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Landtag, 6. Sitzung vom 06.10.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 90

 

kommen möchte. Wenn wir uns unser Leistungsniveau und auch den Zuwanderungsdruck, dem wir ausgesetzt sind, anschauen, dann kann es in Österreich so schlimm nicht sein, weil wir sonst eben nicht so ein attraktives Land wären.

 

Man muss sich sicherlich auch Folgendes überlegen: Wir haben in Europa, im Rahmen der EU, keine Sozialunion, das ist nationale Kompetenz. Und die Koordinierungsregelungen der EU, was die Richtlinien betrifft, sehen ja nur die Zusammenrechnung, den erleichterten Leistungsbezug vor, ohne jetzt inhaltliche Regelungen zu treffen. Deswegen glaube ich schon, dass ein Land wie Österreich mit sehr hohen Sozialstandards aufpassen muss, dass es nicht zu einem ungehinderten Leistungsexport kommt.

 

Ich komme selbst vom Fach und bin Sozialrechtler. Vor ein paar Jahren war es noch so, dass ein österreichischer Pensionist, der länger als zwei Monate ins Ausland ging, sich diesen Auslandsaufenthalt von der Pensionsversicherungsanstalt genehmigen lassen musste, weil man keine Pension nachschicken wollte. Das heißt, unser Standpunkt gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten, vor allem jenen, die viel weniger gute Sozialregelungen haben, müsste eigentlich schon ein eher restriktiver sein, weil uns sonst wirklich einmal das Geld ausgehen wird.

 

Was mir bei meiner Vorrednerin auch noch abgeht - aber das ist bei den GRÜNEN ja kein Wunder, bei der SPÖ leider Gottes auch nicht, und das ist auf Grund der Regierungsverantwortung, die jetzt auf sie zukommt, auch etwas sehr Dramatisches: Wir reden nur vom Umverteilen, vom Geldausgeben, wir reden eigentlich nicht davon, dass eine gute Wirtschaftspolitik, ein guter, attraktiver Wirtschaftsstandort die beste Form der Sozialpolitik ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Wirtschaftswachstum, Lohnerhöhungen, Arbeitsplätze, das ist das, was die Menschen wollen. Die Menschen wollen kein arbeitsloses Einkommen, sie wollen Arbeit, und Aufgabe der Politik ist es, sich Gedanken darüber zu machen, wie wir den Wirtschaftsstandort attraktiv gestalten können. Ein Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent ist der beste Weg dazu! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das bekommen wir aber sicher nicht, wenn Sie die Unternehmen vertreiben und wenn Sie hier mit dem arbeitslosen Einkommen winken. So bekommen Sie nur Zuwanderer, aber keine Arbeitsplätze! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ein paar Worte jetzt zu den Details des Sozialhilfegesetzes: Auch uns stößt es auf, und es ist rechtsstaatlich in der Tat bedenklich, dass die Bescheidpflicht aus dem Gesetz herausgenommen wird. Meine Damen und Herren, wir können auf einem akademischen Niveau sehr gerne über Verwaltungsrecht diskutieren, und es ist schon richtig, dass auch eine mündliche Auskunft Bescheidcharakter hat. Aber den Sozialhilfeempfänger zeigen Sie mir, der, wenn ihm vom Fonds Soziales Wien telefonisch gesagt wird: „Sie bekommen nichts.", dann auf die Idee kommt, dass das ein Bescheid ist, eine Niederschrift stattfinden müsste und es dann einen Rechtsschutz gibt! Meine Damen und Herren, genau dort, wo es um die Ärmsten der Armen geht, ist eine ausgedehnte Manuduktionspflicht, eine Anleitungspflicht, wichtig. Ich halte es für sehr bedenklich, sich hier in die Formen des Privatrechtes zu flüchten. (Beifall bei der ÖVP. - Zwischenbemerkung von Amtsf StRin Mag Renate Brauner.)

 

Ja, die Hinweispflicht lässt sich schwer belegen, und ein tragbarer Bescheid, der von Amts wegen ausgestellt wird, ist etwas ganz anderes, als wenn jemand von einer Stelle zur anderen herumgeschickt wird. Auch der Fonds Soziales Wien ist zwar eine ausgelagerte Einrichtung, die österreichische Rechtsordnung ist aber voll von Bestimmungen, mit denen ausgelagerte Einrichtungen mit Hoheitsgewalt ausgestattet werden, von der Austro Control bis hin zur ASFINAG. Denken Sie an das ASFINAG-Zuweisungsgesetz, auch da werden Personalhoheiten von einer privaten Gesellschaft wahrgenommen. Warum das gerade im Sozialbereich nicht so sein soll, dafür warte ich noch auf gute Argumente. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Auch zum Inhaltlichen: Die Forderungen können Sie jetzt an sich selber stellen, denn Sie werden die Regierung führen! Ich würde mir wünschen, dass möglichst alle Ministerien in den Händen der SPÖ sein werden, dann können Sie zeigen, wie Sie Ihr Konzept umsetzen wollen.

 

800 EUR Grundsicherung - ich frage mich, warum das Wiener Sozialhilfeniveau noch nicht angehoben wurde, warum wir hier bei 400, 500 EUR plus Mietbeihilfe sind (Beifall bei der ÖVP.), in einem Dschungel von Leistungen, wo niemand weiß, was einem wirklich zusteht (Abg Mag Sonja Ramskogler: ...versteht das nicht!), wo man die Frage stellen muss, ob die Menschen auch aufgeklärt werden - denn man kann sich ja doch etwas ersparen -, warum Sie die Menschen in diesen sozial kalten, sozialistischen Bürokratismus hineinschicken (Heiterkeit bei der SPÖ.) und nicht schon längst das verwirklicht haben, was Sie selber hätten verwirklichen können! Warum heben Sie die Sozialhilfe in einem ersten Schritt in Wien nicht auf 800 EUR an? Das wäre eine Antwort auf Ihre Forderung. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine Damen und Herren! Ein bisschen kommt es mir schon so vor, als ob man hier "Wünsch dir was" spielt. Die Grundsicherung ist sicherlich - auch wenn sie so kommt, wie sie von manchen gefordert wird - ein Beitrag für den österreichischen Tourismus, über den wir ja heute schon eine Stunde diskutiert haben. Ob das dann die Form von Tourismus ist, weiß ich nicht, aber dann sollte man schon auch dafür eintreten, dass auch jene Touristen, die in Österreich vier Wochen Urlaub machen, eine Grundsicherung bekommen, weil sie wirklich etwas zu unseren Arbeitsplätzen beitragen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

 

Wenn uns heute der Herr Landeshauptmann hier gesagt hat: „Sie werden sich umgewöhnen müssen", dann kann ich Ihnen von der SPÖ nur sagen: Sie werden sich noch viel mehr umgewöhnen müssen! Denn Sie müssen jetzt etwas zeigen, Sie müssen jetzt etwas vorlegen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 

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