatsache, dass es einen sozialen Arbeitskreis im EU-Konvent überhaupt gegeben hat, von den Grünen gekommen ist, von Herrn Voggenhuber und nicht von Ihnen, nicht von den Christdemokraten und auch nicht von den Sozialdemokraten auf europäischer Ebene. Diese Visionen für Europa kommen von den GRÜNEN. Wir bedauern, dass es in diesem Haus nicht mehr europapolitische Debatten gibt.

 

Der Herr Bürgermeister hat davon gesprochen, die Rolle der Städte in der Europäischen Union werde immer wichtiger, Wien ist von der Europäischen Union, vom globalen Wettbewerb, von der globalen Politik, nicht mehr abzukoppeln und ich frage mich deshalb schon lange, wieso wir einerseits so wenige Debatten für Europa in diesem Haus haben und auch, wieso wir so wenige

 

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