Landtag,
16. Sitzung vom 28.03.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 56 von 78
sinnlos waren und natürlich damals unmenschlich
waren.
Es ist jetzt durchaus so, dass wir seit
63 Jahren eine demokratische Republik haben, einen doch im Großen und
Ganzen funktionierenden Sozialstaat, und Wien ist die sozialste Millionenstadt
der Welt. Natürlich ist es unser Ziel, die Armut zu beseitigen, vor allem die
Ursachen der Armut zu bekämpfen und die Bettelei, so weit das irgendwie möglich
ist, überflüssig zu machen, sodass gar niemand betteln muss. Das ist natürlich
unser Ziel. In früheren Zeiten hätte man vielleicht noch pathetischer gesagt,
in einer sozialistischen Gesellschaft würde es keine Armut mehr geben und
dadurch würde es keine Bettelei geben.
Wir haben differenziertere Gesellschaftsordnungen,
als es vielleicht manche unserer Vormütter und Vorväter geglaubt haben, und so
ist es eben so, dass es schon bei einer statischen Bevölkerung – nehmen wir an,
die Bevölkerung in Wien würde völlig gleich bleiben – sehr schwierig wäre,
Armut praktisch hundertprozentig zu beseitigen. Selbst wenn man ein sehr
dichtes soziales Netz hat, gibt es immer wieder individuelle Schicksale, die
aus irgendwelchen Gründen in die totale Armut verfallen und die eben betteln.
Wenn sie still betteln und nicht organisiert sind und die anderen Tatbestände
erfüllen, ist das dann, meiner Ansicht nach, auch etwas, was möglich sein
sollte.
Jetzt kommt dazu, dass wir Obdachlose haben, die
teilweise aus den Bundesländern zu uns kommen, aber natürlich quantitativ um
vieles bedeutsamer – das haben Vorredner schon gesagt – aus den neuen
EU-Staaten Menschen aus unterschiedlichen Intentionen zu uns kommen. Es ist
sicher langfristig auch unser Ziel, dass wir die Armut in Europa überhaupt
beseitigen und auf der Welt beseitigen. Das ist ein sehr langfristiges Ziel,
und wir leben damit, dass es eben Menschen gibt, die betteln. Hier ist es
notwendig zu differenzieren, aber ein generelles Bettelverbot wäre nicht
richtig und wäre auch nicht sozial, weil wir eben nicht die Armen bekämpfen
wollen, sondern die Armut bekämpfen wollen. (Beifall bei der SPÖ.) In
dem Sinn soll, so wie es der Bürgermeister am Vormittag gesagt hat, das stille
Betteln von tatsächlich Hilfsbedürftigen möglich sein.
Wie gesagt, wir haben ja schon in der geltenden
Rechtsordnung den § 2 des Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes, der jetzt
bereits aggressives, aufdringliches und organisiertes Betteln in Wien
verbietet. Weiters besteht die Möglichkeit der Wegweisung von aggressiven
BettlerInnen nach Anweisung und Abmahnung. Anstiftung zu solchen Formen der
Bettelei sind nach § 7 des VStG strafbar. Auch der Verfall von Geld, das
durch verbotene Formen der Bettelei beschafft wird, kann verfügt werden. Das
ist also das geltende Gesetz.
Was jetzt dazukommt, ist, dass das Betteln durch
strafunmündige Personen, also bis 14 Jahre, im öffentlichen Raum stark
zugenommen hat. Das hat einfach sehr stark zugenommen, ebenso die damit
zusammenhängenden nicht wünschenswerten Erscheinungsformen der Ausbeutung von
Kindern.
Deshalb schlagen wir heute zwei neue
Verwaltungsstraftatbestände zur Abstimmung vor, die sich gegen strafmündige
Personen richten, welche unmündige minderjährige Personen beim Betteln
mitführen oder zum selbstständigen Betteln anstiften.
Wie auch schon gesagt worden ist, ist es so, dass
meistens ja nicht die Eltern mit ihren Kindern betteln, sondern leider sehr oft
die Kinder gegen Geld ausgeborgt werden – unter Anführungszeichen –, um dann
eben irgendjemandem, durchaus nicht immer Notleidenden, zu Geld zu verhelfen
mittels einer Methode, die nicht zulässig ist.
Eines muss man auch sagen: Auch in den wenigen
Fällen, wo die Kinder mit ihren Eltern betteln – das ist auch im Ausschuss von
den Experten ganz deutlich gesagt worden –, gibt es eine Traumatisierung der
Kinder. Die Traumatisierung der Kinder ist eine Tatsache. Das ist im Ausschuss
von den Experten, die das wirklich wissen und wissen müssen – und von
Expertinnen, im Ausschuss, glaube ich, waren es nur Männer, deshalb sage ich
Experten –, ganz eindeutig gesagt worden. Die Traumatisierung ist in jedem Fall
gegeben. Das ist bestätigt, da ist nichts mehr, was man durch wissenschaftliche
Studien noch beweisen müsste.
Deshalb sind auch zusätzliche sozialwissenschaftliche
Studien, wie von den GRÜNEN verlangt, nämlich noch einmal zwei, drei Jahre
sozialwissenschaftliche Studien, der falsche Weg, denn das heißt, zwei, drei
Jahre müssen Kinder länger leiden, werden die Kinder länger ausgebeutet. Das
kann nicht unser Ziel sein, und deshalb wollen wir dieses Gesetz heute sofort
beschließen.
Wobei natürlich die differenzierte Vorgangsweise auch
notwendig ist. Einerseits wollen wir nicht eine Strafe haben, die quasi
überhaupt nicht abschreckend ist, deshalb 700 EUR als Höchststrafe. Das ist
aber die absolute Höchststrafe – das muss man immer dazusagen –, und natürlich
ist es so, dass bei Ersttätern in der Regel eine bloße Ermahnung kommen wird.
Des Weiteren gibt es die Möglichkeit, von der Strafe abzusehen oder die
außerordentliche Milderung der Strafe. Also tatsächlich bestraft wird in der
Regel erst bei wiederholten Fällen, wenn jemand sich absolut nicht davon
abbringen lassen will. Und für die Höchststrafe müssen dann wirklich alle
qualifizierten Tatbestände zusammenkommen.
Aber ich glaube, grundsätzlich ist das auch der
Mittelweg: 700 EUR, das ist nicht so niedrig, dass es von Haus aus als
Bagatelle gesehen wird, es ist aber auch nicht mehr Strafe als notwendig wäre
mit negativen Folgewirkungen.
Und weil heute im „Standard" steht – ich weiß
jetzt nicht, ob die Kollegin Vassilakou das erwähnt hat –, die Arbeiterkammer
hätte diese Gesetzesnovelle kritisiert. Das ist grundfalsch. Ich lese vor: „Die
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien begrüßt die Intention des
vorgelegten Entwurfs, Kinder und unmündige minderjährige Personen vor deren
Ausbeutung im Zusammenhang mit der Bettelei zu schützen."
Dann steht weiter, durchaus im
Einklang mit unserer
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