Landtag,
29. Sitzung vom 28.01.2010, Wörtliches Protokoll -
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ganz anders aus, denn immer mehr Kinder sprechen nicht Deutsch und auch
österreichische Kinder haben teilweise Sprachprobleme. Ich will jetzt gar nicht
unterteilen in Ausländer und Nichtausländer oder Ausländer und Inländer. Es
sind nämlich insgesamt immer mehr Kinder auch sozial nicht integriert. Das
bedeutet, dass sich das Problem, das wir jetzt schon in der 1. Klasse der
Volksschule haben und das sich bis ans Ende der Pflichtschule und weiter bis
zum Berufseinstieg durchzieht, um ein Jahr vorverlagern würde. Dann wären
nämlich alle Kinder gemeinsam im Kindergarten, und die Mehrheit würden
vermutlich Kinder mit Migrationshintergrund ausmachen, die vielleicht nicht
Deutsch können und im Kindergarten Probleme mit verursachen würden.
Das heißt: Es gibt sprachliche und soziale Mankos in den Volksschulen,
und das Ganze würde sich in den verpflichtenden Kindergarten vorverlagern.
Das heißt, es würde keine Integration in der Weise mehr stattfinden,
wie es eigentlich erwünscht wäre, sondern die Integration würde anders herum
stattfinden. Man bräuchte sozial und pädagogisch qualifizierte
KindergartenbetreuerInnen, die es in dieser Zahl überhaupt nicht gibt. Ich
glaube, nicht einmal Lehrer an den Pflichtschulen haben zur Zeit die
Möglichkeit und die Fähigkeit, dieses Problems, das in Wien immer stärker wird,
Herr zu werden. Das können die Lehrer zur Zeit großteils auch nicht, und zwar
nicht deswegen, weil sie so schlechte Lehrer sind, sondern weil sie
hinsichtlich dieser Problematik nicht wirklich geschult wurden.
Ganz aktuell zeigt eine neue Studie des Instituts für
Bildungsforschung, dass Lehrlinge nach der Pflichtschule unvermittelbar sind.
Frau Brigitte Jank, die Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien, hat gesagt,
dass 68 Prozent der Wiener Unternehmen über Schwierigkeiten klagen, geeignete
qualifizierte Jugendliche zu finden.
Es wurden bei dieser Studie 300 Betriebe in Wien aus allen Branchen
befragt, und es zeigte sich, dass immer mehr Schulabgänger nach der
Pflichtschule nur über geringe Grundkompetenzen in Lesen, Schreiben und Rechnen
verfügen. Für die Unternehmen in Wien ist natürlich das sprachliche
Ausdrucksvermögen ganz besonders wichtig, und dieses ist leider bei vielen
Schülern nicht vorhanden. Ich glaube aber, dass das verpflichtende
Kindergartenjahr in dieser Form diesem Problem auch nicht vorbeugen würde, weil
vor Schulantritt nicht garantiert wird, dass denjenigen, die es brauchen, vor
Schuleintritt die deutsche Sprache entsprechend vermittelt wird.
Anders wäre es, wenn man besondere Gruppen für die Kinder mit
Betreuungsbedarf einrichten würde, in denen speziell ausgebildete Pädagogen
Gruppen mit sozialen und sprachlichen Mankos ausbilden. Das ist aber in diesem
Gesetz, soweit ich es gelesen habe, nicht vorgesehen.
Es stellt sich auch die Frage, ob genügend Plätze vorhanden sind
beziehungsweise ein flächendeckendes Angebot vorhanden ist. Sie haben sich mit
§ 4 Abs 1 Punkt 3 ein Schlupfloch für Ausnahmen gelassen. Dort
steht: „Von der Besuchspflicht ausgenommen sind Kinder, denen auf Grund der
Entfernung zwischen Wohnort und nächst gelegener geeigneter institutioneller
Kinderbetreuungseinrichtung der Besuch nicht zugemutet werden kann.“ Und in den
Erläuterungen steht: „Dieser Ausnahmetatbestand ist dann anzunehmen, wenn die
Geh- und Fahrtzeit zur Kinderbetreuungseinrichtung mehr als 45 Minuten
beträgt.“ Das heißt, es ist zur Zeit gar nicht garantiert, ob ein
flächendeckendes Angebot überhaupt vorhanden ist.
Aus den genannten Gründen lehnen wir dieses Gesetz ab. Ich freue mich
aber auf eine angeregte Diskussion! (Beifall bei der FPÖ.)
Präsidentin Marianne Klicka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist
Frau Abg Smolik. Ich erteile es ihr.
Abg Claudia Smolik (Grüner Klub im Rathaus): Sehr
geehrte Frau Präsidentin! Herr Stadtrat! Meine Damen und Herren!
Ich muss gestehen, dass ich die Theorie, die Kollege Gudenus uns hier
jetzt dargelegt hat, nicht ganz verstanden habe. Ich führe das jetzt einmal auf
meinen angeschlagenen Gesundheitszustand zurück. Aber vielleicht wird der
Standpunkt der FPÖ von den anderen Rednern noch ausführlicher erläutert!
Vielleicht konnten sie das nachvollziehen!
Für mich war nicht ganz schlüssig, was er mit dem vorgezogenen Problem
meint. (Zwischenruf von Abg Mag Johann Gudenus, MAIS.) Ja! Aber Sie haben
das nicht wirklich schlüssig erläutert!
Wir werden diesem Gesetz heute zustimmen. Ich habe allerdings bereits
im Ausschuss angemerkt, dass wir mit einem Paragraphen in diesem Gesetz nicht
sehr glücklich sind. Dementsprechend haben wir aber bereits einen Antrag
eingebracht, damit man das Gesetz in dieser Hinsicht noch einmal abändern
könnte. Es handelt sich hiebei um § 4, in dem geregelt ist, dass Kinder
mit Behinderungen vom verpflichtenden Kindergartenbesuch ausgenommen werden
können. Darüber gab es schon eine Debatte, als dieses Gesetz vorgeschlagen
wurde, auch im Hinblick auf die 15a-Vereinbarung. Es gab eine sehr breite
Debatte auch unter den Behindertenorganisationen, dass dieses Gesetz der
UN-Kinderrechtskonvention widerspricht, aber auch der UN-Konvention über die
Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Es mag sein, dass es in Wien nicht ganz so häufig vorkommt, dass Kinder
mit Behinderung nicht in den Kindergarten gehen, weil dieser zu weit entfernt ist
oder es diesbezüglich Bedenken gibt. Wir haben aber auch in Wien für Kinder mit
Behinderungen zu wenig integrative Plätze im Kindergarten, und dieses Gesetz
ermöglicht vielleicht, dass das als Grund angeführt wird, warum Kinder mit
Behinderung nicht in den Kindergarten gehen können und von dieser Verpflichtung
ausgenommen werden.
Ich glaube, dass wir in dieser Frage österreichweit
ein Umdenken brauchen. Wir brauchen den Gedanken der Inklusion viel stärker! Es
kann nicht sein, dass wir immer gerade jene, die den Kontakt mit anderen
Kindern dringend brauchen – und das sind unter anderem auch
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