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Landtag, 27. Sitzung vom 23.09.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 45 von 78

 

Feuer gehabt. Eine Rund-um-die-Uhr-Pflege war nicht möglich, weil die Wohnung zu klein war. Ich habe versucht, eine stationäre Übergangspflege zu organisieren. Das war nicht möglich. Mir wurde gesagt, ich kann um einen Pflegeplatz ansuchen und dann wochen- und monatelang warten, eine unerträgliche Situation für meine Eltern, für beide, für die ganze Familie. Es wurde uns dann noch eine Möglichkeit angeboten: Wir könnten meinen Vater nach Hause bringen, dann vom Fonds Soziales Wien eine Schwester rufen, die würde dann kommen, seinen Zustand begutachten und eine Einweisung auf die Psychiatrie im Kaiser-Franz-Josef-Spital veranlassen. Jetzt muss man sich einmal vorstellen, was das wieder für einen dementen, verängstigten Menschen bedeutet hätte, der nicht weiß, was mit ihm passiert und der sich nicht mehr auskennt und endlich in die gewohnte Umgebung zurückkommt und dann wieder weggeschickt werden soll. Abgesehen davon verursacht das ja auch völlig unnötige Kosten für den Verwaltungsapparat. Die Heimhilfe weiterhin war unzureichend, weil er 24 Stunden beaufsichtigt hätte werden müssen. Er ist trotz allem entlassen worden.

 

Wir haben keine Entlassungsberatung bekommen, keine Unterstützung, nichts. Es war nur daran gedacht, ihn möglichst schnell aus dem Spital zu entlassen. Meine Mutter und ich haben ihn abgeholt. Wir mussten eine Stunde lang mit dem verängstigten Patienten, der ruhelos auf- und abgelaufen ist, auf die Entlassungspapiere warten und dann wurden uns zwei Stunden Wartezeit auf den Krankentransport in Aussicht gestellt. Das haben wir natürlich nicht mehr auf uns genommen und meinem Vater nicht zugemutet. Wir haben ihn mühsam in ein Taxi verfrachtet. Das war enorm schwierig, weil er nicht verstanden hat, um was es geht, weil er auch körperlich kaum mehr in der Lage war, in ein Taxi einzusteigen.

 

Es ist uns dann, Gott sei Dank, gelungen, innerhalb kurzer Zeit einen Pflegeplatz in einem privaten Pflegeheim zu bekommen. Dort ist es ihm nach einer Eingewöhnungszeit eigentlich ganz gut gegangen. Trotzdem kommt bei seinem Krankheitsbild natürlich immer wieder aggressives Verhalten vor, wenn man verwirrt ist, wenn man Angst hat. Das Personal war überfordert und wollte, dass seine Medikamentation neu eingestellt wird. Da wurde er innerhalb von sieben Tagen zu fünf ambulanten Spitalsterminen geschleppt. Meine Schwester hat ihn immer begleitet und wollte ihn auch zum letzten Termin auf der Baumgartner Höhe begleiten, wurde aber informiert, dass er am Tag zuvor stationär ins Kaiser-Franz-Josef-Spital in die Abteilung für innere Medizin eingeliefert worden ist, damit die Medikamente dort stationär neu eingestellt werden.

 

Später haben wir erfahren, dass er dort irrtümlich eingeliefert worden ist. Er hätte auf die Baumgartner Höhe, auf die Psychiatrie, dort, wo er den ambulanten Termin hatte, eingeliefert werden sollen. Er wurde irrtümlich vom Krankentransport, wie auch immer das passiert ist, weiß niemand, ins Kaiser-Franz-Josef-Spital auf die Innere Medizin eingeliefert. Dort wurde er sofort medikamentös ruhiggestellt. Zwei Wochen lang hat er geschlafen, obwohl bekannt ist, dass diese Psychopharmaka, Neuroleptika, eine erhebliche Gefährdung für Demenzpatienten darstellen. Im Laufe dieser zwei Wochen hat er Lungenentzündung bekommen, ich nehme an, wegen des langen Liegens und auch wegen der Neuroleptika, die ihm verabreicht wurden. Er konnte nicht mehr sprechen, er konnte nicht mehr gehen, er konnte nicht mehr selbst essen. Und vom medizinischen Personal wurde zunächst überhaupt keine Auskunft gegeben, warum das so ist, was mit ihm los ist. Das Pflegepersonal, das möchte ich hier betonen, war sehr bemüht, aber eben auch durch die Situation überfordert.

 

Auf Grund einer langen Mail von mir an die Spitalsleitung mit umfassenden Fragestellungen wurden wir dann informiert, allerdings auch nicht ganz zufriedenstellend. Wir haben zum Bespiel gefragt, warum er nicht in ein Krankenhaus überstellt wurde, das für demente Patienten eingerichtet ist. Man hat uns erklärt, dass das Kaiser-Franz-Josef-Spital sicher nicht dafür geeignet ist. Man hat uns erklärt, die medikamentöse Ruhigstellung wäre notwendig gewesen, obwohl bekannt ist, dass das ein erhebliches Sterblichkeitsrisiko für demente Patienten darstellt. Warum er ein Medikament bekommen hat, das in der Literatur als ausgesprochen ungeeignet für seinen Fall beschrieben wird, nämlich nicht zu empfehlen ist für ältere Patienten mit Demenz im Zusammenhang mit Psychosen, auch das konnte man mir nicht restlos erklären. Man hat dann gesagt, er werde bald entlassen. Wir haben daher davon abgesehen, ihn wieder in ein anderes Spital zu bringen.

 

Dann ging die Odyssee weiter. Er wurde zurück ins Pflegeheim entlassen. Das Pflegeheim hat sich geweigert, ihn wieder aufzunehmen und hat ihn auf die Baumgartner Höhe weitergeschickt. Die Baumgartner Höhe hat die Aufnahme verweigert und hat ihn zurück ins Kaiser-Franz-Josef-Spital geschickt, wo er dann noch etwa eineinhalb Wochen ruhiggestellt wurde. Er hat also insgesamt etwa vier Wochen fast nur liegend im Spital zugebracht. In dieser Zeit hat sich sowohl sein geistiger als auch körperlicher Zustand extrem verschlechtert, er war total abgebaut, er konnte nur mehr liegen, auch im Heim und dann erst langsam im Rollstuhl sitzen. Er hat sich ein bisschen im Heim erholt. Nicht viel später wurde er erneut mit Fieber und angeblich Lungenentzündung ins Kaiser-Franz-Josef-Spital geschickt, wo er erneut ruhiggestellt wurde und nur geschlafen hat und gleich wieder medikamentös behandelt wurde. Heute, genau heute vor einer Woche, ist er dort gestorben.

 

Eine zusätzliche Bemerkung noch: Kurz vor seinem Tod wurde endlich nach langem Hin und Her der Zuschuss für die Heimkosten bewilligt, aber mit der Auflage, dass er in ein Heim überstellt wird, das für demenzkranke Personen eingerichtet ist. So einen Platz haben wir aber nicht gehabt und es war nicht klar, wie lange es dauern würde, einen solchen Platz zu bekommen.

 

Meinem Vater ist nicht mehr zu helfen, das ist ganz klar. Es geht mir nicht um diesen Einzelfall und darum, dass man ihm vielleicht die letzten Monate und Wochen verschönern hätte können ohne diese traumatischen

 

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