Landtag,
22. Sitzung vom 29.10.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 59
andere, wir unterscheiden uns nur dahin gehend, dass wir es nicht wissen wollen, während andere Staaten, sei es die USA, sei es Deutschland, schon eine sehr ausgeklügelte Forschungsarbeit zum Thema Fehler und Fehlerkultur in Spitälern vorweisen.
So haben wir keinerlei derartige Untersuchungen,
obwohl - und das kann man auch anhand internationaler Studien, so Bachinger,
hochrechnen, - jährlich 3 000 bis 6 000 Menschen durch Folgen von
Behandlungsfehlern möglicherweise auch in Österreich versterben.
Das müsste doch - und das hat ja nicht irgendjemand
gesagt, sondern der Sprecher der Patientenanwälte - das müsste doch auch den
Wiener Patientenanwalt dazu veranlassen, hier nachzuforschen, nachzuschauen,
aufzuklären. Sie fallen Ihren eigenen Kollegen leider öffentlich in den Rücken,
in dem Sie sagen, „das wäre", und so zitiert der Kurier, „ein gewagter
Vorwurf.“ Die hochgerechneten Zahlen von 3 000 bis 6 000 Todesfällen
kann sich der Wiener Patientenanwalt Konrad Brustbauer nicht vorstellen, „das
ist ein gewagter Vorwurf, Hochrechnungen sind mathematisch gesehen ein gutes
Element, aber in so einem hochsensiblen Bereich braucht man handfeste Beweise,
alles andere führe zur Verunsicherung.“
In Wien liegt die Zahl der Beschwerden bei der
Patientenanwaltschaft bei knapp 3 000 Fällen jährlich, 2007 übernahm der
Entschädigungsfonds in sechs Fällen die Begräbniskosten, weil es im Spital zu
Komplikationen gekommen war, das heißt aber nicht automatisch, dass Fehler
aufgetreten sind, so Brustbauer.
In dieser im Kurier
zitierten und von Ihnen nicht widersprochenen Meldung stellen Sie in Abrede,
dass es überhaupt zu Fehlern kommen kann. Das tut ja nicht einmal der Herr
Generaldirektor Marhold, der auch als guter Generaldirektor zugibt, dass man
sich um Fehlerkultur kümmern muss. Wenn man jetzt als Patient und Patientin
liest, dass Sie im äußersten Fall, nämlich dann, wenn schon Begräbniskosten zu
begleichen sind, von „Komplikationen" sprechen und das Wort Fehler im
Zusammenhang mit dem Spitals- und Gesundheitswesen gar nicht in den Mund nehmen
wollen, dann muss man als Patient und Patientin denken, da gehe ich besser
nicht hin, wenn ich mich beschweren möchte, wenn das System Gesundheitswesen am
längeren Ast sitzt. Das war aber nicht umsonst eine Voraussetzung für die
Einführung Ihrer Position gewesen, und wenn Sie da nicht hinschauen wollen,
Herr Dr Brustbauer, dann verpassen Sie die Debatte über das moderne
Gesundheitswesen und Sie verpassen die Debatte über Patientensicherheit. Ich
weise Sie darauf hin, dass Deutschland ein Aktionsbündnis für
Patientensicherheit gegründet hat, und zwar deshalb, weil man in Deutschland
bei 17 Millionen Krankenhausaufenthalten jährlich davon ausgeht, dass
davon 0,1 Prozent Todesfälle durch Fehler im Krankenhaus zu verzeichnen
sind. Das sind, eine Milchmädchenrechnung für Deutschland,
17 000 Tote im Jahr. Das sind Zahlen, die müssen uns Angst machen,
und die sollten uns veranlassen nachzuschauen. Und in Deutschland geht man
davon aus, dass 5 bis 10 Prozent an unerwünschten Ereignissen im Krankenhaus
auftreten, davon sind 30 bis 50 Prozent vermeidbar, wenn man die
Patientensicherheit steigert.
Wir haben, und Sie erinnern sich, diese Dinge im
Gesundheitsausschuss bereits diskutiert, und ich habe die Frau Stadträtin für
Gesundheit - sie ist heute leider verhindert - aufgefordert, schauen wir doch
in Österreich hin, schauen wir in Wien hin.
Natürlich sind
Hochrechnungen zwischen 3 000 und 6 000 relativ unpräzise, machen wir
eine Studie, schauen wir nach an Hand von Patientenakten, an Hand von
teilnehmender Beobachtung, an Hand von Critical Incident Reporting System wie
wir hier liegen, welche Fehlervermeidungsstrategien hier verbessert werden
sollen.
Frau StRin Wehsely hat das zu meinem großen Bedauern weit
von sich gewiesen. Sie kann das leicht tun, weil sie ja von der Gegenseite,
nämlich von Seiten des Patientenanwaltes, mit dem Hinweis „von Fehlern wollen
wir nichts reden" das nötige Backing erhält. Wir wissen aber von solchen,
und der eine Fall des chinesischstämmigen Patienten ist ein trauriges Beispiel,
die Brandopfer im Otto-Wagner-Spital sind das andere, das wir im Moment in der
Untersuchungskommission zur Psychiatrie diskutieren. In dem einen Fall zeigt
sich, wie wenig sich Patienten und Patientinnen auf die Patientenanwaltschaft
verlassen können. Da hat im Jahr 2003 der Patient Ihren Amtsvorgänger, den
mittlerweile verstorbenen Herrn Dr Dohr, bei einem Besuch davon in Kenntnis
gesetzt, dass er von einem Mitpatienten, als er fix und sediert im Netzbett
lag, angezündet wurde, weil der Patient selber sterben und zwei andere
Patienten mitnehmen wollte. Gerettet wurde er nur, weil der Feuerverursacher
selber gegangen ist, um Hilfe zu holen. Der Patient, von dem ich spreche, das
Brandopfer, hat schwere Verletzungen an den Füßen erlitten und ist zum
Patientenanwalt gegangen, und das aus einem guten, nachvollziehbaren Grund: Man
liegt im Spital, man sollte behandelt werden, man ist in einer hilflosen
Situation, und man erleidet eine Brandverletzung. Das kann doch nicht wahr
sein, dass man dafür nicht entschädigt wird.
Der Amtsvorgänger Dohr hat die
Stellungnahme des Spitals eingeholt und hat dann geantwortet, dass kein
medizinisches Fehlverhalten festzustellen sei, und daher eine Entschädigung
nicht möglich wäre. Im Zuge der Debatte rund um die Psychiatrie und einen
weiteren schlimmen Brandvorfall, bei dem der Krankenanstaltenverbund sich nun
doch genötigt sah, eine hohe Entschädigungssumme zu zahlen, ist der Patient
wieder, und diesmal zu Ihnen, Herr Dr Brustbauer, gegangen, um zu sagen, wie
kann denn das sein. Ein anderes Brandopfer, in dem Fall hat die betroffene
Person sogar selber das Feuerzeug betätigt, in so einem Fall, wo ein anderer
angezündet hätte, müsste es doch sein, dass er nun auch einen Anspruch auf
Entschädigung hätte. Die Patientenanwaltschaft hat im Lichte dieses zweiten
Falles nicht mehr gut sagen können, na gut, kein medizinisches Fehlverhalten,
kriegen sie halt nicht, sondern sie musste ihre Argumentation ändern und sie
hat sie geändert. Jetzt hat der Patient schon wieder ein abschlägiges
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