Landtag,
6. Sitzung vom 06.10.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 90
unterschiedlich ausschaut, es nicht schaffen werden -
weder in Wien noch in Österreich -, der Armutsproblematik beizukommen. Wir
brauchen sowohl in Wien als auch woanders in Österreich eine bedarfsorientierte
Grundsicherung. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Das haben wir seit Jahr und Tag gesagt, nicht nur vor
dieser Wahl, sondern schon viel länger. Die Wiener SPÖ hat immer wieder gesagt:
Das können wir uns nicht leisten, das ist Bundessache, das soll der Bund tun. (Abg
Godwin Schuster: Das stimmt ja auch!) Nun, was sagt die Bundes-SPÖ, was
sagt der Vorsitzende der Bundes-SPÖ, Herr Gusenbauer? Er spricht inzwischen von
der Notwendigkeit einer bedarfsorientierten Grundsicherung in der Höhe von
800 EUR!
Das finden wir zwar schön, dass auch Herr Gusenbauer
inzwischen mitbekommen hat und der Meinung ist, dass nicht nur Wien, sondern
auch Österreich eine bedarfsorientierte Grundsicherung bekommen soll, und dabei
teilweise grüne Modelle kopiert. Aber wir haben ein bisschen die Befürchtung,
dass Herr Gusenbauer das in der Hoffnung sagt, dass die Bundes-ÖVP ohnehin
nicht darauf einsteigen wird, damit die SPÖ dann sagen kann: Wir wollten es,
aber leider konnten wir es nicht umsetzen, weil der potentielle Koalitionspartner
nicht dafür war. (Abg Godwin Schuster: Habt ihr das deshalb immer gefordert,
weil ihr wisst, die ÖVP macht das nicht?)
Man muss die Menschen nicht
nur an ihren Worten, sondern immer an ihren Taten messen, Herr Kollege, und das
tun wir auch im Fall der SPÖ. Wir wundern uns, warum die SPÖ auf Bundesebene
für eine bedarfsorientierte Grundsicherung eintritt, in Wien aber mit dem alten
Modell, mit dem inzwischen völlig veralteten und keine Probleme lösenden
Sozialhilfemodell weitermachen will. Noch dazu liegt die Höhe der Sozialhilfe
in Wien deutlich unter der Armutsschwelle, sodass keine gute Armutsbekämpfung,
keine effiziente Armutsbekämpfung erfolgen kann.
Was macht die Wiener SPÖ dort, wo sie tatsächlich die
Macht und die Möglichkeit hätte, eine bedarfsorientierte Grundsicherung
umzusetzen, da sie doch mit absoluter Mehrheit in Wien regiert? Sie setzt die
Grundsicherung eben nicht um! Sie setzt sie nicht um, und wenn das kein
Widerspruch ist - nämlich das, was der Bundesvorsitzende der SPÖ sagt, und das,
was die absolut regierende SPÖ tut -, dann weiß ich nicht, was ein Widerspruch
wäre. (Abg Mag Sonja Ramskogler: Weil Sie es nicht verstanden haben! - Abg
Christian Oxonitsch: Das ist aber nicht so!)
Was die Wiener SPÖ mit dieser Vorlage macht, ist nicht
nur, die Möglichkeit nicht wahrzunehmen, eine bedarfsorientierte Grundsicherung
in Wien einzuführen - wo sie das könnte, zumal sie, wie gesagt, absolut regiert
-, sondern sie verschärft das Gesetz auch. (Abg Godwin Schuster: Euer Modell
macht aber die Menschen ärmer!) Wie macht sie das? Indem sie zum Beispiel
die Rechtssicherheit aushöhlt (Abg Godwin Schuster: Sie haben weniger als
jetzt mit der Sozialhilfe!), indem sie ins Gesetz hineinschreibt: Es ist
jetzt nicht mehr notwendig, dass jemand einen schriftlichen Bescheid bekommt,
wenn er oder sie bei der Sozialhilfe abgelehnt wird. (Abg Mag Sonja
Ramskogler: Das stimmt ja nicht!) Es soll ausreichend sein, dies mündlich
mitgeteilt zu bekommen. Und wenn man dann die Kraft hat, wenn man entsprechende
Informationen hat, wenn man entsprechende Rechtsunterstützung hat (Abg
Godwin Schuster: Ich würde einmal das eigene Modell anschauen...!), dann
kommt man auf die Idee, dann nimmt man auch die Gelegenheit und die Möglichkeit
wahr, einen schriftlichen Bescheid zu verlangen, gegen den man dann berufen
soll. (Abg Godwin Schuster: Nein, das stimmt nicht!)
Wissen Sie, was das bedeutet? (Abg Mag Sonja
Ramskogler: Lesen, verstehen!) Das bedeutet, dass gerade bei jener Gruppe
von Menschen, die sich am wenigsten wehren können, weil sie nicht nur soziale,
sondern teilweise auch psychische Probleme haben, weil sie nicht die Strukturen
vorfinden, die sie unterstützen -, dass gerade bei dieser Gruppe von Menschen
versucht wird, mit der Verweigerung eines schriftlichen Bescheids dafür zu
sorgen: „Na ja, schauen wir einmal, wer sich durchsetzen kann, schauen wir
einmal, ob jemand die Informationen auch einholen kann, schauen wir einmal; und
wenn er oder sie es schafft, einen Bescheid wirklich auch durchzusetzen (Amtsf
StRin Mag Renate Brauner: Das ist eine Frechheit!) und dagegen eine
Berufung zu machen, dann werden wir vielleicht Sozialhilfe erteilen." Aber
die Stadt hat sich dann wieder ein paar Wochen oder ein paar Monate die
Auszahlung der Sozialhilfe erspart.
Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! So kann man
Armut sicher nicht bekämpfen, indem man einfach die Rechtssicherheit aushöhlt.
Das wird gerade die Leute, die die Sozialhilfe am nötigsten brauchen, weil sie
keine sonstigen Unterstützungen haben oder weil sie davon nicht leben können,
genau in die Sackgasse führen, dass sie ihre Hoffnung verlieren, dass sie die
Unterstützung, die sie brauchen, nicht bekommen.
Ich komme jetzt zum Bereich von ausländischen
Staatsangehörigen, die in Wien ihren Hauptwohnsitz haben. Vor fast einem Jahr,
noch bevor im Jänner 2006 die EU-Richtlinie zur Gleichstellung von langfristig
Aufenthaltsberechtigten in Kraft getreten ist, haben wir Anträge gestellt. Wir
haben der Wiener SPÖ gesagt, es wird notwendig sein, das Wiener
Sozialhilfegesetz zu novellieren. Wir wurden von der Wiener SPÖ belächelt, und
es wurde uns gesagt, dass eine Gesetzesänderung nicht notwendig ist. Ich kann
mich genau an die Aussagen der Frau StRin Brauner erinnern, die gesagt hat: Wir
machen das schon (Amtsf StRin Mag Renate
Brauner: Ja!), wir brauchen das Gesetz nicht zu ändern, wir werden einfach
die Praxis ändern.
Wie die Praxis dann teilweise ausgeschaut hat, wissen
wir auch, nämlich so, dass Menschen vom Sozialamt teilweise weggeschickt wurden
mit dem Argument: Du hast keinen österreichischen Reisepass, du kannst keine
Sozialhilfe bekommen - weil manche Personen bei den Sozialämtern offensichtlich
noch nicht davon informiert waren, dass es inzwischen diese EU-Richtlinie gibt.
(Zwischenruf von Abg Godwin Schuster.)
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