Landtag, 31. Sitzung vom 19.04.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 7 von 34
rein türkische Schulen keine Maßnahme zur Integration, sondern zur
Desintegration wären.
Im Gegensatz zu der etwas nebulosen Pressekonferenz, die der türkische
Botschafter mit Ihrem Bundesparteivorsitzenden - gleichzeitig auch Wiener
Landesparteivorsitzender und sonst noch irgendwelcher Vorsitzender - gemacht
hat, war das eine sehr klare Botschaft, nämlich die Botschaft gerade an unsere
türkische Community: Lernt Deutsch! Das war die wesentliche Botschaft dabei,
und das ist auch in nahezu allen Medien entsprechend herausgekommen. (StR
Johann Herzog: Das ist kühn!)
Ja, selbst wenn man die APA liest, war das vollkommen klar: Die
Botschaft war „Lernt Deutsch". Ich bin sehr froh darüber, dass ein
türkischer Botschafter neben mir sitzt ... (Abg Mag Wolfgang Jung:
Nein, die Botschaft war ...!) Ja, für Sie nicht, weil Sie es nicht
hören wollen. (StR Johann Herzog: ... türkische Privatschulen!)
Weil Sie es nicht hören wollen!
Es ändert jetzt trotzdem nichts an der Tatsache: Das war die Botschaft.
Und ich bin sehr froh darüber, dass ein türkischer Botschafter neben mir sitzt
und sagt: Jawohl, er ist dieser Auffassung und fordert die gesamte türkische
Community auf - egal, ob sie nun österreichische Staatsbürger sind oder nicht
-: Lernt Deutsch! Das halte ich für sehr gut. (Beifall bei der SPÖ. - StR
Johann Herzog: Aber in türkischen Schulen!)
Darüber hinaus: Auf eine Zusatzfrage, ob ich mir eine türkische Schule
vorstellen kann, sagte ich: Wir haben in Wien bereits fremdsprachige Schulen
wie etwa das Lycée Français, wie die American School - die American School ist
ein bisschen anders organisiert - oder die Komensky-Schule, die Privatschulen
sind, die völlig anders finanziert sind und die selbstverständlich auch die
notwendigen in deutscher Unterrichtssprache unterrichteten Gegenstände haben,
weil sie sonst kein Öffentlichkeitsrecht bekommen. Wenn der türkische Staat so
etwas auch zahlt, dann kann ich mir das durchaus vorstellen. Aber das ist nicht
unser Anliegen, sondern unser primäres Anliegen ist, dass die jungen Leute in
einer Schule Deutsch lernen, und das ist eine Grundvoraussetzung dafür. (Abg
Mag Wolfgang Jung: Wenn der türkische Staat zahlt!)
Jetzt weiß ich schon, Sie hätten sich das alles, diese ganze Frage und
die ganzen Spompanadeln, ersparen können, wenn Sie beispielsweise in einem
Medium, das man nicht gerade als sozialdemokratisches Leitmedium bezeichnen
kann - nämlich „Die Presse" -, nachgelesen hätten. Da ist am 13. April
ein sehr differenzierter Artikel erschienen, der auch sehr klar gemacht hat,
was die einzelnen Positionen dazu sind.
Aber ich verstehe schon, es ist eben Wahlkampf. Da ist eine
differenzierte Sicht der Dinge nicht möglich, sondern da behauptet man etwas und
drischt darauf hin. Ja, ich nehme es zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Prof Harry Kopietz: Danke, Herr Landeshauptmann.
- Die 2. Zusatzfrage stellt Frau Abg Jerusalem. Ich ersuche darum.
Abg Susanne Jerusalem (Grüner Klub im Rathaus):
Herr Landeshauptmann!
Wir können jetzt vielleicht fortsetzen auf der Ebene der differenzierten
Sicht der Dinge. Denn tatsächlich ist es ja so, dass die Kinder mit einem
türkischen Familienhintergrund größere Sprachprobleme mit dem Deutschen haben
als andere Kinder, die auch andere Muttersprachen haben. Sie haben also
wirklich die größten Probleme, man hat sich natürlich die Frage gestellt:
„Warum ist das so?" und ist draufgekommen: Dass die türkischen Großeltern
und die türkischen Eltern vielfach dazu übergegangen sind, das Türkische
abzulegen und Deutsch zu sprechen, ist der Kern des Problems. Sie haben mit
ihren Kindern nicht mehr in der Muttersprache gesprochen, sondern in einem sehr
schlechten Deutsch.
Die Botschaft „Lernt Deutsch" ist für diese Menschen die falsche,
weil sie es falsch verstehen. Ich meine, die Botschaft müsste lauten: Sprecht
mit euren Kindern in der Muttersprache, damit sie die Chance haben, darauf
aufbauend gutes Deutsch zu lernen.
Präsident Prof Harry Kopietz (unterbrechend) Frau
Abgeordnete, Sie haben noch 40 Sekunden Zeit für die Frage.
Abg Susanne Jerusalem (fortsetzend): Meine Frage
lautet daher: Können Sie sich vorstellen, dass die Muttersprache der Kinder
verpflichtend unterrichtet wird?
Präsident Prof Harry Kopietz: Herr Landeshauptmann.
Lhptm Dr Michael Häupl: Zunächst einmal: Wo wir
übereinstimmen, ist die Analyse. Da hätte es jetzt gar nicht so sehr des
türkischen Beispiels bedurft, man kennt das ja auch von früher. Die erste
größere Einwanderungswelle, die wir in Österreich hatten, war nach dem
berühmten Ungarn-Aufstand gegen die kommunistische Diktatur in Ungarn, und da
könnte uns unser Kulturstadtrat ja schon aus seiner eigenen Familie erzählen,
wie man sozusagen zwei Sprachen nicht kann, nämlich eigentlich die eigene
ursprüngliche und die neue auch nicht.
Daher ist es überhaupt keine Frage: Ich meine auch, dass das Angebot,
die eigene Sprache entsprechend zu lernen - die Muttersprache, wenn man das so
sagen will -, natürlich ein richtiges ist. Das teile ich so weit. Wovon ich
nichts halte, ist der Zwang dazu. Ich habe schon seinerzeit nichts davon
gehalten, dass man Zwangskurse für Deutsch macht; ich halte jetzt von
Zwangskursen oder verpflichtenden Kursen für Türkisch auch nichts.
Wir haben hingegen ein großes Angebot im ganz
normalen Regelunterricht in Wien, was Sie mit Sicherheit mindestens so gut wie
ich wissen. 40 Prozent der jungen Leute nehmen heute diesen Unterricht in
Anspruch, also Türkisch auch in Anspruch. Das ist, so denke ich, immerhin etwas.
Die Tendenz dazu ist steigend, und selbstverständlich werden wir die
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